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ADAC Dauergast in Autokinos
Leere Batterie nach Kinobesuch immer häufiger

Wegen der Corona-Pandemie boomen Autokinos. Der ADAC gehört jetzt zu den Stammgästen, um bei leeren Batterien zu helfen.

Autokino Kornwestheim Reportage
Foto: Hans-Dieter Seufert

Die im Zuge der Corona-Pandemie aufgestellten Abstandsregeln haben zu einer Schließung von klassischen Kinos und zu einem ersatzweisen Boom von Autokinos geführt. Die mangelnde Erfahrung einiger Autokinobesucher bringt allerdings beim Ende der Vorstellung entladene Starterbatterien mit sich, wie der ADAC jetzt vermeldet.

Eingeschaltete Fahrzeugbeleuchtung innen und außen, laufende Klimaanlage und ein voll aufgedrehtes Radio scheinen manche Batterien in die Knie zu zwingen. Jedenfalls vermeldet der ADAC, dass ihn Autokinobetreiber in letzter Zeit so oft zu Hilfe gerufen haben, dass er jetzt mit den Betreibern eine Kooperation vereinbart hat. ADAC-Straßenwachtfahrer sind schon während der Vorstellung vor Ort, um dann liegengebliebenen Autofahrern zu helfen.

Unsere Highlights

Auch das Team der Snackbar hilft gerne

Die Betreiber sind daran interessiert, dass die Besucher nach Ende der Vorstellung die Kinofläche zügig verlassen – teilweise warten schon die Gäste für die nächste Vorstellung. Allerdings haben sich einige Autokinos längst selbst auf das Problem eingestellt. So ermutigt beispielsweise das nördlich von Stuttgart gelegene Autokino Kornwestheim in seinen FAQs: "Wer hilft mir, wenn meine Batterie zu schwach geworden ist? Unser Team in der Snackbar hilft Dir gerne weiter. Wir haben spezielle Fremdstart-Kits."

Zur Vermeidung der Entladung der Starterbatterie empfiehlt der ADAC, die in Autokinos teilweise üblichen Spielereien mit dem Scheinwerferlicht zu unterlassen sowie das Innenlicht und die Klimatisierung auszuschalten – wer Frischluft benötigt, solle einfach sein Fenster öffnen.

Boom von Autokinos wegen Abstands-Beschränkungen

Nacht für Nacht strahlt ein vergessener Kult in Großformat: Ja, es gibt sie noch, die Autokinos. Nur hier lässt sich während des Films kuscheln, rascheln und quatschen. Wer eine Vorstellung besucht, trifft aber auch eine lebendige Szene. auto motor und sport wollte wissen, wie alles begann.

Ein Traktor im Kino

Autokino Kornwestheim Reportage
Hans-Dieter Seufert
Vorfreude aufs Autokino: Dazu braucht es ein Auto, Tickets und am besten noch einen Partner. Doch auch alleine geht Autokino.

Über dem Platz hängen Träume, Sehnsüchte, Liebesbekenntnisse und auch ein paar Tränen. Es ist ein vergessener Ort voller Magie – der einen erst verzaubert, wenn der Tag langsam dunkel wird, wenn sich die Schranke vor dem Kassenhäuschen hebt und ein Projektor schnurrend eine Bilder-Autobahn zur Leinwand schickt. Dann dreht man die Lehnen des Vordersitzes ein Stück zurück, rutscht tiefer in die Polster, drückt die Copilotin sanft an sich und ... plötzlich parkt vorm linken Seitenfenster ein Traktor ein. Ein Traktor in einem Kino?

Klar – im Autokino in Kornwestheim, im Herzen Schwabens. Es ist eins von rund einem Dutzend Filmparkplätzen, die es noch gibt. Etwa die Hälfte öffnet das ganze Jahr, die übrigen lassen die Stars nur in den warmen Monaten vor den Windschutzscheiben tanzen. Der Landwirt aus dem Traktor grüßt freundlich, bleibt aber sonst wortkarg, als wäre er geradewegs aus Ostfriesland angetuckert. Seine Zehnerkarte entlarvt ihn jedoch als treuen Fan. Genau wie die beiden Jungs im offenen Cabrio, die sich auf dem welligen Platz gerade in Stellung bringen. Mit präzisen Kommandos dirigiert der Beifahrer den Zweisitzer mit der Vorderachse auf eine der Bodenwellen. So steht ihr Wagen vorn leicht erhöht, was den beiden Filmfans einen optimalen Blick sichert.

Erfunden hat das Autokino ein Ami

Autokino Kornwestheim Reportage
Hans-Dieter Seufert
Der Ton kommt aus dem Autoradio, ein Heizlüfter lässt sich direkt neben dem Auto einstecken.

An sowas hat Richard Milton Hollingshead junior am 15. Mai 1933 nicht gedacht. Der Mann betrieb damals in Riverton, New Jersey eine kleine Chemiefabrik für Autolacke, Polituren und Bremsflüssigkeit. Doch die Geschäfte liefen schlecht, was Hollingshead junior dazu brachte, in einer schlaflosen Nacht sein Bettlaken vor die Garage zu spannen, einen Filmprojektor auf das Dach seines Autos zu packen und sich durch die Windschutzscheibe den Streifen anzusehen – wie zufrieden das Ergebnis noch heute macht, lässt sich auf dem großen Platz in Kornwestheim beobachten. Während sich der Traktorfahrer genüsslich eine Zigarette dreht, hält das junge Paar im kleinen roten VW Up daneben Händchen. Eine Reihe dahinter beschlagen bei einem geräumigen Pickup gerade ganz stark die Scheiben ...

Sie alle eint das Gefühl, in einem grenzenlosen Kinosaal zu sein und dabei ungestört knutschen, rascheln und quatschen zu können. Sogar Füße hochlegen ist erlaubt. Solch ein Abend endet fast immer glücklich – das war auch bei Hollingshead so, der am Morgen danach schnurstracks zum Patentamt fuhr und alle Anwesenden überzeugte, letzte Nacht das Autokino erfunden zu haben. Einen Monat später eröffnete er in der Nachbarstadt Camden das erste Drive-in Theatre der Welt, mit 335 Plätzen und drei kräftigen Lautsprechern, die den Ton weit ins Land schrien.

Das erste Autokino musste nach zwei Jahren schließen

Als Leinwand diente eine weiße Ziegelmauer, zur Premiere lief der Film "Wife Beware", eine Art Warnung vor Ehefrauen – Hollingshead war tatsächlich ein weitsichtiger Mensch. Dass sein Drive-in nach nur zwei Jahren geschlossen werden musste, lag an der unglücklichen Konstellation aus genervter Nachbarschaft und zu lauter Soundanlage. Das Problem wurde durch kleinere Lautsprecher gelöst, die anfangs vor dem Kühlergrill standen und später in die Seitenscheiben hingen.

Trotz Wirtschaftskrise und zweitem Weltkrieg gab es 1942 in Amerika rund 100 Drive-in Theatres. In den Fünfzigern und Sechzigern waren es über 4000. In diesen scheinbar grenzenlosen Jahren wuchs die Ausstattung der amerikanischen Autokinos mit der damaligen Automode: Üppig war angesagt. Es gab Wickelräume, Spielplätze, Swimmingpools, einen Wäscheservice und sogar freundliche Mitarbeiter, die den Luftdruck kontrollierten und Schnecken verjagten.

Erste Aufführung 1954 in Erlangen

In jenen Tagen schwappte der Trend langsam nach Deutschland: Bei einer ersten Probeaufführung 1954 in Erlangen stiegen die Menschen völlig selbstverständlich aus ihren Autos und setzten sich auf die Wiese. Der Veranstalter war enttäuscht, der Spiegel schrieb: "In Deutschland sind die Autos noch nicht, wie in Amerika, die verlängerten Beine der Menschen."

Das hatte sich bereits am 31. März 1960 geändert. 1000 Besucher waren zur Eröffnung des ersten deutschen Autokinos nach Gravenbruch bei Frankfurt gekommen, hatten zwei Mark und 75 Pfennig gezahlt und starrten nun durch die verregneten Scheiben ihrer Brezel-käfer und Ford-Badewannen auf eine gigantische Leinwand, um den Hollywood-Streifen "Der König und ich" zu sehen.

In den 70er-Jahren gab's in der BRD 40 Autokinos

Autokino Kornwestheim Reportage
Hans-Dieter Seufert
Popcorn bereitstellen, Rückenlehnen zurückdrehen, Film ab!

Trotz quietschender Scheibenwischer und plärrender Monoboxen ließ der Erfolg nicht mehr länger auf sich warten. Anfang der Siebziger gab es hierzulande rund 40 Autokinos, die schnell schwer angesagt waren. Die Älteren kamen, weil sie keinen Fernseher hatten, die Jungen flüchteten vor den Regeln des Elternhauses und konnten hier den angebeteten Star oder dem Tanzstundenpartner nah sein – weshalb sie gern in der letzten Reihe parkten, der "love lane". Wieder andere trieb der Heißhunger: Freilichtkinos wie das in Gravenbruch wurden von einer eigenen Bäcker- und Metzgerei versorgt, Fleischbrötchen waren der Renner – Hamburgerketten gab es ja noch nicht.

Wie jeder Heißhunger ließ aber auch der auf Autokinos nach. Die Alten blieben lieber vor ihren Fernsehgeräten hocken, die Jungen knutschten öfter in der Disco ums Eck. Mittlerweile hat sich eine kleine Fangemeinde gebildet, die das einzigartige Gefühl im Autokino schätzt. Wenn die Sterne leuchten und die Leinwand plötzlich hell wird, der Ton per UKW im Radio klar zu hören ist und der Heizlüfter wie früher leise schnurrt.

Kindheitserinnerungen

Die junge Familie im Kombi in Kornwestheim gehört dazu, die kalte, regnerische Nacht hat sie nicht verschreckt. Statt ihre Kinder vor den Augen eines Babysitters einschlafen zu lassen, schlummern die beiden auf der bequemen Rücksitzbank, während sich ihre Eltern einen schönen Abend machen. "So war das auch in unserer Kindheit", sagen sie schlicht. Normalerweise treffen sie sich hier regelmäßig mit Freunden, die eine Opel Blitz-Feuerwehr fahren und im Sommer Klappstühle und kühle Getränke aufs Dach stellen.

Autokinos in Deutschland

Aktuell haben in Deutschland rund 10 Autokinos geöffnet. Drei davon sind temporär auf private Initiative aus Anlass der Corona-Krise entstanden: Das kommunale Kino Esslingen hat eine Leinwand auf dem Parkdeck eines Einkaufszentrums aufgebaut, in Karlsruhe ist ein Kino entstanden, das Spenden für ein Theater sammelt und in Marl hat ebenfalls ein Autokino eröffnet.

Regulär haben Autokinos in Essen, Frankfurt-Gravenbruch, Kornwestheim und Köln-Porz geöffnet. Das Autokino in Aschheim ist zur Zeit geschlossen. In allen Kinos gelten Corona-bedingt die gleichen Regeln: Einlass nur mit Online-Tickets, maximal zwei Personen pro Auto (Ausnahme sind eigene Kinder bis 14 Jahre, sofern die Altersfreigabe nicht dagegen spricht), kein Snackverkauf vor Ort. Am besten immer auf die Hinweise des Veranstalters achten. Weil Autokinos zur Zeit sehr gefragt sind, können Veranstaltungen schon Tage vorher ausverkauft sein.

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Fazit

Autokinos mögen in warmen Monaten besser besucht sein, ihr Reiz ist das ganze Jahr gleich: Man findet einen magischen Ort, der sich der technischen Entwicklung weitestgehend entzogen hat. Deshalb wirkt er heute wie eine verborgene Insel, wo das Auto mit dem Kino in wilder Ehe lebt. Nach ein paar Besuchen trifft man Freunde wie den Traktor-Fahrer, der gerade glücklich davontuckert.

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Erscheinungsdatum 03.07.2024

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