Studie AG - BMW-Tuner in Japan: Japans BMW-Tuning-Eiland

Studie AG - BMW-Tuner in Japan
Japans BMW-Tuning-Eiland

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Zuletzt aktualisiert am 10.01.2011

Die Gegend in einem Gewerbegebiet von Yokohama ist unspektakulär. Graue Hochhäuser, lieblose Bauten und überfüllte Parkplätze; gegenüber ein Supermarkt für Kosmetikartikel und eine Tankstelle. Das war es auch schon. Doch hier, eine gute  halbe Stunde südlich von Downtown Tokio, gehen die Uhren für Automobilfans anders - eben bayrisch.

Auf dem Hof hinter dem hellen Eckgebäude mit dem Schriftzug Studie AG steht ein grünes BMW Z4 Coupé. Eine spektakuläre Rennversion, aufwendig getunt und mit einem komplett umgebauten Innenraum. Schalensitze, eigens angefertigte Rennarmaturen und zahlreiche Verstrebungen sind fast genauso spektakulär wie der riesige Karbonflügel und die bollernde Aufpuffanlage. Keine Frage, dieser Z4 M gehört nicht auf die Straße, sondern auf die Nordschleife. Das belegt auch der vielsagende Aufkleber "Indusriepool" am hinteren linken Seitenfenster. Diesen trägt in der Eifel nur die kleine Schar der Prototypentester, die in Höchstgeschwindigkeit auf der abgesperrten Rennstrecke ihre Runden in den Asphalt zaubern.

Ben Suzuki: Ein Stück Bayern mitten in Yokohama

So einer ist Yasuaki Ben Suzuki an sich nicht – vielleicht aber irgendwie doch. Der groß gewachsene Japaner hat sein Herz hoffnungslos an BMW verloren und den wohl spektakulärsten Tuningshop aufgebaut, den man sich erträumen kann. Wer den mittelgroßen Laden durch die doppelte Schwenktür betritt, glaubt im japanischen Yokohama seinen Augen nicht zu trauen. Münchner Kennzeichen, eine mächtige Landkarte vom Nürburgring und deutsche Renndevotionalien schmücken das Geschäft wie ein automobiler Schrein. In der Mitte des Tuningladens steht ein weißer BMW M3. "Das ist ein originaler Renn-M3-DTM von 1990 – einer der letzten", strahlt Ben Suzuki über das ganze Gesicht "den habe ich 1997 gekauft und 2003 umgebaut. Ich wollte ihn so erhalten, wie er ist."

DTM-Renner als überdimensionale Playstation

Motor raus - Playstation rein. Wer in der engen Rennschale Platz nimmt und die Tür des DTM-Renners schließt, blickt zunächst auf das unterdimensional kleine Sportlenkrad und dann auf einen riesigen Bildschirm, der aus der blau-weiß-roten Motorhaube des Winkelhock-M3 ragt. Suzuki hat den Rennwagen zu einer Playstation der ungewöhnlichsten Art gemacht. Wer im Geschäft auf seinen eigenen Wagen wartet, kann in dem Tourenwagen vergangener Zeiten kurz ein paar Bestzeiten auf der Nordschleife fahren – rein virtuell.
 
Doch der Rennsimulator mit der Startnummer 14 und üppigen Warsteiner-Werbung auf Motorhaube und der Seite ist nicht das einzig spektakuläre bei der Firma, die sich mit der Bezeichnung "Studie AG" einen ungewöhnlich deutschen Namen gegeben hat. Der Laden selbst könnte deutscher und BMW-lastiger kaum sein. Hier liegen stapelweise K&N-Sportluftfilter, da locken Streckenpläne vom Nürburgring oder haufenweise Sportstoßdämpfer von Bilstein, Rückleuchten von Hella, Rennsitze und Gurtanlagen von OMP. Japanische Schriftzeichen, Bezeichnungen oder Produkte aus Nippon sucht man an der Straßenecke Kishine cho / kouhoku ku vergeblich. Hier würden selbst in München oder in der Eifel jedem Motorsport- und BMW-Fan die Augen übergehen. Doch hier in Yokohama würde man einen solch abgefahrenen Laden am allerwenigsten erwarten. Kein Wunder, dass die Fans nicht nur aus dem Großraum  Tokio anreisen.

Suzukis-Team arbeitet täglich an rund 150 Autos

"Pro Tag kommen rund 50 Kunden allein hier in unser Hauptgeschäft und lassen etwas an ihrem BMW machen", erzählt Geschäftsführer Yasuaki Ben Suzuki, "zudem habe ich weitere Geschäfte in Tokio, Kobe und Sendai. Insgesamt sind es locker 150 Autos, an denen wir Tag für Tag arbeiten." Kaum ein Tuner in Asien ist größer als Suzuki, der seit Jahr und Tag allein den Produkten aus München verfallen ist. Im hinteren Teil es Geschäfts gibt es weitere Zubehörinseln mit Reifen, Felgen oder Lichtmodulen - alles, um den eigenen BMW noch individueller und spektakulärer zu machen. Hinter einer langweiligen Sofasitzecke, die eigentlich nur aus den 50er Jahren stammte kann, befindet sich eine Hebebühne mit kompletter Vermessungsstation. Ben Suzuki: "Hier kann der Kunde bei uns im Geschäft jederzeit sehen, was wir an seinem Auto machen. Die meisten Kunden fahren einen 1er oder 3er."

Studie AG: Handschalter sind in Japan als Linkslenker beliebt

Mindestens 100.000 Yen (umgerechnet rund 800 Euro) gibt der durchschnittliche Kunde bei einem seiner Abstecher zur Studie AG auf. "Doch viele lassen natürlich auch sehr viel mehr machen", erinnert sich der autoverrückte Japaner an einen Geschäftsmann, der seinen BMW Z8 einzigartig umgebaut haben wollte, "hier hatten wir keine Kostenlimit." Unter dem Strich kostete der Umbau mehr als 30 Millionen Yen (umgerechnet rund 240.000 Euro). Viele Kunden, die mit ihrem bayrischen Spielmobil nach Yokohama zum Tuning kommen, steuern ihren Wagen trotz japanischen Linksverkehrs auch links. "Gerade die Fahrer mit einer Handschaltung wollen oft einen BMW, der das Steuer auch original auf der linken Seite hat", erklärt Ben, "bei den Autos mit automatisiertem Getriebe sieht das mittlerweile jedoch etwas anders aus." Die Fans kommen in Scharen zu dem ausgemachten BMW-Experten, der sich bereits seit Monaten wie ein Kind auf das 24-Stunden-Rennen am Nürburgring Mitte Mai freut: "Natürlich fliege ich da hin. Das ist doch völlig klar. BMW startet in diesem Jahr doch mit zwei M3-Rennversionen." Die Kunden hinter ihm lauschen seinen Worten mit weit aufgerissenen Ohren und nesteln derweil an den aufgestellten Modellautos von Minichamps herum. Natürlich alles BMW. Den legendären BMW 3.5 CSL IMSA aus dem Jahre 1976 gibt es bei der Studie AG für 5.800 Yen (umgerechnet rund 47 Euro); gleich daneben der BMW M1 Procar von 1980. Ben Suzuki und viele seiner Kunden kennen fast alle der historischen Renner.

Studie AG: Suzuki liebt Deutschland: kein tempolimit und die Nordschleife

1995 wurde der Tuningladen Studie AG eröffnet. Das Durchschnittsalter der grenzenlosen BMW-Liebhaber liegt zwischen 30 und 40 Jahren. "Zumeist finanzstark", wie Ben ergänzt, "als ich damals eröffnet habe, gab es so etwas hier in Japan einfach nicht. Die ersten Autos, an denen wir gearbeitet haben, waren E 36er." Doch mit Umbauten an Fahrwerk, Dämpfern, Felgen und Auspuffanlagen war es schneller als gedacht nicht mehr getan. Die Kunden wollten immer mehr, immer speziellere Umbauten und kamen von immer weiter her. Teile und Kontakte gab es für das Team von Ben Suzuki nur in Deutschland. Dutzende Male reiste er in den letzten Jahren nach München und an den Nürburgring. Schnell noch ein paar Runden auf der Nordschleife und dann eilig wieder zurück Richtung München zur M GmbH, die ihren fanatischen Pappenheimer längst ins Herz geschlossen hatte. Auch die deutschen Autobahnen haben es dem Japaner angetan. "Klasse ist, dass es dort kein Tempolimit gibt. Ich bin schon über 300 km/h gefahren. Das Auto, dass ich fuhr, gab damals einfach nicht mehr her", "lacht er. In Japan war er auf einer fünfspurigen Autobahn vor Jahren auch schon noch schneller unterwegs. Das Tempolimit liegt hier in Japan ganz nebenbei bei 100 km/h.