Porsche 911 Turbo (930) mit Formel-1-TAG-Turbomotor

Porsche 930 mit V6-Turbo statt Boxer
Der Motor dieses 911 fuhr echte Formel-1-Rennen

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Veröffentlicht am 08.12.2024

Sechs Zylinder mit Turboaufladung? Das kennen wir seit 1974 auch im Porsche 911. Klar, im Elfer bilden die sechs Brennkammern kein V und keine Reihe, sondern boxen sich zur Höchstleistung. Anders Porsches Formel-1-Turbo in den Achtzigern: Hier kam ein V6-Layout zur Anwendung. Legendär wurden – trotz aller Unterschiede – beide Bauweisen. Was keine Überraschung ist, schließlich entstammen sie dem Hirn von Hans Mezger. Jenes legendären Ingenieurs also, der später Motorsportchef im Hause Porsche wurde und auf dessen Konstruktion alle 911-GT3- und -GT2-Motoren bis in die 997er-Ära zurückreichen. Wer von Mezger-Motoren spricht, tut dies fast immer mit Bewunderung.

Es gibt also durchaus Parallelen zwischen dem Elfer- und dem F1-Triebwerk. Und weil es so reizvoll war, haben sie in den Achtzigerjahren einfach mal das Undenkbare getan: Den Motor aus dem McLaren-Formel-1-Rennwagen ins 930er-Heck verpflanzt. Es entstand ein Versuchsträger, ein – bis auf die Ruf-Felgen – serienmäßig aussehender 911 Turbo, der irgendwann im Museum verschwand und dem nur hin und wieder bei diversen Veranstaltungen Auslauf gewährt wurde.

McLaren in der Formel 1

Die Jahre von 1984 bis 1987 waren ziemlich erfolgreich für McLaren in der Formel 1. Es war zwar keine Dynastie wie in den Ayrton-Senna-Jahren zwischen 1988 und 1991 mit vier Fahrer- und Konstrukteurs-Titeln in Serie. Aber 25 Siege in 64 Rennen, drei Fahrer-Weltmeisterschaften für Niki Lauda und Alain Prost sowie zwei Siege in der Teamwertung sind auch keine schlechte Ausbeute. Als Motorenpartner dabei: Porsche, das mit finanzieller Hilfe der namensgebenden TAG-Gruppe einen erfolgreichen V6-Turbomotor lieferte.

Premiere bei der Rennsport Reunion in Laguna Seca

2018 hatte die Truppe von Lanzante Motorsport die Idee, eine Neuauflage des damals gut 30 Jahre alten Einzelstücks aufzulegen. Die Briten wollen elf Porsche 930 mit dem Formel-1-Aggregat bauen. Es wäre, rechnet man das Versuchsfahrzeug von einst dazu, ein ziemlich dreckiges Dutzend, das da im einigermaßen naturbelassenen Porsche-911-Turbo-Look auf uns zurollt.

Damit wir uns richtig verstehen: Lanzante pflanzt nicht etwa Replikas der F1-Motoren ins Elfer-Heck. Sondern wahrhaftig in der Formel 1 eingesetzte Triebwerke, die der Firma von McLaren Racing freundlicherweise überlassen wurden. Plaketten informieren darüber, bei welchen Rennen und im Auto welches Fahrers der jeweilige TAG-Motor eingesetzt wurde und welche Ergebnisse damit erzielt wurden. Aber die Insignien offenbaren sich erst, wenn der Heckdeckel mit dem etwas größeren Flügel offen ist. Dann kommt auch der mächtige Ladeluftkühler zum Vorschein. Der Motor kauert 911-typisch tief drin im Heck.

Drehzahlmesser mit 10.000er-Skalierung

Ist die Klappe zu, könnte man das Auto fast für einen normalen weißen 930er halten. Gut, die Ruf-Felgen weisen dezent auf zeitgenössisches Optik-Tuning hin. Die Frontschürze gibt einen ersten Hinweis, dass bei diesem 930 etwas anders ist: Sie ist größer, um Platz für Wasserkühler zu schaffen. Denn natürlich ist der Formel-1-Motor nicht luftgekühlt, auch wenn er von Porsche konstruiert wurde. Über die Temperatur der Kühlflüssigkeit informiert ein eigens installiertes Messinstrument. Im Drehzahlmesser befindet sich mit dem "TAG Turbo"-Schriftzug ein weiterer dezenter Hinweis. Im Drehzahlmesser mit 10.000er-Skala beginnt der rote Bereich bei 9.000 Touren.

Die Ladedruckanzeige ist bis drei bar skaliert, während die Formel-1-Motoren in ihren heftigsten Zeiten über fünf bar erreichten, bis die FIA den Ladedruck 1987 auf vier bar limitierte. Im Qualifying lieferte der 1,5-Liter-V6-Biturbo etwa 1.075 PS. Die Formel 1 war damals ein mindestens so erbittert wie heute geführter Wettrüstungs-Wettstreit. Ohne Limit, was die Anzahl der eingesetzten Motoren anging. Mit hochgiftigem, im Labor zusammengebrautem Rennbenzin, das mit dem Sprit von der Zapfsäule nur das Markenemblem gemeinsam hatte. Und mit Turbolöchern, die mindestens so groß waren wie der folgende Punch. Fahrbarkeit? Fehlanzeige!

V6-Twinturbo mit 503 im 930-Heck

Im Lanzante 930 muss der TAG-TTE-P01-V6-Twinturbo seine Power selbstverständlich homogener entfalten und mit freiverkäuflichem Kraftstoff laufen. Außerdem muss der Motor deutlich länger als eine Renndistanz durchhalten. Hinzu kommt: Im Elfer-Heck kann der V6 nicht so effizient gekühlt werden wie im Formel-1-Auto, und der Lanzante-Elfer soll – wie es heißt – eine Straßenzulassung erhalten. Um den Formel-1-Motor straßentauglich zu bekommen, sicherte sich Lanzante die Hilfe von Cosworth. Von der vierstelligen Maximalleistung blieb dabei etwa die Hälfte auf der Strecke. Doch mit 503 PS und 420 Newtonmetern ist immer noch genügend Kraft vorhanden. Zumal der Motor mit 130 Kilogramm halb so schwer ist wie das Originalaggregat. Der serienmäßige Sechszylinder-Turbo-Boxermotor leistete je nach Ausbaustufe 260 (911 Turbo 3.0), 300 (3.3) oder 330 PS (3.3 mit Werksleistungssteigerung).

Preis: 2,6 Millionen Euro

Das erste Kundenauto hat Lanzante im Oktober 2024 fertiggestellt; es wird aktuell von einem Händler in den USA verkauft. Es ist in Schiefergrau lackiert und innen mit rotem Leder sowie Pepitastoff-Sitzbahnen ausgestattet. Die Nummer eins von elf hat einen Motor aus Alain Prosts Weltmeistersaison 1985 im Heck. Die Einsätze des Aggregats sind auf einer Plakette vermerkt, das Kürzel "AP 85" im Namen weist darauf hin. Der Preis liegt bei 2,75 Millionen US-Dollar, also umgerechnet etwa 2,6 Millionen Euro.