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Kommentar von Stefan Helmreich
Steht die Tuning-Branche vor dem Aus?

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Stefan Helmreich kommentiert das zunehmende Eindringen der Autohersteller in das Revier der Tuningbranche, die Möglichkeiten, mit diesem Szenario umzugehen, und die absehbaren Folgen dieses Trends.

Essen Motor Show 2016
Foto: Patrick Lang

Freunde, ich mache mir Sorgen um unsere Tuner. Weniger um die Firmen selbst, da schließlich sitzen überall vife Typen am Ruder. Vielmehr habe ich so meine Zweifel, ob es die Branche in ihrer jetzigen Form in ein paar Jahren noch geben wird. Schuld daran sind die Hersteller, die sich nun vermehrt auf jenes Stück vom Kuchen stürzen, das die Tuner seit jeher ernährt.

Fangen wir vorne an. Warum lässt man ein Auto tunen? Wichtigster Grund: um es schneller zu machen. Der direkte Weg dorthin führt über Chiptuning – was es in allen Formen und Farben gibt und wohl auch in Zukunft geben wird: Bei dubiosen E-Bay-Shops für ’nen Zwanni ebenso wie mit dem Renommee der großen Namen – aber eben immer öfter auch ab Werk.

Unsere Highlights

Das allerdings gelingt immer wenigeren: ablesbar an Testwagen, die vor getroffenen Tuningmaßnahmen in den Notlauf flüchten, denen der Warnlampenbaum leuchtet, als wäre heute schon Weihnachten, oder solchen, die unterm Strich einfach langsamer sind als ihre Basis, was der Idee von Tuning ja grundsätzlich zuwiderläuft.

Schwierig wird es, wenn man Schnellermachen etwas fundierter begreift – im Sinne von veritabler Performance zum Beispiel. Und auch dafür sind die Hersteller verantwortlich, wenngleich eher indirekt. Denn diese angesprochene Performance setzt sich heutzutage nicht mehr nur aus mechanischen Komponenten zusammen, die man per Popometer mal so mir nichts, dir nichts neu ausrichtet. Vielmehr steckt dahinter ein hochkomplexes Gefüge unzähliger Systeme, die von einer genauso hochkomplexen Elektronik vernetzt werden. Um hier zu optimieren, muss a) der Code entschlüsselt werden. Und wenn das trotz der Schutzmechanismen gelingt, sollte die Optimierung b) so ausfallen, dass alle Elemente danach auch wieder ineinandergreifen.

Mehr-PS und Styling gibt's auch ab Werk

Manche Firmen stützen sich deshalb verstärkt auf Standbein Nummer zwei – die Individualisierung, sei es optisch, akustisch oder innenarchitektonisch. Doch auch hier wird seitens der Hersteller mittlerweile eifrig mitverdient. Das jüngste Beispiel liefert hier BMW. Kaum war die neue Generation des Fünfer vorgestellt, lag schon das PDF mit den M-Performance-Parts zum Download parat. Darin: Alles erdenkliche Zubehör von der CFK-Rennspiegelkappe bis zur Sportbremse. Und on top die Leistungskits für zwei von vier Motorisierungen. Mit anderen Worten: Ein Gros der Nachfrage ist schon befriedigt, bevor irgendein Externer überhaupt die Gelegenheit hatte, ein eigenes Angebot zu erarbeiten. Und glauben Sie mir: Diese Strategie wird Schule machen!

Einen richtigen Ausweg aus diesem Teufelskreis gibt es für die Tuner nicht, nur Umwege. Der eine: Man setzt weiterhin auf dasselbe Pferd, was aber insofern zum Scheitern verurteilt ist, da so ein Hersteller natürlich ganz andere Möglichkeiten hat. Bestellung ab Werk, vollumfängliche Garantie und so weiter. Die anderen Optionen: Umsatteln auf andere Geschäftsfelder, so wie es Brabus mit seiner zusätzlich installierten Classic-Abteilung vor einigen Jahren getan hat. Oder man greift eben zu extremen Maßnahmen und versucht sich mithilfe radikaler Motorumbauten, Direkttransplantation von Rennsporttechnik und/oder vogelwilden Bodykits der wachsenden Einflusssphäre der Hersteller zu entziehen – was hierzulande jedoch Unwägbarkeiten birgt, Stichwort TÜV.

Tuning-Flucht ins Exportgeschäft

Da passt es jedenfalls ins Bild, dass der Verband der Automobiltuner auf der Essen Motor Show mit einer Umsatzprognose von 4,4 Milliarden Euro zwar stabile Zahlen präsentierte, aber auf einen weiteren Anstieg des Exportanteils von aktuell bereits 50 Prozent verwies. Mein Schluss daraus: Der klassische Kunde lässt sich von den Marken locken, der künftige geht zunehmend in die Richtung kasachischer Nachtclub-Magnat – mit allen Vor- und Nachteilen, die vielleicht dazugehören.

In der Bildergalerie haben wir die Tuning-Highlights der Essen Motor Show 2016 für Sie zusammengestellt.

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