Was ein Restomod-Umbau ist, dürften die meisten Autofans inzwischen wissen. Das gegenteilige Phänomen des "Backdatings" ist dagegen noch weitgehend unbekannt. Hier werden moderne(re) Autos derart modifiziert, dass sie wie ein älterer Vertreter ihrer Ahnenreihe aussehen. Natürlich nicht, indem intakte gegen lädierte, rostige oder sonstwie beschädigte Teile getauscht werden. Das umgebaute Auto sieht dann schon so aus, als wäre es frisch aus dem Werk gerollt – nur eben einige Jahr(zehnt)e früher.
Porsche 964 mit Widebody-Kit
Weil sich Sachverhalte ja meist am besten an Beispielen erklären lassen, sei hier ein Backdate Car vorgestellt: der Ruby von DP Motorsport. Dass es sich um einen Porsche 911 handelt, sieht jeder auf den ersten Blick. Überraschen dürfte die meisten Betrachter dagegen, dass hier ein Vertreter der 964er-Baureihe vorfährt; also der vorletzte, zwischen 1989 und 1994 gebaute Luftgekühlte.
Um den Carrera 2 so aussehen zu lassen wie einen nicht ganz serienmäßigen Ur-Elfer aus den frühen Siebzigerjahren, erhielt er das Karosseriekit "Classic Carrera Widebody". Die Teile bestehen aus GFK, Karbon sowie Kevlar und verbreitern den Porsche pro Seite um etwa 25 Millimeter. Mit Carmonarot Metallic (Farbcode M3W) erhielt der Ruby einen bei Porsche bestens bekannten Farbton, der dank zweier Schichten Klarlack besonders satt wirkt. Kupferfarbene, schwarze und verchromte Zierelemente runden das optische Konzept stimmig ab.
Pepita-Stoff und ein tiefgeschüsseltes Momo-Lenkrad
Nicht nur die äußeren Betrachter, auch die Insassen des DP Motorsport Ruby reisen in der Zeit zurück. Die Recaro Sportster CS-Sitze tragen neben dem dreifarbigen Pepita-Stoff auch einen Lederbezug und Alcantara an ihren Rückseiten. Durch das mit roten Ziernähten belederte, tiefgeschüsselte Momo-Lenkrad blickt der Fahrer auf Rundinstrumente im klassischen 911er-Look mit Kupferrändern. Die Einstiegsleisten mit Porsche-Schriftzug sind sowieso ein Tuning-Klassiker. Der Schaltknauf aus dunklem Holz fand auf speziellen Kundenwunsch den Weg auf den Schalthebel.
Als Kontrast spendiert DP Motorsport zahlreiche moderne Details: Die Türtafeln des 964ers lassen die Porsche-Spezialisten aus Overath unangetastet. Als Infotainment-System dient das Porsche Classic Communication Management (PCCM) mit Bluetooth und Apple Carplay. Die darüber abgespielte Musik gelangt über ein neues Soundsystem mit größeren, leistungsstärkeren Lautsprechern und Endstufe an die Ohren der Insassen. Den Strombedarf des Multimedia-Systems und der Bordelektronik deckt eine leichte Liteblox LB28XX Lithium-Ionen-Batterie.
Klassisches Motor-Tuning für den Boxer
In technischer Hinsicht ist dann jedoch eher der Restomod-Ansatz angesagt. Oder – wie beim Motor – klassisches Tuning. Ab Werk verfügt der Sechszylinder-Boxer des Porsche 964 Carrera 2 über 3,6 Liter Hubraum, 250 PS und maximal 310 Newtonmeter. DP Motorsport macht daraus mit anderen Kolben und Zylindern, Sportnockenwellen, diversen Detailoptimierungen sowie einer speziellen Abgasanlage mit Endrohren im GT3-Look 3,8 Liter Hubraum, 320 PS und höchstens 370 Newtonmeter. Damit geht es in fünf Sekunden von Null auf Hundert bis hinauf auch höchstens 280 km/h.
Das manuelle Fünfgang-Getriebe zeigt sich revidiert, die Differenzialsperre spendiert ein Porsche 964 RS. Gleiches gilt für die komplett neue Bremsanlage, die mit größeren Sätteln, gelochten Scheiben, Stahlflex-Leitungen und Hochleistungs-Bremsflüssigkeit arbeitet. Die Straßenlage optimiert ein Clubsport-Fahrwerk aus dem Hause KW in Verbindung mit straffere Buchsen aus Polyurethan. Die geschmiedeten Fuchs-Felgen im 17-Zoll-Format sind mit Michelin Pilot Sport-Reifen in den Dimensionen 225/45 R17 vorne und 255/40 R17 hinten bezogen.
Ungefähr zwölf Monate hat die Verwandlung vom Porsche 964 in einen Ur-Elfer gedauert. Da sein neuer Besitzer den Ruby als Daily Driver nutzen möchte, gehörten auch wenig emotionale Aspekte wie eine Hohlraumversiegelung sowie Rost-, Unterboden- und Steinschlagschutz per Extrafolierung zum Umbau. Dieser hat übrigens etwa 155.000 Euro gekostet – ohne Basisfahrzeug, versteht sich.
Fazit
Etwa ein Jahr dauerte also die automobile Zeitreise aus den späten Achtziger- und frühen Neunzigerjahren in die frühen Siebziger. In der Old- und Youngtimer-Szene – speziell unter Porsche-Freunden – sind Backdating-Umbauten durchaus umstritten. Aber der neue Besitzer dürfte es aushalten, wenn so mancher die Nase wegen seines Autos rümpft. Was nicht besonders schwerfallen dürfte, wenn man täglich eine Runde in der carmonaroten Elfer-Schönheit drehen kann.