Zentrales Element ist die emotionale Performance. Zum einen die reinen Leistungswerte als Eintrittskarte, um im Sportwagenumfeld wettbewerbsfähig zu sein. Mindestens genauso wichtig für uns ist jedoch die emotionale Komponente. Wir wollen Klassenbester beim Fahrerlebnis sein. Dazu gibt es verschiedene Zutaten, die man aus Ingenieurssicht entwickeln und am Schluss beurteilen muss. Das ist immer eine Mischung aus objektiven Kriterien und subjektiver Fahrbeurteilung. Ganz klar: Die Einbindung des Fahrers ist der Fingerabdruck eines jeden Lamborghini. Wir unterscheiden drei Kategorien: Reaktionsfreudigkeit längs- und querdynamisch, Rückmeldung, also Sound oder kleinere Vibrationen, sowie die Fahrbarkeit allgemein. Ich nenne das die "Demokratisierung der Performance". Unser Anspruch ist es, ein Auto zu entwickeln, dessen Limit sich die Mehrheit der Kunden nähern kann, das ihr jedoch schon darunter jede Menge Fahrspaß bietet. Zu spitz ausgelegte Konzepte schaffen das nur bei einer Minderheit von Fahrern, auf öffentlichen Straßen sowieso nicht.
Natürlich müssen wir bestimmte Katalog-Werte liefern, dennoch laufen wir nicht einfach Peak-Werten hinterher, sondern setzen zum Beispiel auf Leistungskonsistenz. Wie dauerhaft sie sich abrufen lässt, ist speziell bei elektrischen und teilelektrischen Antriebssträngen entscheidend. Deshalb haben wir uns bei den Hybriden bewusst für ein bestimmtes Verhältnis zwischen Verbrenner- und Elektroleistung entschieden, entscheidend für den emotionalen Faktor.
Kompromisslos auf jeden Fall. Dieser Antrieb definiert den Charakter des Temerario, wir wollten da keine Kompromisse eingehen, brauchen einen Charaktermotor als Alleinstellungsmerkmal. Der V10 des Huracán war ein sehr emotionales Aggregat. Um beim Nachfolger lediglich hohe Peakleistung zu erzeugen, hätten wir keinen so aufwendigen und teuren Motor gebraucht. Aber wir brauchen Drehzahl, Drehwilligkeit und Drehmoment, um einen reinrassigen Sportmotor anzubieten, der dem Temerario seinen eigenen Charakter verleiht. Natürlich spielen wir auch bei der Performance ganz oben mit, aber Best in Class sind wir definitiv beim Fahrerlebnis.
Ich bin da optimistisch, die Elektrifizierung ist für uns als Marke Lamborghini ein klar vereinbartes Ziel. Wir sagen als Marke aber, dass sie Schritt für Schritt erfolgen muss. Ein vollelektrischer Lamborghini muss sich in seinem Fahrverhalten deutlich von anderen Sport-Elektroautos unterscheiden und wieder das Emotionale in den Vordergrund stellen. Einfach nur künstlichen Sound generieren genügt nicht, man muss beim vollelektrischen Fahrzeug – speziell beim Sportwagen – das Fahrerlebnis neu denken. Da gibt es Dinge, die ein Verbrennungs-Antriebsstrang überhaupt nicht darstellen kann. Stichwort Präzision, Drehzahl und Drehmomentkontrolle eines elektrischen Motors. Wenn wir den Weg gehen, erleben wir ganz schnell ganz neue Fahrspaß-Facetten beim Elektrosportwagen. Allerdings unter der Voraussetzung, dass bei Fahrzeuggewicht und Leistungskonsistenz noch ein bisschen was passiert.
Im Gegenteil: Technologie ist immer eine Chance. Deshalb befürworte ich sie, sehe sie als neues Betätigungsfeld. Wir als Ingenieure müssen uns etwas einfallen lassen, das ist die Herausforderung. Und es wird die richtigen Antworten geben, ich vertraue da meinen Kollegen.
Neben den Grundfertigkeiten, die für die gesamte Autoindustrie Trend sind, wie etwa Elektrifizierung des Antriebsstrangs und Künstliche Intelligenz, sind es für uns als emotionale Sportwagenmarke insbesondere drei Felder, auf denen wir uns spitz positionieren. Das sind Leichtbau, speziell Carbontechnologie, auch im Hinblick auf Nachhaltigkeit. Dann aktive Fahrwerkssysteme, die beim Fahrerlebnis Türen öffnen. Da haben wir innovative Konzepte gezeigt wie den aktiven Radträger. Und schließlich der Fahrdynamikregler, der als Verbinder aller Elemente am Fahrzeug die buchstäblich zentrale Rolle spielt. Mit ihm kann ich das Fahrverhalten für viele erreichbar aufregend und gleichzeitig natürlich gestalten. Quasi als Dirigent des Orchesters. Auch wichtig: aktive Aerodynamik. Für Sportwagen gilt es traditionell, die optimale Balance zwischen Abtrieb, Balance Vorder-/Hinterachse, Kühlanspruch und Luftwiderstand zu finden. Da bieten aktive Systeme Möglichkeiten, die ich dann wieder in die Dynamikregelung einbeziehen kann.
Daran arbeiten wir bereits, um aus Sportwagensicht das Fahrerlebnis zu betonen. In der heutigen Industrie ist die Anwendung Künstlicher Intelligenz in der Regel nur an autonome oder hoch automatisierte Fahrfunktionen gekoppelt, damit eher ein Mobilitätsthema. In Richtung Fahrerlebnis sehe ich daher riesige Potenziale bei KI. Theoretisch kann sich das Fahrverhalten an den jeweiligen Fahrstil anpassen. Und weitergedacht: Wenn ich Sensorik im Auto nutze, um die Reaktionen des Fahrers zu verstehen, ob er sich freut, sicher oder unsicher ist, kann ich diese auch noch in die Regelung einfließen lassen. So erreiche ich eine bidirektionale Kommunikation zwischen Fahrzeug und Fahrer und bringe dessen Einbindung auf ein ganz neues Level. Perfekt passend zur Lamborghini-Philosophie.