VW, deutsches Premium oder China: Wer wird Testsieger bei den Elektro-Kombis?

VW ID.7, Audi A6, BMW i5 und Nio ET5 im Test
Überraschung beim Vergleich der Elektro-Kombis

Veröffentlicht am 26.05.2025
VW ID.7, Audi A6, BMW i5 und Nio ET5
Foto: Achim Hartmann

Noch ein Tässchen Kaffee so nebenbei zum Lesen? Besser Tee? Sie können sich nicht entscheiden? Machen Sie sich nichts draus, es ist ein Einzelfall. Schließlich trifft ein Mensch je nach Studie 20.000 bis 35.000 Entscheidungen pro Tag. Da darf man sich mit ein paar auch mal schwertun. Passiert anderen ja auch. Etwa Audi: Zum ersten Mal tritt der A6 auch als Vollstromer an – eine Entscheidung, von der selbst Audi nicht recht weiß, ob sie mutig oder übermutig war. Aber nur mit Risiko durch Mut gelingt Vorsprung durch Technik. Ob der eintritt? Klären wir im Vergleichstest mit den innigsten Kombi-Rivalen des A6 Avant: BMW i5 Touring und VW ID.7 Tourer. Dazu als Neu-Herausforderer der Nio ET5 Touring. Mal sehen, wer das für sich entscheidet.

A6: Flimmer-Wiedersehen

Erst ein Blick in den Rückspiegel: um zu entscheiden, welche der acht Audi-100-/A6-Generationen zuvor die fortschrittlichste war? Hm, gerne. Aber an sich geht es um die Außenspiegel des A6. Statt Glasspiegeln – eine über nunmehr 126 Jahre zu Vollkommenheit weiterentwickelte Erfindung der Britin Dorothy Levitt – ragen zwei Kameraröhren aus den Seiten, die ihre Bilder auf Monitore auf den Türbrüstungen projizieren. Die Idee war schon beim ersten e-tron von 2018 Murks, weil sich das Auge anders als beim Glasspiegel immer neu auf den Monitor fokussieren muss. Doch die Techniker haben weiterentwickelt, so, informiert die Pressemappe, zoomen die Kameras selbstständig nach Situation, zudem lassen sich die Spiegelröhren anklappen. Was sie nun zu einem anklappbaren Murks macht. Oder auch: Nachteil durch Technik.

Audi A6 e-tron Perfomance
Achim Hartmann

Vorsprung sollte dem A6 andere Technik ermöglichen. Schließlich steht er auf einem neuen Fundament, der E-Plattform PPE. In die packen sie 180 prismatische Zellen, sortiert zu je 15 Stück in die zwölf Module der 800-V-Batterie – hochintegriert, kurzwegig verkabelt und samt Kühlplatte ins Gehäuse auf Schwellerhöhe geräumt. Der Akku kann mit bis zu 270 kW (im Test: 264) schnellladen. An schwächeren Säulen stellt die Steuerung auf Bankladen um, teilt den Speicher in zwei Einheiten zum Laden mit je 400 Volt und 135 kW.

Dann der E-Motor: ja, nur einer beim Performance, ein permanenterregter Synchro. Aber der kann mit bis zu 280 kW launchstarten und mit 220 kW rekuperieren – durch Achs-individuelle Überblendung von Reku- auf Bremsverzögerung selbst bei Vollbremsungen. Also alles da für drangvolles, effizientes. weitreichendes Herumstromern? Alles da!

Vom Start weg, der zwar nicht ins Blitzartige überbordet – das verhindern 2,25 Tonnen Leergewicht –, den A6 aber vorandrückt, geschwind und: leise, anders als beim Test des S6 ohne Brummen zwischen 90 und 120 km/h. Aber mit Effizienz: 23,1 kWh/100 km im Test und 18,4 kWh auf der Eco-Runde – das sind hier die niedrigsten Werte, unterstützt von der fünfstufig schaltbaren Rekuperation. Schnelles Laden? Routine.

Audi A6 e-tron Perfomance
Achim Hartmann

Auch routiniert, aber nur zuerst: das Handling. Denn auf der Landstraße, im breiten Diesseits seines Grenzbereichs, kurvt der A6 solide. Da die verlässliche Lenkung auf Zugespitztheit von Präzision, Direktheit und Rückmeldung verzichtet, muss das abgeeckte Lenkrad (eine blöde, jedoch umgreifende Mode) für Besonderheit sorgen. Wobei schon da auffällt, dass sich das ESP spät, dann umso rigider einmischt. Auf der abgesperrten Teststrecke wischt der A6 beim Slalom mit dem Heck weg. War schon beim S6 eher mittellustig, beim A6 ist es unnötig. Alles bestens dagegen beim Spurwechsel. Und erst recht beim Komfort. Trotz straffer Grundstimmung steckt die Luftfederung grobe Unebenheiten mit fester Aufbaukontrolle sorgsam weg.

Feste Controller? Die waren auch am Werk. Alles solide eingerichtet. Aber ohne jene Finesse bei Materialauswahl und Details, durch die es entsteht. Es? Ja, denn Premium ist ein Gefühl, ein Versprechen, für mehr als nur etwas mehr Geld auch Erlesenheit zu bekommen. Nun mag sich eine Bildschirmgalerie durchs Cockpit ziehen, von den überfrachteten Tastflächen in der Fahrertür bis rüber zum Beifahrer. Und ja, die Bedienung gelingt bis hin zur Sprachassistenz trotz hoher Funktionsfülle eingängig und eloquent.

Audi A6 e-tron Perfomance, Cockpit
Achim Hartmann

Doch fragst du dich, was es ist, was nun einen Audi ausmacht. Das Platzangebot gewiss nicht. Vier kommen gut unter, aber auf der tief montierten Rückbank nicht so bequem wie in der 100.000-Euro-Liga erwartet. In der reicht es nicht, gut zu sein, unter "brillant" darf man nicht punkten. Wir zählen gleich zusammen.

i5: der Multi-Traktionär

Erst zählen wir auf, was die Fünfer-Reihe alles antreibt: Mildhybrid-Benziner, Mildhybrid-Diesel, Plug-in, E-Antrieb. Mal nur mit Front-, mal nur mit Heckmotor, mal mit mechanischem Allrad, mal mit zweiter E-Maschine. Vom V8 bis zum Seltene-Erden-freien Synchronmotor, vom Tankeinfüllstutzen bis zum Ladekabel packt er alles in seine Antriebs-Katakomben – beim i5 unterkellert von der 81,2-kWh-Batterie. Über der bleibt trotz ausschweifenden Außenmaßen ein eher kompakter Reisesalon mit angehängter Gepäckaufbewahrung. Deren Einrichtung verzichtet nun auf geschätzte Attraktionen. So lassen sich die Scheiben von Panoramadach und Heckklappe nicht mehr separat zum Belüften und Beladen öffnen. Über die Belanglosigkeit der Instrumente haben wir noch öfter unsere Betrübnis geäußert als über die wie bei den anderen hakeligen Türgriffe. Die Bedienung gelingt mit viel Herumtasten/kurzen Dialogen mit der Sprachsteuerung hier am besten.

BMW i5 Touring xDrive40
Achim Hartmann

Nicht mehr so am besten? Das Fahren, herrje. Nicht, wenn es um die Fahrleistungen geht. Auch im i5: viel Schub, klasse Rekuperation, für das Temperament niedriger Verbrauch (Eco 20,3, Schnitt 24,9 kWh/100 km) und einigermaßen reisetaugliche Reichweite, aber etwas trödelige Ladezeiten.

Doch es sind die alten Zeiten, die fehlen. Als ein Fünfer Handlingvergnügen und Komfortgeschick in punktgenauer Harmonie kombinierte. Trotz M-Sportpaket-Auftakelung samt Allradlenkung, vier Millimetern Tieferlegung, Adaptivdämpfern und Wankausgleich (4.100 Euro) kurvt der Fünfer nicht brillant, sondern beliebig. Erst der Sport-Modus reduziert die Distanz, lässt etwas von der früheren Gewandtheit durchglimmen. Doch selbst dann passt es nie perfekt mit der Lenkung, die bei aller Präzision zu spitz anspricht. Leichtfertiges Handling? Ach, wie soll das auch gehen, bei diesem Gewicht: 2.411 kg. Leer. Das heißt: von oben bis unten mit Extras vollgeräumt. Der Testwagenpreis damit: sechsstellig.

ET5: Nio und nimmer

Bei so vielen teuren E-Kombis im Markt ist gewiss noch Platz für einen weiteren, mag Nio gedacht haben. Möchte man den Akku des ET5 nicht mieten, sondern wie bei den anderen besitzen, steigt der Preis um 21.000 auf 68.500 Euro. Das zum Vorurteil, chinesische E-Autos seien günstig. Und zu ihrem Erfolg: Alle chinesischen Hersteller zusammen hatten im Januar und Februar an den deutschen Neuzulassungen einen Anteil von 1,1 Prozent. 43 Kunden entschieden sich für einen Nio.

Nio ET5 Touring 100 kWh
Achim Hartmann

Selbst dafür finden sich schwer Gründe. Vielleicht einer: Auf der E-Plattform schafft der ET5 trotz der knappsten Abmessungen ein etwas weiträumigeres Platzangebot für die Passagiere als der Audi, hat aber weniger Raum fürs Gepäck. Dann listet der ET5 seitenlang Komfort-, Sicherheits- und Assistenzausstattung samt Lidar-System. Doch viel Ausstattung allein hat noch nie ein gutes Auto ausgemacht. Erst recht, wenn vieles amateurhaft funktioniert: Die Tempolimitwarner fehlsichtig, der Spurhalter übergriffig, der Abstandstempomat fährt drängelig-eng auf.

Überhaupt neigt der ET5 zur Übereile. Die verschafft ihm der Antrieb. Dessen 360 kW lassen sich – mal eine gute Idee – fünfstufig in ihrer Raserei abdimmen. Die volle Leistung stemmt den Kombi in 3,9 s aus dem Stand auf Tempo 100. Bei der 200 findet die Beschleunigung ein Ende, die Fähigkeiten des Fahrwerks schon viel früher. Trotz des rempelig-straffen Setups gautscht der ET5 durch Slalom und Spurwechsel. Dazu fehlen der Lenkung Präzision, Rückmeldung, Verlässlichkeit. Stattdessen spricht sie überstürzt an, lässt den Kombi über die Autobahn hibbeln.

Nio ET5 Touring 100 kWh, Cockpit
Achim Hartmann

Das Handling auf der Landstraße? Höflich formuliert ist es, nun, eine Erfahrung. Die Lenkung diffus, das Fahrwerk bolzig, das ESP mit zu langer Leitung, bis es auf dem Posten ist. Und wir reden von einem Testwagen, der rund 70.000 Euro kostet. Dafür gibt es nicht mal ein Head-up-Display, stattdessen ein kleines Instrumentendisplay und einen großen Touchscreen. Über den und die unbeschrifteten Tasten auf dem Lenkrad gilt es selbst die Außenspiegel und die Lenkradposition einzustellen.

Dann haben wir noch den höchsten Verbrauch und schwache Bremsen. Kleiner Bonus: Nio schenkt Käufern derzeit den Strom für zwei Jahre. Dem Nio wird hier nichts geschenkt, meinen Sie? Natürlich nicht, sonst könnten wir uns auch etwas schenken: das richtige Testen.

ID.7: ein voller Ervolt?

Womit wir noch immer keinen entschiedenen Favoriten auf den Sieg haben. Auftritt ID.7. Der basiert auf dem einfacheren Konzernfundament als der Audi, dem MEB. Als GTX bekommt der Tourer 13 statt 12 Batteriemodule zwischen die Achsen gepackt, für 86 kWh. Unter dem Bug stöpseln die Techniker den AKA 550 ins Antriebsgeschehen ein – wobei der Asynchro mit seinen 80 kW dem Permanentsynchro APP 550 an der Hinterachse mit seinen 210 kW nur in wenigen Situationen zuarbeitet. Die Steuerung deckelt die Systemleistung der E-Maschinen auf 250 kW.

VW ID.7 Tourer GTX
Achim Hartmann

Das ist noch immer umfassend genug, um mit der Vehemenz von A6 und i5 mitzuhalten, ohne die Effizienz zu mindern – so schafft der VW mit dem zweitkleinsten Akku die zweithöchsten Reichweiten (385 bis 467 km). Das Aufladen gelingt ihm etwa so schnell wie dem BMW, den er trotz knapperer Abmessungen bei Passagier- und Kofferraumangebot in Summe übertrifft. Fondpassagiere beherbergt er bequemer, verlädt das Gepäck geschickt mit untergründigem Kofferraumgewölbe oder der Cargo-Stellung der Rücksitzlehne.

Die Bedienung? Wie in allen aktuellen VW-Modellen, besser als zuvor, ganz auf den Touchscreen konzentriert und nicht so ausgefuchst wie im BMW, dafür übersichtlicher. Zu übersichtlich? Sind die Angaben im kleinen Instrumenten-Display. Es sei, so VW, nur Ergänzung zum Head-up. Was etwa so ist, als sagte ein Dachdecker, dichtes Ziegelwerk sei nur Ergänzung zu klug positionierten Eimern, in die der Regen tropft.

VW ID.7 Tourer GTX, Infotainment
Achim Hartmann

Doch bleibt dies neben kleinen Geizigkeiten bei der Materialauswahl die einzige Nachlässigkeit des solide verarbeiteten, gut geräuschgedämmten Tourer. Ja, eher Spritz-Tourer. Denn mit der angenehm unaufgeregten, variabel übersetzten, präzisen und rückmeldungsgewissen Progressivlenkung sowie dem stärkeren Motor im Heck fegt der VW neutral und vergnüglich, mitunter gar mit einer kleinen Heckdrängel-Frivolität durch und aus Kurven. Wobei das ESP darauf achtet, dass die seltenen Ausschweifungen den Rahmen der Sittlichkeit nicht überdehnen.

Dazu fächert das adaptiv gedämpfte Fahrwerk eine große Bandbreite auf – individuell einpegelbar von fast schon schunkeligem Komfort bis zu herber Straffheit. Die vorprogrammierten Modi Comfort und Sport treffen aber meist ein passendes Zwischendrin. So fährt der Tourer behände und sicher über Land, komfortabel und wie die drei anderen clever ladestoppstrategiert über die Autobahn.

Auch er ist schwer, die Zuladung kärglich, die Anhängelast knapp. Auch sein Preis ist absolut hoch, aber im Vergleich zu den anderen relativ niedrig. Womit der GTX den Test für sich – Sie ahnen es – entscheidet.

Technische Daten
VW ID.7 Tourer GTX GTXAudi A6 Avant e-tron performance BMW i5 Touring xDrive40 M SportpaketNio ET5 100 kWh
Grundpreis63.955 €77.250 €80.950 €68.500 €
Außenmaße4961 x 1862 x 1551 mm4928 x 1923 x 1527 mm5060 x 1900 x 1515 mm4790 x 1960 x 1499 mm
Kofferraumvolumen605 bis 1714 l529 bis 1422 l570 bis 1700 l450 bis 1300 l
Höchstgeschwindigkeit180 km/h210 km/h215 km/h200 km/h
0-100 km/h5,6 s5,6 s5,4 s3,9 s
Verbrauch0,0 kWh/100 km0,0 kWh/100 km16,5 kWh/100 km0,0 kWh/100 km
Testverbrauch24,4 kWh/100 km23,1 kWh/100 km24,9 kWh/100 km27,0 kWh/100 km