VW Golf gegen Audi A3 und BMW 1er im Test: Wie viel Premium steckt im Golf?

VW Golf gegen Audi A3 und BMW 1er im Test
Wie viel Premium steckt im Golf?

Veröffentlicht am 21.04.2025

Schon wieder ein Vergleich der gern selbst ernannten "Premium-Kompakten"? Richtig – ist nicht lange her, da hatte sich Kollege Lingner den jüngst gelifteten Audi A3 , den neuen BMW 1er und den ebenfalls renovierten VW Golf vorgenommen – damals mit dem Cupra Leon als Stargast, der das MQB-evo-Trio (Modularer Querbaukasten, Sie wissen schon) komplettierte. Der Sinn dahinter? Damals hatten die drei den Kampf um die Benziner-Krone ausgefochten, heute schicken wir sie selbstzündend in die zweite Runde.

Die Grundvoraussetzungen scheinen dabei zunächst ähnlicher. Vor einigen Wochen trat der BMW dreizylindrig gegen die Vierzylinder-Konkurrenz aus dem VW-Konzern an. Heute schiebt bei allen dreien ein Zweiliter-Vierzylinder mit 150 PS an. Wobei: Beim BMW stehen 163 PS im Datenblatt. Dafür sorgt ein Mildhybridsystem, dessen Elektromotor im Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe integriert liegt. Mit 15 kW (20 PS) boostet das System bei Bedarf zu, die Systemleistung gibt BMW mit 163 PS an. Also doch ein Vorteil, diesmal für die Münchner Seite? Das werden die Messergebnisse später offenbaren. Zunächst jedoch schauen wir uns die Kandidaten im Detail an.

Nur auf den ersten Blick

Audi hat sich über die Jahre den Ruf eines höchst feinen Interieurs erarbeitet und zehrt auch heute noch davon. Dabei erkennt man im Detail, dass in Ingolstadt ebenfalls der Rotstift durch die Lastenhefte streicht. Vorn sieht alles auf den ersten Blick hochwertig aus (gut, über den Fahrstufen-Wählschieber lässt sich streiten), doch in der zweiten Reihe wird es auffällig: Hartplastik, so weit das Auge reicht, schlecht entgratete Kanten innen in den Türablagen – wer sich eingehender mit dem A3 beschäftigt, fragt sich schnell, für was genau er 52.520 Euro überwiesen hat. Unter dem Kofferraumboden geht’s weiter mit reichlich Farbnebel in der unverkleideten Reserveradmulde. Hat das vielleicht in der Produktion pro Fahrzeug geschätzte 3,8 Cent am Lack gespart? Wer weiß.

VW Golf 2.0 TDI, Audi A3 Sportback 35 TDI und BMW 120d M
Arturo Rivas

Bitte nicht falsch verstehen, die beiden Kontrahenten im Test machen es auch nicht besser. Der VW wirkt mit seinen Fingerabdruck-anfälligen Klavierlackblenden ein wenig aus der Zeit gefallen, und der 1er missfällt mit seinen billig wirkenden neuen Lenkrad-Bedientasten und den windigen Plastikabdeckungen im Fond.

Grundsätzlich müssen wir anmerken: Es stimmt durchaus ein bisschen traurig, was in den letzten Jahren aus BMW geworden ist – Audi steht nicht allein da. In vielen Bereichen hatten die Bayern schon mal bessere Lösungen. Dabei sollte eine Weiterentwicklung eigentlich einen Fortschritt bringen. Nicht so in München: Die Entfernungseinstellung des Radar-Tempomats lässt sich nicht mehr am Lenkrad vornehmen und das Adaptivfahrwerk nicht mehr nach eigenem Gusto justieren. Dafür kann man sich im Infotainment von einem "Digital Art Mode" der chinesischen Künstlerin Cao Fei berieseln lassen. Was bitte soll das denn?

Doch zurück in den A3: Der rollt mit erstaunlich bodenständigem Mobiliar auf den Hof – Stoffbezüge, manuelle Einstellung. Finden wir eigentlich angenehm erfrischend, zumal die Polsterung straff und griffig wirkt. Zudem positionieren die Sitze Fahrer und Beifahrer tief. Dennoch können sie darüber hinaus nicht viel und reichen nicht an die wellnessigen VW-Pendants oder die griffigen BMW-Sitze heran. Im Fond macht der A3 jedoch Punkte gut, denn hier lümmeln auch Erwachsene bequemer als in den beiden anderen Autos.

Bedien-Künstler Audi

Die restliche Bedienung gibt sich erfreulich intuitiv und unkompliziert für einen MIB-Ableger. Nein, keine Sorge: Will Smith "blitzdingst" Sie nicht nach dem Einsteigen, wir reden vom Modularen Infotainment-Baukasten des VW-Konzerns. Vorteil für den A3: Bei ihm kommt die Variante mit einem relativ kleinen 10,1-Zoll-Display zum Einsatz. Fünf Hauptmenütasten müssen genügen, für die Klimatisierung, die Fahrmodi und den ganzen Rest gibt es physische Tasten, die sinnvoll und formschön unter dem Screen angeordnet sind.

Audi A3 Sportback 35 TDI, Cockpit
Arturo Rivas

Das Gegenteil davon ist der VW, bei dem der Bildschirm zwar mit 12,9 Zoll Diagonale deutlich größer ist, aber alles per Touch zurechtgefummelt werden will. Dazu gesellt sich der grausige Lautstärke-Schieberegler unterhalb des Bildschirms, den man auf einer schlaglochigen Piste lieber nicht betouchen sollte.

BMW hat sich in Sachen Bedienung wieder mal verschlimmbessert, indem der iDrive-Drehregler weggespart wurde. Jetzt muss man auch im 1er an einem hoch platzierten, flachen Display herumfingern. Was dabei etwas hilft: Mit seinem matten Finish ist es wenigstens nicht so Sonnenstrahlen-empfindlich wie die Screens der anderen beiden.

Wo wir gerade schon gedanklich in ihm sitzen, kommen wir doch gleich zum BMW. Der versucht mit seiner lang hindesignten Haube zumindest optisch noch auf Hecktriebler zu machen, in Wahrheit basiert er schon seit dem Vorgänger F40 (nein, nicht der Ferrari) auf derselben Frontantriebs-Architektur wie der Mini. Hilft im Innenraum nur bedingt, denn Audi und VW bieten da mehr Platz und dazu deutlich mehr Kofferraumvolumen: 300 Liter packt der 1er, ganze 80 weniger als die Rivalen. Was auch nur die Gegner schaffen: eine vernünftige Sitzposition bereitzustellen. Mit 480 Millimetern sitzt man im 120d unsinnig hoch, doch dafür entschädigen wenigstens die bereits gelobten Sitze. Dabei stecken noch nicht mal die 750 Euro teuren M Sportsitze im Testwagen.

BMW 120d M, Cockpit
Arturo Rivas

Zur unnatürlich hohen Sitzposition will die irgendwie gekünstelt wirkende Sportlichkeit nicht so recht passen, die BMW dem 1er seit der Umstellung auf Frontantrieb überstülpt. Allein das Upgrade auf Schaltwippen am gewohnt wulstigen Lenkrad kostet 3.550 Euro – überspitzt formuliert, denn da hängt dann noch das M Sportpaket mit dran.

Fahrdynamik-Disziplinen

Und selbst in den Fahrdynamik-Disziplinen fährt der BMW trotz aller Härte im Fahrwerk seinen Konkurrenten nicht um die Außenspiegel, zeigt ihnen immerhin im Slalom die Rücklichter. Das Lenkerlebnis an sich reißt in Sachen Rückmeldung keine Bäume aus, gefällt aber mit harmonischem Lenkwinkelaufbau. Hinterm Lenkrad stecken große Schaltwippen, mit denen sich zumindest die Fahrstufen manuell sortieren lassen, wenn man schon nicht mehr am Fahrwerk herumfuhrwerken darf. Passend zum agilen Landstraßengefühl jagt der 120d dafür auf der Autobahn verbissener Spurrillen hinterher. Frei nach dem Motto: Es gibt keinen Vorteil ohne Nachteil.

VW Golf 2.0 TDI
Arturo Rivas

Der Golf dagegen sollte eigentlich in der Schweiz gebaut werden, so neutral verhält er sich zwischen dem stets vorgespannten BMW und dem stets entspannten Audi. Wie eh und je leistet er sich nirgends einen richtigen Patzer, punktet konstant in fast allen Kategorien, sticht aber auch nirgends heraus. Er tut sich nur mit seinen Ergo-Active-Sitzen (970 Euro) hervor, die den Fahrer mit elektrischer Einstellung, Memory- sowie Massagefunktion und verschiebbarer Oberschenkelauflage verwöhnen. Hinten existiert die größte Kopffreiheit in diesem Trio, und auch der Kofferraum fasst noch mal ein paar Liter mehr als der des Audi.

Fahrdynamisch gesehen spreizt der Golf sein echtes, da vielfach einstellbares Adaptivfahrwerk noch mal weiter als die beiden Konkurrenten aus der Premium-Fraktion, zumal sich bei ihm die Range in ihren Extremen sogar noch über "Comfort" und "Sport" hinaus prägen lässt. Dafür einfach auf "Individual" schalten und den Schieberegler bemühen. Top!

Audi A3 Sportback 35 TDI
Arturo Rivas

Jetzt noch zur Längsdynamik, und hier schlägt dann endlich die Stunde des BMW. Muss sie auch, denn subjektiv hat er sich noch nicht besonders hervorgetan. Also: ab auf die Messstrecke für den Stammtisch-Wert von 0 auf 100 km/h. Und da löst sich die Eingangs-Behauptung von den gleichen Waffen schon wieder in Wohlgefallen auf, denn das Mildhybridsystem verschafft dem Einser einen Vorsprung von acht Zehnteln auf den Golf und sogar deren neun auf den A3 – obwohl der BMW mit 1.539 Kilogramm deutlich schwerer ist als seine beiden Gegner. Bis zur Autobahn-Richtgeschwindigkeit liegt er schon rund eine Sekunde vor dem Audi und dem VW, und auch bei den Zwischenspurt-Messungen dominiert der Münchner. Interessant dabei: Trotz der besten Beschleunigungswerte verbraucht der 120d im Vergleich am wenigsten. Sein Hybridsystem bringt auch mit 48 Volt Spannung zählbare Wirkung.

Was den Audi am Ende wichtige Punkte kostet, sind seine nur mittelmäßigen Bremswerte. Aus 100 km/h steht er im kalten Zustand erst nach 35,9 Metern. Und auch wenn die Anlage auf Betriebstemperatur ist, tritt kein großer Fortschritt ein: 35,4 Meter sind ein Wert, der heutzutage niemanden mehr beeindruckt. Der Golf macht seine Sache minimal besser (35,3 m kalt und 34,1 m warm), der Brems-Primus in diesem Test ist jedoch der mit einer Vierkolbenanlage vorn ausgerüstete 120d. Kalt steht er bereits nach 34,4 m, warm noch mal einen halben Meter früher.

BMW 120d M
Arturo Rivas

Wie bei den Sitzen gilt hier: Was BMW serienmäßig verbaut, ist stark. Wer noch mehr will, findet es in der Optionsliste. Beispielsweise die gelochte M-Compound-Bremse, die für 850 Euro eine nochmals bessere Performance verspricht – auch weil zusätzlich 19-Zoll-Räder bestellt werden müssen.

Günstig war einmal

Apropos Geld: Zeit für das Kostenkapitel. Und wer zuletzt vor, sagen wir mal, zehn Jahren einen Kompakten gekauft hat, wird jetzt ziemlich irritiert dreinschauen, denn unter 40.000 Euro geht hier nicht mehr viel. Der Golf ist zwar noch der Günstigste, viel Luft bleibt zu den Premium-Marken Audi und BMW aber nicht mehr. 38.780 Euro nimmt VW mindestens für einen 2.0 TDI. Für den A3 Sportback als 35 TDI werden in der Basis 39.200 Euro fällig. Und BMW fordert für den 120d schon 40.500 Euro, wenn der Kunde kein einziges Extra ordert. Dann allerdings sehen die Autos bei Weitem nicht so schick aus wie unsere drei Testwagen auf diesen Bildern.

VW Golf 2.0 TDI
Arturo Rivas

Die preisliche Konsequenz: 50.030 Euro ruft VW für den getesteten Golf auf, 52.520 stehen auf Audis Endrechnung für den A3 und haarsträubende 55.510 Euro im Hause BMW beim 1er. Der in der Headline zitierten Mitte sind alle drei längst entwachsen.

Technische Daten
VW Golf 2.0 TDI StyleAudi A3 Sportback 35 TDI AdvancedBMW 120d M Sportpaket
Grundpreis41.600 €40.150 €44.050 €
Außenmaße4282 x 1789 x 1483 mm4352 x 1816 x 1466 mm4361 x 1800 x 1459 mm
Kofferraumvolumen381 bis 1237 l380 bis 1200 l300 bis 1135 l
Hubraum / Motor1968 cm³ / 4-Zylinder1968 cm³ / 4-Zylinder1995 cm³ / 4-Zylinder
Leistung110 kW / 150 PS bei 3000 U/min110 kW / 150 PS bei 3000 U/min110 kW / 150 PS bei 3750 U/min
Höchstgeschwindigkeit223 km/h227 km/h222 km/h
0-100 km/h8,4 s8,5 s7,6 s
Verbrauch5,3 l/100 km5,4 l/100 km5,2 l/100 km
Testverbrauch5,3 l/100 km5,4 l/100 km5,2 l/100 km