Zu digital, zu schwer, zu weichgespült – unter modernen Automobilen gibt es einfach immer weniger Typen mit Ecken und Kanten im übertragenen Sinn. Auch im sportlichen Segment fehlen immer mehr charakterstarke Fahrzeuge. Heute machen wir mit einer wohltuenden Ausnahme die Landstraßen und Schotterwege unsicher. Herzlich willkommen, Toyota GR Yaris der zweiten Generation!
Die Modellgeschichte fasziniert: Damit das WRC-Team in der Rallye-Weltmeisterschaft einen wettbewerbsfähigen Dreitürer bauen konnte, genehmigte der Ex-Toyota-CEO und heutige Aufsichtsratsvorsitzende Akio Toyoda einst die Entwicklung und Serienproduktion des GR Yaris, der bekanntlich ohne hintere Türen auskommt. Das Yaris-Basismodell der Baureihe XP 210 gibt es ausschließlich als Fünftürer.
Controller hiesiger Konzerne hätten angesichts des geringen Gleichteilekontingents Schnappatmung bekommen. Toyota hingegen bewies Mut: Trotz der kostenintensiven Vorgeschichte ging der GR Yaris 2020 an den Start. Bis heute wurden über 40.000 Exemplare verkauft.
Rallye-Gene im Alltag
Die zweite Generation des GR Yaris ist dank umfangreicher Weiterentwicklungen weit mehr als nur ein Facelift. Während man im Vorgänger wie der berühmte Affe auf dem Schleifstein hinter dem Lenkrad gehockt hatte, startet der Landstraßen-Ritt jetzt mit optimierter Cockpit-Ergonomie. Die Sitzposition wurde um 25 Millimeter abgesenkt.
In Zeiten der digitalisierten Cockpits ist jenes des GR Yaris eine Wohltat für Purismus-Fans. Statt Touchflächen regieren weitgehend echte Schalter; lediglich das Navi- und Infotainment-Display hat eine touchsensitive Oberfläche. Zusammen mit den fahrdynamisch relevanten Bedienelementen ist es dem Fahrer nun um 15 Grad zugewandt – das erinnert an frühere BMW mit ihrem fahrerorientierten Cockpit.
Attacke! Auch wenn der gierige Turbo-Sound teils durch die Lautsprecher generiert wird, verliebt man sich sofort in den 1,6-Liter, der nun mit 280 statt bisher 261 PS tobt. Das Triebwerk wurde in puncto Standfestigkeit optimiert – mit einem verstärkten Ventiltrieb, neuen Auslassventilen und leichteren Kolben mit verschleißfesteren Ringen.
Außerdem besitzt der GR Yaris nun einen neuen Zusatzkühler sowie eine Wasseraufspritzung für den Ladeluftkühler. Sie wird über einen Schalter links neben dem Lenkrad aktiviert; drei Sprühdüsen stoßen Wasser aus, um die Ladelufttemperatur weiter herunterzukühlen. Das System wird aus einem Tank gespeist, der zur Optimierung der Gewichtsverteilung wie die Batterie im Kofferraum sitzt.

Links neben dem Fahrer gibt es Schalter und Druckknöpfe: Wasseraufspritzung für den Ladeluftkühler, gespeist aus einem 3,7-Liter-Tank.
Manuelles Sechsganggetriebe, knackige Gassenführung, Fahrspaßtränen in den Augen – wir dressieren den kompromisslosen Rennzwerg natürlich mit der klassischen Sechsgang-Handschaltung und nicht mit dem Achtgang-Automatikgetriebe, das es jetzt alternativ gibt. Noch ein Grund für das Schaltgetriebe? Es baut 22 Kilogramm leichter.
Das Fahrwerk arbeitet noch knackiger als im Vorgänger. Im Vergleich zur ersten Generation geht das aktuelle Modell mit höheren Federraten von 46 N/mm an der Vorderachse und 40 N/mm an der Hinterachse an den Start (beim Vorgänger 36 N/mm rund- um mit High-Performance-Paket). Außerdem besitzt der GR Yaris jetzt einen steiferen Frontstabi. Durch circa 13 Prozent mehr Schweißpunkte und etwa 24 Prozent mehr Flächen, in denen Strukturkleber aufgetragen wird, erhöht sich auch die Karosseriesteifigkeit.
Agilität statt Fahrstabilität – der GR Yaris fährt sich nun zwar ein bisschen erwachsener, bleibt aber nach wie vor eine grandiose Fahrspaßbüchse mit spielerischem Handling. Ob in fixen Autobahnkurven oder lang gezogenen Kurvenradien auf der Landstraße – man spürt sofort, dass sein favorisiertes Revier eher verwinkelte Rallye-Pisten sind. Die Kombination aus der Einlenkpräzision der Vorderachse und dem agilen Eigenlenkverhalten ist perfekt für enge GP-Kurse oder verwinkelte Passstraßen. Bei Lastwechseln oder beim Anbremsen mit leichtem Lenkwinkel dreht sich das Heck gerne mal sachte ein.
Ein grundehrliches Feedback liefert auch die präzise elektromechanische Lenkung, deren Handmoment jetzt per neuem Drive-Mode-Schalter in zwei Kennlinien justiert werden kann ("Normal" und "Sport"). Puristen fühlen sich mit der direkten Sport-Kennlinie gut bedient, aber auch im Normalmodus ist die Lenkung nicht in Watte gepackt. Neben ihrer Kennlinie kann der Fahrer die Funktion der Klimaanlage, die Grafik des Kombi-Instruments und die Gasannahme variieren. Hier stehen drei Modi zur Wahl: Eco, Normal und Sport.
Spielerisch quer fahren?
Für die über den Dreh-Drück-Regler auf der Mittelkonsole variierbare Kraftverteilung des Allradantriebs kann man den GR Yaris nicht genug feiern. Neu sind Benennung und Abstimmung der Allrad-Modi.

Der Testwagen kommt mit einer klassischen Handschaltung. Die Alternative: Achtgangautomatik.
Während in der ersten Generation die Programme Normal (Kraftverteilung 60 : 40), Sport (Kraftverteilung 30 : 70) und Track (Kraftverteilung 50 : 50) zur Wahl standen, wird jetzt zwischen "Normal", "Track" und "Gravel" gewählt. Anders als im Normalmodus, in dem die Kraftverteilung unverändert starr bei 60 : 40 bleibt, variiert der GR Yaris jetzt das Antriebsmoment im Track-Modus zwischen 60 : 40 und 30 : 70 je nach Fahrsituation. Im Gravel-Modus beträgt das Verhältnis 53 : 47.
Durch den Wegfall des starren 30 : 70-Modus der ersten Generation gelingen Querfahrten auf rutschigen Oberflächen nicht mehr ganz so spielerisch. Aber Performance-seitig profitiert der GR Yaris von der variablen Kraftverteilung im Track-Modus. Vor allem wenn aus engen Ecken mit maximal möglicher Traktion rausbeschleunigt werden soll, ist diese Allradabstimmung performanter.

Auf großem Fuß: Der Vier-Meter-Zwerg fährt auf 18-Zoll-Rädern.
Kein Kritikpunkt? Doch, bei Erreichen der Spitze von 230 km/h grätscht die Abregelung beinhart rein und reduziert das Tempo um rund 10 km/h, bevor es wieder zulegt und der Begrenzer erneut einsetzt. Alles, obwohl man voll auf dem Gas steht.
Doch das ist Jammern auf Champions-League-Niveau. Viel wichtiger: Mit seinem leicht unvernünftigen, aber liebenswürdigen Charakter entspricht der GR Yaris so gar nicht der automobilen Gegenwart.
Toyota GR Yaris GR | |
Grundpreis | 51.990 € |
Außenmaße | 3995 x 1805 x 1455 mm |
Kofferraumvolumen | 207 l |
Hubraum / Motor | 1618 cm³ / 3-Zylinder |
Leistung | 206 kW / 280 PS bei 6500 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 230 km/h |
0-100 km/h | 4,9 s |
Testverbrauch | 8,2 l/100 km |