Porsche 718 Cayman GT4 RS & Alpine A110 R

Alpine A110 R, Porsche 718 Cayman GT4 RS
Teure Mittelmotor-Stürmer im Duell

Veröffentlicht am 26.12.2024

Schwindelfrei? Gut so! Denn wir müssen ganz nach oben. Aufs höchste Niveau. Ebenda spielt sich alles ab: die Emotionen, leider auch die Preise, vereinzeltes Gejammer und nachher die Fahrgefühle.

Die Aussichten sind jedenfalls blendend, relativ betrachtet aber auch etwas verzerrt: 200 PS, 336 kg und 85.896 Euro betragen die Differenzen in den Kerngrößen, woraus sich eine wacklige Vergleichsgrundlage ergäbe, würde sie durch die gemeinsamen Absichten nicht, zack!, geradegerückt.

Machen wir einander bekannt. In der blauen Ecke: die schärfste Französin unter der Sonne – Codename A110 R. Rund 40 kg haben sie der Alpine für ihre dritte Eskalationsstufe vom Leib geschabt, wobei sich der Gewichtsvorteil überwiegend aus Materialien mixt. 18-Zoll-Felgen, Fronthaube, Dach und Rückenpanzer sind aus CFK gebacken, dito die Sitzwannen. Die klare Linie beißt sich zwar mit einigen Convenience-Überbleibseln, aber man kann einem Auto, das anno 2024 mit 1.095 kg auf der Waage steht, keine Inkonsequenz vorwerfen.

Sein Gegenüber läuft im Heimtrikot von Borussia Dortmund auf: der 718 Cayman GT4 RS, der exakt dieselben Ziele verfolgt – nur eine Nummer größer. Die dunklen Akzente auf der Karosserie sind jedenfalls nicht die Schatten, die seine Modellzukunft als E-Auto vorauswirft, sondern abermals Kohlefaser. Zusammen mit Dünnglas und Spezialteppichen ergibt sich ein Minus von 35 kg gegenüber dem Standard-GT4, das sich mit dem Weissach-Paket weiter steigern lässt. Für 12.602 Euro bekommt man neben Sichtcarbonteilen die Genehmigung, für weitere 14.875 Euro Magnesiumräder zu ordern, die noch mal 10 kg abknapsen. Finaler Wert: 1.431 kg.

Die volle Dröhnung

Die Masse ist aber nur das eine, die Substanz das Entscheidende. Während die Franzosen den 1,8-Liter des Alpine A110 Rauf dem Leistungsstand des S-Modells belassen, bekommt man im Porsche die volle Dröhnung ins Kreuz gesetzt.

Jahaa, hier wütet das Herz des 911 GT3 höchstpersönlich. Jahrelang hat sich Porsche vor diesem Schritt gedrückt, schließlich ist es nicht im Sinne des Erfinders, dass der 718 dem 911 ans Bein pinkelt. Okay, Gimmicks wie die Hinterachslenkung stehen dem Porsche 718 Cayman dienstgradmäßig nicht zu. Wegen der geringeren Reifen- und Spurbreiten ist das Griplevel auch nicht gar so absurd, dafür ist das etwas geringere Gewicht hier besser verteilt. Heute aber schlägt die schlanke Linie ins Gegenteil um. Pardon, aber neben der zierlichen Mademoiselle wirkt der an sich kompakte Porsche pummelig.

Die Mademoiselle als Vamp

Dabei ist die Alpine keine Büßerbude. Im Gegensatz zu anderen Sportwägelchen dieser Größenordnung braucht es kein Limbo-Diplom, um hineinzugelangen – und für den Rausweg keine Rettungsschere. Kofferraum gibt’s obendrein – zwei sogar. In ihrer Ausgangsbasis ist die Französin das Ebenbild ihres Designs, ein retroromantisches Souvenir ihrer Maman aus den 60ern.

Im R-Modell reduziert sich der Liebreiz auf die Kulleraugen. Der gesamte große Rest ist zu maximalem Ehrgeiz erstarrt, Alltagstauglichkeit ist jetzt nicht mehr der passende Begriff. Der Hauptgrund ist das Fahrwerk. Es schärft die Tonalität und dreht den Charakter der Alpine damit komplett auf links. Die Tieferlegung um 10 mm ist erst sicht-, dann spürbar. Man sitzt Auge in Auge mit Radnaben von Lkw und praktisch mit den Hosen auf dem Boden. Bei höherem Tempo lassen sich noch Nuancen von Federungskomfort erahnen, die Dämpfung jedoch ist ebenso statisch wie rigoros, versohlt dich mit Fahrbahnkontakt, gerbt dich mit Rückmeldung.

Auch der Porsche ist nicht zimperlich. Sein Fahrwerk unterscheidet zwar zwei Härtegrade, allerdings darf man Härte grundsätzlich in Versalien setzen. Überhaupt bringt der Porsche 718 Cayman GT4 RS noch mehr Zug in die Zusammenhänge. Ein Faktor: die Aerodynamik. Wie die Alpinisten hängen auch die Weissacher einen Heckflügel an Schwanenhälse. Den Parallelen im Prinzip stehen jedoch Differenzen im Ausmaß gegenüber. Und weil viel hier nun mal viel hilft, saugt sich der Cayman fester auf den Asphalt. Hinzu kommt diese herrliche Handfestigkeit, mit der er dich an sich fesselt. Anders als die Alpine A110 R, die ihr reflexartiges Reaktionsvermögen mit einer etwas saloppen Anbindung von Lenkung und Gaspedal verwackelt, sind die Kennlinien im Porsche gespannt bis zum Gehtnichtmehr. Die gesamte Kinematik, der Draht zu den Vorderrädern, sogar die Rastung des PDK-Hebels in der Manuell-Gasse – alles ist unglaublich direkt und definiert und damit ein perfekter Rahmen für einen Motor, der wie eine Bärenfalle nach dem Gasfuß schnappt.

Der Respektabstand von 10 PS, den der Boxer des Porsche GT 4 RS zu jenem des GT 3 wahrt, wird durch die Einbaulage überkompensiert. Die Ansaugung sitzt zwischen Seitenfenster und Dachschräge, sodass man als Fahrer das Gefühl bekommt, der Motor atme durch die eigenen Ohren ein. Untenrum hält sich die Dramatik noch in den Grenzen eines Porsche-Saugers, aber sobald Last und Drehzahl ein gar nicht allzu hohes Maß übersteigen, wird Gebrüll zum Schulterpolster. Ab 7.000 erhellt sich der Ton, von acht auf neun mischt sich ein innerliches Beben hinzu, dem man eine gewisse Überanstrengung der Technik unterstellen würde, bliebe der Druck nicht bis zum letzten Zipfel des Drehzahlbandes so unfassbar eklatant.

Schredder und Schaumbad

Und das ist der Punkt: Kraftfluss und Krawall eskalieren quasi parallel. Jedem Gasbefehl haftet der typische Schnappatmer an, dann klickt’s und klackert’s in den Atemwegen, die Sportabgasanlage müht sich nach Kräften um einen bassigen Unterton, kann sich aber kaum Gehör verschaffen. Danach wird sie gnadenlos niedergeplärrt von der Tollwut eines Organs, das hochfiligran reagieren kann, einen aber zugleich mit exponentiell wachsender Brutalität durch den Schredder dreht.

Der Kraftfluss der Alpine wirkt danach jedenfalls wie ein Schaumbad. Auch sie kann knurren, sprotzeln und durchaus laut werden, versprüht ihre Emotionen aber nicht mit der Fräsedüse. Statt sich Leistung mit Drehzahl vom Leib zu reißen, bekommt sie die per Turbolader zugepustet. Leistungsentfaltung und Ansprechverhalten sind demzufolge von fluffigerer Konsistenz, wirken eher aufgebauscht als ausgehärtet, dafür türmt sich das Drehmoment zügiger zu voller Höhe auf.

Erstaunlich ist aber vor allem, was die mickrige Fahrzeugmasse aus dem vergleichsweise banalen Motörchen macht. Nicht nur, dass die 300 PS in Relation zum Gewicht der spezifischen Leistung eines 585 PS starken AMG GT entsprechen, auch die konzeptbedingten Macken lösen sich im Windschatten der Leichtigkeit in Wohlgefallen auf. Nicht mal das spürbare Turboloch kann den Vierzylinder davon abhalten, mit der Französin "tout de suite" hinfortzuwirbeln. Ab gut 2.000 Touren sprudelt die Power dann sowieso mit mächtig Druck aus ihrer Quelle, wird von gurgeligem Röhren untermalt und von rotzigen Gangwechseln angestachelt. Nur ist der Cayman am Ende zu ausgebufft, um sich von Quirligkeit austanzen zu lassen. Dem theoretischen Vorteil geringerer Trägheit macht er mit kaltblütiger Effektivität den Garaus – geradeaus sowie auf der Rundstrecke.

Kaltblütig versus quirlig

Grundsätzlich gilt das Vorhersehbare: je winkliger, desto Alpine. Mag sein, dass die A110 in der R-Fassung nicht mehr wie ein Frisbee um die Ecken schwirrt, einfach, weil sie sich mit der steiferen Kinematik und dem Grip der Semislicks satter in Kurven abstützt als das flatterhafte Standardmodell. Die neckische Grundtendenz – dieses "Laisser-quer" – ist innerhalb der geschärften Konturen aber immer noch präsent.

Ein Lupfer zur rechten Zeit, sofort tritt einem das Tanzbein ins Gesäß, was sich insbesondere in den 180-Grad-Bögen des Anneau du Rhin als segensreich erweist. Dennoch verliert die Alpine auf der Drei-Kilometer-Runde volle 2,9 Sekunden, wobei die Deutlichkeit des Rückstands natürlich auf die klaffenden Kräfteverhältnisse zurückzuführen ist.

Andererseits werden wir uns hüten, den Porsche 718 Cayman GT4 RS auf sein Leistungsplus zu reduzieren. Denn auch in Kurven hat er die Nase vorn. Seine extreme Körperbeherrschung blockt den Einfluss des Mehrgewichts, während der mechanische Grip das Kurventempo schürt. Lastwechsel verpuffen größtenteils in der satteren Bodenhaftung; jedoch muss man den Punch kurvenausgangs sorgfältiger dosieren als im Alpine A110 R, sonst zuckt’s der Weissach-Wespe heftig in der Taille. Vor allem dann, wenn das schwächste Glied in der Befehlskette nachzugeben beginnt – der Gummi.

Relevant sind, wie gesagt, aber weniger die Unterschiede als die Gemeinsamkeiten, die neben der konzeptionellen Raffinesse auch die Erkenntnis beinhalten, dass Handling hier noch wörtlich zu verstehen ist. Ja, die Extraklasse entsteht tatsächlich (fast) ohne künstliche Zusätze – in gewisser Weise also schwindelfrei.

* Bester erhält volle Punktzahl; 0,5 Sekunden = 1 Punkt Abzug

** Bester erhält volle Punktzahl; 1 km/h = 1 Punkt Abzug

*** Bester erhält volle Punktzahl; 2 % des Kaufpreises des teuersten Autos = 1 Punkt Abzug

Technische Daten
Porsche 718 Cayman GT4 RS Cayman GT4 RSAlpine A110 R
Grundpreis158.700 €109.950 €
Außenmaße4456 x 1822 x 1267 mm4181 x 1798 x 1252 mm
Kofferraumvolumen425 l190 l
Hubraum / Motor3996 cm³ / 6-Zylinder1798 cm³ / 4-Zylinder
Leistung368 kW / 500 PS bei 8400 U/min221 kW / 300 PS bei 6300 U/min
Höchstgeschwindigkeit315 km/h285 km/h
0-100 km/h3,4 s4,3 s
Verbrauch12,3 l/100 km
Testverbrauch12,3 l/100 km8,2 l/100 km