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Tesla Model 3 und Polestar 2 im Test
Kann Tesla mehr als nur Reichweite?

Reichweite gab’s bei Tesla stets reichlich. Das geliftete Model 3 muss gegen den Polestar 2 zeigen, ob das restliche Auto jetzt endlich mit der guten Effizienz mithalten kann.

 Tesla Model 3 Max. Reichw, Polestar 2 LR Performance
Foto: Hans-Dieter Seufert

Leistung? Bei E-Motoren ein Inflationsprodukt. Exklusiv ist das, was nicht für jeden zugänglich oder erreichbar ist. In der E-Mobilität heißt das goldene Gut Reichweite. Und da war Tesla stets vorn dabei. Das Model 3 erzielte Reichweite durch geringen Stromverbrauch. Der Rest? Hatte seine Höhen und Tiefen. Knapp sechs Jahre nach Modellstart folgt jetzt das Facelift, genannt Highland, mit leicht angepasster Optik, modifiziertem Cockpit und einigen Neuerungen unter der strömungsgünstigeren Karosserie (cw 0,22 statt 0,23).

Der große E-Ratgeber

Und die sind schon nach wenigen Metern hinterm Steuer spürbar. Ein neues Fahrwerk mit frequenzselektiver Dämpfung stellt endlich das Gehoppel ab. Besonders kleine Unebenheiten, die vorher den Kopf im Jazz-Beat auf der Kopfstütze trommeln ließen, kommen jetzt überhaupt nicht mehr durch. Klar, das Model 3 bleibt straff in der Grundnote, gibt sich auf grobem Geläuf jedoch viel aufbaustabiler, souveräner und obendrein auch leiser, da das Fahrwerk wirksam abgeschottet wurde. Dämmglas rundum reduziert das bisher ziemlich hohe Geräuschniveau im Innenraum.

Von 0 auf 100 km/h beschleunigt der Tesla in sportlichen 4,7 Sekunden.

Aber auch wenn alles leiser vonstattengeht, wird der Tesla Model 3 kein Autobahnstürmer. Das liegt viel weniger an der von 233 auf 201 km/h reduzierten Höchstgeschwindigkeit als am weiterhin nervösen Geradeauslauf und an der um die Mittellage viel zu spitzen und gleichzeitig gefühllosen Lenkung. Schnelle Autobahnkurven erfordern neben Feingefühl auch ein bisschen Mut. Das ist schade, denn mit Blick auf die Verbräuche eignen sich nur wenige E-Autos so gut für flotte Schnellstraßen-Etappen. Zu dem bereits hervorragenden Testverbrauch von 22,7 kWh/100 km samt Ladeverlusten gesellt sich der gute Sportverbrauch von 28,9 kWh pro 100 km.

Motorisch unverändert

Grund für die niedrigen Verbräuche ist nicht nur die unveränderte Antriebskombi aus Asynchronmotor an der Vorderachse und Permanentmagnetsynchronmotor an der Hinterachse, sondern es sind auch die niedrigen Fahrwiderstände. Nur 24 kW beträgt der Leistungsaufwand bei 130 km/h. Gleichzeitig sorgen die bis zu 366 kW jederzeit für mächtig Vortrieb. Die sehr direkte Pedalabstimmung im Standard-Modus erfordert Gewöhnung; in "Lässig" geben die Motoren sanfter Strom ab, erreichen aber nicht die volle Leistung. In nur 4,7 Sekunden geht’s auf 100 km/h – ein Wert, den der Tesla mehrfach hintereinander ohne Einbruch bestätigt, der aber trotzdem nicht der Werksangabe entspricht. Und: Etwas besser als in 37 Metern dürfte das Model 3 schon bremsen.

Abseits der Autobahn macht die spitze Lenkung Lust auf Kurven, die rollwiderstandsoptimierten Michelin e-Primacy können der Einlenk-Intensität jedoch mangels Grip nicht folgen. Der Tesla untersteuert, kündigt dies aber mit nachlassenden Haltekräften in der Lenkung an.

Blind im Assistenzdickicht

So ergibt sich ein etwas videospielartiges Handling, das recht schnell sättigt. Beachtlich: wie feinfühlig der Tesla Model 3 auch im Nassen seine Kraft an alle vier Räder verteilt. Die grobschlächtige ESP-Regelung im doppelten Spurwechsel passt da nicht so recht dazu und bringt mit ruckartigen Eingriffen viel Unruhe ins Auto.

Luftiges Cockpit mit toller Sicht nach vorn dank flacher Haube. Die Sitze bieten jedoch nur wenig Halt.

Noch schlechter wird es bei der Fahrassistenz, die neben den bei Tesla üblichen Phantombremsungen bei aktiviertem Abstandstempomaten zu weiteren Eigenheiten neigt. Schon in den letzten Jahren begann das Unternehmen, auf Ultraschallsensoren und Radarsysteme zu verzichten, stattdessen übernehmen Kameras die gesamte sensorische Arbeit. Das Ergebnis: kaum Warnungen bei sich nähernden Hindernissen beim Parken und der stets garantierte Ausfall von ACC und Spurhalter bei Gischt auf der Straße. Bei trockenen Bedingungen kann man den Lenkassistenten mit der Steuerung beauftragen, muss aber regelmäßig als Anwesenheitsnachweis leicht am Lenkrad zupfen. Berühren reicht nicht, da sich Tesla ein kapazitives Lenkrad spart. Zupft man nicht, gibt es einen digitalen Strich auf der Liste, bei fünf "unsachgemäßen Nutzungen" wird der Assistent für eine Woche gesperrt.

Legal? Scheinbar

Noch Fragen? Durchaus. Wie kommt man auf die Idee, die Blinker auf zwei übereinanderliegende Tasten auf der linken Lenkradspeiche zu legen? Für jede Aktivierung muss der Blick auf das Lenkrad gerichtet werden. Logik? Laut Tesla wie beim Lenkstockhebel: nach oben für rechts, nach unten für links. Eine gute Eselsbrücke, die jedoch nichts daran ändert, dass eine solche Radikal-Maßnahme erst gar keine Zulassung bekommen sollte.

Aber nicht nur den linken, sondern auch den rechten Lenkstockhebel spart sich Tesla mit dem Facelift: Fahrstufen werden via Touchscreen oder einem kapazitiven Feld am Dachhimmel gewählt – ein weiteres funktionales Unding. Andere Grundfunktionen wie die Scheibenwischer-Bedienung und das Fernlicht wanderten ebenfalls ans Lenkrad, genauere Einstellungen müssen in kleinteiligen Menüs am Zentral-Screen getätigt werden. Der reagiert ungemein fix, sortiert seine vielen Funktionen, Spiele und Gadgets in flachen Menüs, jedoch auf zu kleinen Schaltflächen, die während der Fahrt nur schwer zu treffen sind. Immerhin lässt sich die Schrift vergrößern.

Apple CarPlay und Android Auto fehlen im Tesla-Infotainment.

Die Laderoutenplanung plant nur Stopps an Tesla-eigenen Säulen ein und wählt manchmal unsinnige Strategien mit Ladestopps bei 30 Prozent und mehr, obwohl eine spätere Säule besser passen würde. Immerhin aber stimmt nun der Qualitätseindruck: weiches Kunstleder in allen Türen, saubere Verarbeitung. Geht doch, Tesla! Na ja fast, die vorderen Türen sitzen eher schlecht als recht. Dazu gibt’s große Ablagen, eine ausziehbare Sonnenschutzblende und einen großen Frunk.

Gedämpfte Hoffnung

Einen solchen bietet auch der Polestar 2, der hier als Performance-Modell antritt. Der reguläre Dual-Motor hätte besser gepasst, war aber nicht verfügbar. Dafür glänzt der Polestar direkt bei den Fahrleistungen und im Handling. Trotz nominell geringerer Spitzenleistung spurtet er noch kräftiger als der Tesla, bremst mit seiner Brembo-Anlage besser, wenn auch nicht brillant. Was er dem Tesla so richtig voraushat: Handling.

330 km weit kommt der Polestar 2 im Testmittel.

Das geht weniger von seiner etwas seichten, gefühlsarmen, aber zumindest hinreichend präzisen und linearen Lenkung aus, die sich vom Modus "Gering" hin zu "Standard" und "Fest" verstellen lässt, ohne dass sich am geringen Lenkgefühl etwas ändert. Vielmehr sind es sein Öhlins-Fahrwerk und die leicht heckbetonte Abstimmung der beiden E-Motoren sowie das hohe Gripniveau der Sport-Contis, die den Polestar wie einen Fels in die aufbrandenden G-Kräfte betonieren. Die Seitenneigung ist gering, das Griplevel hoch, und mit etwas Strompedal-Einsatz und aktiviertem Sport-ESP drängt das Heck zart am Kurvenausgang.

Das klassischer aufgebaute Cockpit lässt sich viel einfacher und sicherer bedienen als das des Tesla.

Trotz heftiger 300 kg Mehrgewicht fährt der Schwede dynamischer als das Model 3. Das Erlebnis bleibt mangels Kommunikation und Antriebs-Emotion indes ein steriles. Die Brembo-Anlage bringt zusammen mit der Rekuperation kein saubereres Bremspedalgefühl zustande, das Fahrwerk fängt erst ab 100 km/h mit der Arbeit an, darunter bockt und buckelt es über Gullydeckel und Bahngleise.

Die Assistenz des Polestar 2 LR Performance ist deutlich funktionaler und allwettertauglicher als jene des Tesla Model 3 Max. Reichw., leistet sich hier und da aber Fehler. Bei Nacht schaffen es die Parkkameras nicht, sich an die Lichtverhältnisse anzupassen, was zusammen mit der mäßigen Übersichtlichkeit für wenig Freude beim Rangieren sorgt. Innen umbaut der Zweier den Fahrer viel mehr als der luftige Tesla und bietet ein traditionelleres Cockpit mit viel ablenkungsärmerer Bedienung.

Ein großer Aufsteller bietet Gepäckschutz in Kurven.

Es gibt Tasten, Lenkstockhebel und einen Screen mit großen Bedienflächen, leicht zu deaktivierende Assistenz und wie im Tesla eine gute, wenn auch nicht außerordentlich talentierte Sprachsteuerung. Die Nappaledersitze stützen passabel und sind weniger rutschig als die Integralsitze des Tesla, aber auch etwas machtlos gegen das G-Kraft-Potenzial des Skandi-Chinesen. Während die Karosserie wertiger zusammengesetzt wirkt, verbaut Polestar mehr Hartkunststoff, zudem quietschte zeitweise die Rückbank im Testwagen. Genial: der praktische Aufsteller mit Haken und Bändern im Kofferraum. Und obwohl der Polestar seit dem Facelift kein Stromfresser mehr ist, kommt er nicht gegen die Effizienz des Tesla an.

Zum ersten Mal Testsieger

22,7 kWh/ 100 km – nicht viele E-Autos fahren sparsamer als das Tesla Model 3 Long Range, das zusammen mit dem Polestar bei recht kühlen Temperaturen antreten musste.

Mit der viel besseren Bedienung, besseren Fahrleistungen und feinerem Handling fährt der Polestar dem Tesla in der Eigenschaftswertung noch davon. In der Umweltwertung sticht dann aber die Effizienz des Model 3, und bei den Kosten wechselt der Tesla – nach Suchen der Blinkertaste – auf die Überholspur. Denn er kostet mit umfangreicher Ausstattung samt beeindruckend klingendem Soundsystem, Vierfach-Sitzheizung, Sitzlüftung, Fahrassistenz, Matrix-LED-Licht und Wärmepumpe nur 49 990 Euro. Der Polestar kommt viel teurer, ist aber nicht komfortabler oder wertiger als der Tesla, der sich zum ersten Mal einen Testsieg holt. Er tut dies als gereiftes, in einigen Bereichen hochtalentiertes, in anderen aber an den Grenzen der Zumutbarkeit operierendes E-Auto.

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Fazit

1. Tesla Model 3
579 von 1000 Punkte
2. Polestar 2
576 von 1000 Punkte
Technische Daten
Tesla Model 3 Maximale Reichweite Long RangePolestar 2 Long Range Dual Motor Performance Performance
Grundpreis49.990 €65.275 €
Außenmaße4720 x 1850 x 1441 mm4606 x 1859 x 1473 mm
Kofferraumvolumen594 bis 1306 l405 bis 1095 l
Höchstgeschwindigkeit201 km/h205 km/h
0-100 km/h4,7 s4,2 s
Verbrauch0,0 kWh/100 km0,0 kWh/100 km
Testverbrauch22,7 kWh/100 km26,3 kWh/100 km
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 14 / 2024

Erscheinungsdatum 20.06.2024

148 Seiten