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Seat Leon 1.4 TSI gegen VW Golf 1.4 TSI
Wackelt der León am Golf-Thron?

Nahezu identische Technik, mehr Leistung und dabei immer noch deutlich günstiger als der 18 PS schwächere VW Golf – der Seat León 1.4 TSI mit 140 PS scheint wesentlich attraktiver zu sein. Wir fuhren beide Modelle im Vergleichstest.

Seat León 1.4 TSI, VW Golf 1.4 TSI, Frontansicht
Foto: Hans Dieter Seufert

Nur für den Fall, dass dem Seat-Marketing oder den Händlern noch ein schlagendes Kaufargument für den neuen León fehlt – wie wäre es mit: „Der neue VW Golf – nur bei uns mit richtigem Handbremshebel“? Der wurde nämlich im Golf durch eine Taste ersetzt, während der León der klassischen Variante treu bleibt – in Zeiten von Manufactum- und Landlust-durchtränkter Rückbesinnung auf alte Werte vielleicht gar keine schlechte Idee. Und der Golf als Referenz zieht ebenfalls ganz gut.

Wie in der Vergangenheit teilen sich die beiden Konzernbrüder auch in der neuesten Generation die Technik, bedienen sich also aus jenem Großbaukasten, der Gewicht und Kosten minimieren sowie das Raumangebot vergrößern soll. Tatsächlich fällt der León etwas höher und länger, der neue VW Golf VII dagegen sechs Millimeter breiter aus. Der Seat bietet daher trotz seines eigenständigen Designs mit flacher stehender Frontscheibe und schwungvoller Dachlinie ähnlich großzügige Platzverhältnisse wie der VW. Das gilt natürlich auch für die Rückbank, wo beim Vorgänger der Dachhimmel groß gewachsenen Passagieren gerne etwas die Frisur plättete. Selbst beim Laderaumvolumen herrscht zwischen den Konzerngeschwistern nahezu Gleichstand, nur der Maximalwert differiert um 60 Liter zugunsten des kastigeren VW Golf-Hecks. Es erleichtert das Beladen zudem mit der niedrigeren Ladekante sowie der größeren Öffnung.

VW Golf trägt das teurere Navisystem

Platzwechsel auf den Fahrersitz, schließlich soll der León nach dem Selbstverständnis der Marke hier am meisten Laune machen. Bei der Einrichtung im Vergleichstest fällt auf, dass die Spanier im Konzerngefüge Audi zugeordnet werden. Sowohl die kleinen Walzen im Multifunktionslenkrad als auch die seitlich von Tacho und Drehzahlmesser angeordneten Balkengrafiken für Tankvolumen und Motortemperatur fanden bereits in diversen Ingolstädter Produkten Verwendung.

Andere Elemente wie beispielsweise das farbige Zentraldisplay mit brillanter Darstellung sowie die Bedienung des Navigationssystems mit berührungsempfindlichem Monitor finden sich wiederum auch im VW Golf VII. Dessen Monitor protzt im Vergleich mit einer 5,8 Zentimeter größeren Diagonale, schmälert allerdings das Budget um stolze 2.315 Euro. Selbst die kleinere Navi-Lösung kostet noch 965 Euro. Das Seat-System lotst den Fahrer schon für 650 Euro zum Ziel. Der nimmt dabei gerne ein paar Umwege in Kauf, denn sein Auto fühlt sich vor allem auf Straßen wohl, deren Erbauer Kurven für viel spannender erachteten als Geraden.

Doch wie geht das? Schließlich stecken alle Trümpfe unterm Blech des Golf – in der Theorie. Obwohl nur 122 PS stark, führt er seine Hinterräder an einer aufwendigen Mehrlenkerachse und bietet zudem ein Sport-Fahrprofil, das Dämpfer-, Lenkungs-, sowie Gaspedalkennung schärft (optional). Der León überlässt dagegen jegliche Adaptivität dem Fahrer und die aufwendige Achsen den Varianten mit mindestens 180 PS Leistung. Ein Nachteil im Vergleichstest?

Beim Fahrwerk ist der Spanier ganz dicht dran am VW Golf

Nein. Natürlich federt der Spanier vor allem leer weniger engagiert an, wogt nicht elegant über lange Wellen wie der Deutsche, sondern wippt kurz und sportlich nach. Andererseits wählten die Ingenieure das Setup nicht derart realitätsfern, dass es beispielsweise bei groben Unebenheiten polternd aus der Fassung geriete. Ihnen gelang eine straffe Grundabstimmung, die im Alltag nicht an den Nerven zerrt – und bei Beladung spürbar besser wird. Mit Ballast nähert sich der Seat dem souveränen VW Golf VII im Vergleichstest an, beide meistern selbst fiese Straßenschäden und dicht aufeinanderfolgende Verwerfungen mit einer Gelassenheit, die manchen Mittelklasse-Modellen fremd ist. Störendes Poltern aus den Radhäusern verkneifen sie sich ebenfalls, dafür knarzt der León deutlich aus dem Bereich der B-Säulen-Verkleidung.

Derartige Fehltritte leistet sich der Golf im Vergleich nicht, es herrscht Stille – und beeindruckende Perfektion bei der Materialauswahl. Ob nun der geneigte Kompaktwagen-Interessent bislang nur unter Qualen auf ein sanft öffnendes und edel lackiertes Fach in der Mittelkonsole sowie mit Stoff bezogene Armlehnen in den hinteren Türverkleidungen verzichten konnte, sei einmal dahingestellt. Der VW bietet es eben, der Seat nicht.

Satte Leistung zum günstigen Preis im León

Er ködert potenzielle Kunden stattdessen mit mehr Leistung zum günstigeren Tarif. So arbeitet zwischen seinen McPherson-Federbeinen die 140-PS-Variante des 1,4-Liter-TSI-Triebwerks. Der Vierzylinder entwickelt sein maximales Drehmoment von 250 Newtonmetern bereits bei 1.500 Umdrehungen und beschleunigt den Viertürer in 8,5 Sekunden von null auf 100 km/h. Anfahrschwäche und über Gebühr verzögerte Reaktionen auf Gaspedalbefehle sind ihm fremd, eine ordentliche Geräuschdämmung allerdings auch. Speziell beim Ausdrehen bis rund 6.400/min ärgert der Direkteinspritzer mit angestrengtem Dröhnen.

Im Golf herrscht selbst dann noch angenehme Ruhe; bei den im höchsten Gang ermittelten Messwerten herrscht im Vergleichstest dagegen nahezu Gleichstand. Ähnliche Zurückhaltung zeigt sich jedoch auch beim Temperament. Speziell beim Zwischenspurt in den oberen Gängen ist der VW dem Seat unterlegen, wenngleich die absolute Leistung des kultivierten Vierzylinders völlig ausreicht – der zudem mit durchweg niedrigeren Verbrauchswerten punktet.

Und bei der Fahrdynamik? Nein, langsam ist der Golf nicht, absolviert den ISO-Wedeltest sogar einen Fingerschnipp schneller. Das höhere Testwagen-Gewicht von 1,3 Tonnen stellt demnach keinen Nachteil für die Agilität dar. Übrigens: Damit liegt der Golf 35 Kilogramm unter einem vergleichbar ausgestatteten Vorgänger-Modell, beim Seat (1.256 kg) sind es gar 72 Kilogramm.

Sehr sicheres Fahrverhalten bei beiden

Vor dem Kurveneingang packt der León jedenfalls seinen Fahrer am Kragen, lenkt zackig ein und drängt bei höherem Tempo leicht mit dem Heck. Übertreibt es der Pilot in Sachen Lenkeinschlag und Geschwindigkeit, beginnt der Fronttriebler über die Vorderräder zu schubbern, bevor das ESP sensibel regelnd Schlimmeres verhindert – eine Linie, die der Golf von vornherein einschlägt. Alles so schön sicher hier, unspektakulär, aber eben auch nicht langsam. Provokationen durch wilden Gas- oder gar Handbremseinsatz schieben beide im Vergleichstest durch das nicht deaktivierbare ESP generell einen Riegel vor.

Das gelungene Test-Debüt des neuen León darf dagegen sehr wohl als kleine Provokation verstanden werden, denn die Punkte-Differenz fällt denkbar gering aus – als Verkaufsargument sicher auch ganz brauchbar.

Erstmals Voll-LED-Licht in der Kompaktklasse

Für 1.190 Euro bietet Seat für den León in der Variante Style Voll-LED-Scheinwerfer an, die gegenüber Xenonlicht eine bessere Fahrbahnausleuchtung bei geringerem Energieverbrauch ermöglichen sollen. Derzeit offeriert kein anderer Hersteller diese Technologie in der Kompaktklasse. Zum großen Licht-Test kam der León dennoch zu spät, dafür erfahren Sie hier mehr über aktuelle Scheinwerfer-Systeme.

Fazit

1. VW Golf 1.4 TSI Highline
517 von 1000 Punkte

Seinen Aufpreis rechtfertigt der VW durch mehr Platz, ein niedrigeres Geräuschniveau, edlere Materialien und geringere Unterhaltskosten.

2. Seat León 1.4 TSI Style
506 von 1000 Punkte

Schön, dass beim agilen Seat das eigenständige Design nicht mehr durch funktionale Nachteile erkauft wird. Die Perfektion des Golf erreicht er jedoch nicht.

Technische Daten
VW Golf 1.4 TSI HighlineSeat Leon 1.4 TSI Style
Grundpreis24.350 €21.240 €
Außenmaße4255 x 1799 x 1452 mm4263 x 1816 x 1459 mm
Kofferraumvolumen380 bis 1270 l380 bis 1210 l
Hubraum / Motor1395 cm³ / 4-Zylinder1395 cm³ / 4-Zylinder
Leistung90 kW / 122 PS bei 5000 U/min103 kW / 140 PS bei 4500 U/min
Höchstgeschwindigkeit203 km/h211 km/h
0-100 km/h9,5 s8,5 s
Verbrauch5,2 l/100 km5,2 l/100 km
Testverbrauch7,4 l/100 km7,8 l/100 km
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Erscheinungsdatum 03.07.2024

148 Seiten