Während ich am Porsche-Entwicklungsstandort in Welcherath nahe dem Nürburgring die Messtechnik in den Taycan Turbo GT für den Supertest einbaue, erhebt in der Werkstatt plötzlich eine der größten Porsche-Ikonen aller Zeiten ihre Stimme. Gänsehaut pur, als der V10-Saugmotor des Porsche Carrera GT mit hochemotionalem Aufschrei erwacht. Bei mir führen diese Momente immer wieder zu der Frage: Werden wir Elektro-Sportler irgendwann auch mal ähnlich emotional empfinden, oder ist das schlichtweg nicht möglich?
Parallel zu der Endphase der Reifenneuentwicklung für den Carrera GT, der mein absolutes Traumauto ist, tritt heute der Taycan Turbo GT an – nach dem Hyundai Ioniq 5 N erst das zweite Elektroauto im Supertest überhaupt. Warum es bisher nicht mehr E-Supertests gegeben hat? Speziell die Nordschleife deckt die sportlichen Schwächen der E-Mobilität gnadenlos auf. Daher sind Hersteller immer noch sehr zurückhaltend, E-Autos für den Supertest zu stellen.
Der Taycan Turbo GT biegt mit einem SOC (State of Charge) von 93 Prozent und einer ideal temperierten Batterie in die Sabine-Schmitz-Kurve ein. Bei langen Rennstrecken, wie beispielsweise der Nordschleife, liegt die optimale Starttemperatur seiner Batterie bei 13 Grad Celsius. Bei kürzeren Strecken kann die Temperatur auch etwas höher gewählt werden. In Hockenheim lag die Starttemperatur vor der schnellen Runde bei 18 Grad Celsius. Durch die Aktivierung des Rundstreckenmodus wird die Vorkonditionierung automatisch geregelt. Das Zentraldisplay informiert über den jeweiligen Temperaturstand.

Der Porsche Taycan Turbo GT löst den Hyundai Ioniq 5N als schnellstes Elektro-Auto im Supertest ab.
Wilder Taycan-Zweisitzer
Unabhängig, ob Verbrenner oder Elektro – ich finde, verrückte Entwicklungsprojekte sind das Salz in der Automobilsuppe. Mit dem Taycan Turbo GT hat Porsche das derzeit ernsthafteste Elektro-Konzept aus sportlicher Sicht auf die Räder gestellt. Was einst als viersitzige Limousine mit sportiven Zügen geboren wurde, hat spätestens in der Ausprägung als Taycan Turbo GT mit optionalem Weissach-Paket sportwagenähnlichen Charakter angenommen. Durch den Entfall der Rücksitze mit Weissach-Paket wird der Taycan auch im Fahrzeugschein offiziell zum Zweisitzer.
Nicht nur die Anzahl der Sitzplätze, sondern auch die Maßnahmen zur Gewichtsreduzierung lesen sich fast wie jene im Lastenheft von GT3 RS und Co. Durch die serienmäßigen CFK-Vollschalensitze und verschiedene Reduzierungsmaßnahmen konnte das Gewicht des Taycan Turbo GT ohne Weissach-Paket verglichen mit dem Taycan Turbo S bereits um 75 kg gesenkt werden. Gegenüber dem Taycan Turbo GT ohne Weissach-Paket wiegt die Variante mit Weissach-Paket nochmals 70 kg weniger.
Der Verzicht mit Weissach-Paket im Detail: Entfall Hintersitzanlage (minus 22 kg), Entfall Rohbauumfänge für Hintersitzanlage (minus 11,4 kg), Ladedose einseitig mechanisch (minus 5 kg), Entfall Dämmung (minus 12 kg), reduziertes Soundsystem (minus 8,9 kg), Leichtbauglas seitlich hinten (minus 2,3 kg), mechanische Verstellung Lenksäule (minus 1,8 kg), Entfall Powerliftgate Heckdeckel (minus 1 kg), verkleinerter Wischwasserbehälter (minus 3 kg), diverse Einzelmaßnahmen (minus 2,6 kg). Klingt super, aber trotzdem wiegt der Taycan Turbo GT mit Weissach-Paket im Serienzustand 2.226 kg. Für die Rundenzeit auf der Nordschleife und in Hockenheim wurde aus Sicherheitsgründen ein Testfahrzeug mit nicht serienmäßigem Überrollkäfig und Rennschalensitz genutzt. Mit 2.240 kg wog dieser Testwagen sogar noch etwas mehr, obwohl das Interieur hier zur Gewichtskompensation bis aufs nackte Blech ausgeräumt wurde.

Gewichtsreduktion wo es nur geht - im Vergleich zum Taycan Turbo GT mit Weissach-Paket, spart unser Testwagen zusätzlich 75kg ein.
Das erste Elektroauto im Supertest, der kompaktere Hyundai Ioniq 5 N, war mit 2.194 kg nicht viel leichter als der größere Taycan. Auch im Vergleich zur BMW M5 Limousine (2.435 kg) haben die Taycan-Entwickler in puncto Gewicht im Rahmen des aktuell technisch Machbaren ihren Job gut gemacht. Warum der Extrem-Taycan trotz Diät kein Leichtbau ist? Eines der größten Mankos von E-Fahrzeugen bleibt weiterhin das konzeptbedingte Mehrgewicht. Das Gewicht der einbaufertigen Hochvoltbatterie inklusive Batterierahmen, Batteriemanagement-System und Hochvoltverkabelung des Taycan Turbo GT liegt bei 625 Kilogramm.
Ungeachtet dessen staunt man, wie der Taycan Turbo GT sein Gewicht im Grenzbereich auf der Nordschleife verheimlichen kann. Kein Wunder, neben der ausgeglichenen Gewichtsverteilung von 50:50 ist die tiefe Schwerpunktlage ein Vorteil des Elektrokonzepts. Der Schwerpunkt des Taycan Turbo GT liegt im Sport-Plus-Fahrprogramm circa 35 mm tiefer als der eines 992.1 Carrera S mit Sportfahrwerk. Auf den ersten Nordschleifen-Metern war ich zunächst aber auch überrascht, wie abgekoppelt sich der Taycan Turbo GT hier am Ring im Grenzbereich anfühlt. Reinsetzen, losfahren und schnell ans Limit vorstoßen – dieses Muster kennt man normalerweise von Porsche. Auf dem GP-Kurs von Hockenheim agierte der Taycan Turbo GT auch nach diesem Schema, nicht jedoch auf der Nordschleife. Hier braucht man mehr als drei Kurven, bis man sich im Grenzbereich wohlfühlt.
Für dieses abgekoppelte Gefühl ist vor allem die Rückmeldung der Lenkung verantwortlich. Während sie in langsamen bis mittelschnellen Kurven mit präziser Rückmeldung aus der Mittellage punktet, fühlt sie sich mit steigendem Tempo indirekter an. Bei hohen Geschwindigkeiten braucht man verhältnismäßig große Lenkwinkel, um das Fahrzeug ideal zu positionieren. Da es in Hockenheim kaum richtig schnelle Kurven gibt, fällt das jetzt erst in den schnellen Nordschleifen-Passagen richtig krass auf.
Der Hintergrund dieser Abstimmung ist klar: Die unverändert aus dem Taycan Turbo S übernommene Lenkung ist ein Kompromiss aus Sport und Komfort für den Alltag. Auf der Landstraße soll sie mit Präzision glänzen, während sie auf der Autobahn keine Nervosität in den Geradeauslauf bringen darf.

Faszinierendes Fahrwerk
Auf der Nordschleife hätte ich mir in schnellen Streckenabschnitten mehr Präzision in der Lenkung gewünscht. Das Extrem-Konzept Taycan Turbo GT hätte eine knackige Lenkung wie im 911 GT3 verdient. Der vergleichsweise große Lenkwinkelbedarf bei über 200 km/h, um die Ideallinie in Passagen wie im Kesselchen oder Bellof-S zu treffen, ist echt gewöhnungsbedürftig. Achtet mal im Onboard-Video darauf, wie stark man das Lenkrad drehen muss, damit der Taycan bei über 300 km/h in die Highspeed-Links an der Antoniusbuche einlenkt. Abgesehen von der Lenkung ist das Fahrwerk des Taycan Turbo GT faszinierend. Weder beim Beschleunigen oder beim Anbremsen noch beim Einlenken sind subjektiv Aufbaubewegungen der Karosserie spürbar. Einige Nordschleifen-Abschnitte erkennt man fast nicht wieder, da das Fahrwerk Bodenwellen unglaublich gut wegfiltert.
Wie funktioniert das Wunder-Fahrwerk? Der Taycan Turbo GT trägt serienmäßig das Dynamikpaket. Teil dieses Dynamikpakets ist das sogenannte Porsche-Active-Ride-Fahrwerk. Alle vier aktiven Dämpfer des Fahrwerks sind dabei zusätzlich mit einer Motor-Pumpen-Einheit verbunden. Sie übernehmen neben der Dämpferfunktion auch die Aufgabe von Stabilisatoren, daher können diese hier entfallen. Je nach Fahrzustand baut die Motor-Pumpen-Einheit die aktiven Stellkräfte an den Dämpfern bedarfsgerecht und blitzschnell auf. Dieses aktive Fahrwerk sorgt nahezu jederzeit für eine ausgewogene Verteilung der Radlasten und kompensiert quasi jegliche Nick- und Rollbewegungen.

Mit 6,4 Sekunden für den Sprint von null auf 200 km/h hat sich der Turbo GT den Rekord in der Testgeschichte geholt.
Für den Taycan Turbo GT haben die Dämpfer, die Allradregelung, die Quersperrenregelung und die Hinterachslenkung eine spezifische Abstimmung bekommen. Das Fahrprogramm Sport Plus ist laut Porsche deutlich neutraler abgestimmt als im Taycan Turbo S. Auf der Nordschleife überzeugt der Turbo GT mit weitgehend neutralem Fahrverhalten und guter Fahrstabilität. Anders als in Hockenheim bleibt die Bremsanlage hier gut dosierbar und unauffällig.
Neben der ausbalancierten Fahrwerksabstimmung hat der für den Turbo GT spezifisch entwickelte Sportreifen Pirelli P Zero Trofeo RS einen entscheidenden Anteil an der Performance. Mit Weissach-Paket trägt der Taycan zudem ein spezielles Aerodynamik-Konzept mit Luftleitelementen am Unterboden, einem speziellen Frontdiffusor und einem fest stehenden Heckflügel.
Und was kann der E-Antrieb des Taycan Turbo GT auf der Nordschleife? Bereits bei der Beschleunigungsmessung auf der Testpiste in Lahr wurde klar, dass es am Ring brachial vorwärtsgehen wird. Mit 6,4 Sekunden für den Sprint von null auf 200 km/h hatte sich der Turbo GT den Rekord in der Testgeschichte geholt. Keiner beschleunigte bisher schneller als der E-Porsche. Bei stehendem Start mit Launch Control liefert der Turbo GT wilde Leistungswerte – für zwei Sekunden 815 kW (1.108 PS) und für zehn Sekunden 760 kW (1.034 PS).

Mit 7.13,88 Minuten ist der Porsche Taycan Turbo GT die schnellste Power-Limo im Supertest. Zählz er damit zum harten Nordschleifen-Kern? Entscheidet bitte selbst.
Highlight: die Boost-Funktion
Im normalen Fahrbetrieb liegt die Leistung bei 580 kW (789 PS). Das Highlight des Taycan Turbo GT setzt dann ein, wenn man an der rechten Lenkradwippe zieht und den sogenannten Attack Mode mit seiner Boost-Funktion aktiviert. Für jeweils 10 Sekunden wird dann eine Zusatzleistung von bis zu 120 kW (163 PS) abgerufen. Macht dann insgesamt 700 kW (952 PS).
Auf 19 Streckenpassagen nutze ich den Boost während der schnellsten Nordschleifen-Runde. Gefühlt am Ausgang von jeder Kurve, auf die eine etwas längere Beschleunigungspassage folgt, zieht man an der rechten Lenkradwippe, um den Boost zu aktivieren. Nach Nutzung des Attack Mode dauert es vier Sekunden, bis der Boost erneut zur Verfügung steht. Um die Boostphasen auf der Nordschleife sinnvoll auszunutzen, kann der Boost vor Ablauf der zehn Sekunden durch erneutes Ziehen der rechten Lenkradwippe früher deaktiviert werden.
Während meiner Runden zeichnet Porsche sämtliche Daten auf und liefert anschließend eine präzise Auswertung. Die Tabelle auf Seite 20 verrät, an welchen Streckenabschnitten ich wie lange und wie effektiv auf meiner schnellsten Runde geboostet habe. Ergebnis: Attack Mode 141 Sekunden aktiv, Mehrleistung 116 Sekunden abgerufen. Das entspricht einer Attack-Mode-Ausnutzung von 82 Prozent auf der Runde. Fazit der Taycan-Entwickler danach: "In einer optimalen Strategie wären drei weitere Boostevents möglich gewesen."
Gar nicht so einfach, während man am Limit über die Nordschleife hetzt, die Boostphasen perfekt zu treffen. Eine Anzeige für die idealen Boostpunkte könnte den Einsatz noch optimieren. Je besser man die Boost-Funktion nämlich einsetzt, desto besser ist die Rundenzeit. Auch mit nicht ganz perfekter Boost-Strategie ist die Supertest-Runde in 7.13,88 Minuten für die Fahrzeugklasse des Taycan Turbo GT mehr als beachtlich. Der SOC danach war mit 50 Prozent ebenso im grünen Bereich wie die Batterietemperatur von 49 Grad Celsius.

Glühende Bremsscheiben! Während des Tests auf dem GP-Kurs in Hockenheim offenbarte die Keramikbremsanlage des Taycan Turbo GT deutliches Optimierungspotenzial.
Maximale Rundenanzahl
Und schafft der Porsche Taycan Turbo GT, genauso wie der Hyundai Ioniq 5 N, auch zwei Runden Nordschleife am Stück? Anders als der Hyundai, der dafür seine Leistung reduzieren muss, geht der Taycan Turbo GT mit unveränderter Leistung an den Start. Laut Porsche sollen zwei Runden mit einer Durchschnittszeit von 7.30 Minuten hintereinander möglich sein. Beim Selbstversuch fahre ich eine Rundenzeit von 7.37 Minuten in der ersten Runde und überquere in der zweiten Runde nach 8.01 Minuten die Ziellinie. Der SOC reduzierte sich während dieser beiden Runden von 88 auf 17 Prozent. Interessanter als der SOC ist die Entwicklung der Batterietemperatur. Vor diesen beiden Runden war die Batterie nicht ganz auf die optimale Starttemperatur von 13 Grad runtergekühlt. Wie wichtig eine vorab auf die ideale Temperatur gekühlte Batterie jedoch ist, zeigt sich eindrucksvoll auf der zweiten Runde. Mit einer Batterietemperatur von bereits 56 Grad Celsius geht der Taycan auf die zweite Runde.
Während auf der ersten Runde der Attack Mode komplett verfügbar war, kann ich in Runde zwei ab Hatzenbach nicht mehr boosten. Im Display leuchtet die Anzeige "Attack Mode nicht verfügbar" auf. Laut Porsche-Analyse setzt ab Metzgesfeld dann Leistungsderating ein. Die maximale Leistung liegt nun unter 580 kW (789 PS), die Leistungsrücknahme verläuft aber noch unauffällig. Ab Hohe Acht macht sich dann das Derating richtig bemerkbar. Die Leistungsrücknahme setzt im Rundstreckenmodus mit speziellem Kühlmanagement erst ab 65 Grad ein. Diese Grenze hat die Batterie aber jetzt erreicht. Im Display leuchtet die rote Warnmeldung "Batterieladung kritisch, Fahrleistung eingeschränkt" auf und das Tempo unter Volllast geht merklich zurück.
Ähnlich wie beim Hyundai Ioniq 5 N müssen auch beim Porsche Taycan Turbo GT für zwei wirklich vollwertige Nordschleifen-Runden sämtliche Parameter perfekt passen.
Porsche Taycan Turbo GT Turbo GT mit Weissach-Paket | |
Grundpreis | 241.100 € |
Außenmaße | 4968 x 1998 x 1378 mm |
Kofferraumvolumen | 367 l |
Höchstgeschwindigkeit | 305 km/h |
Verbrauch | 0,0 kWh/100 km |