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Porsche Cayenne Turbo GT im Test
So schnell ist Porsches Über-SUV wirklich

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Elefanten können nicht fliegen? Stimmt schon, aber allzu viel fehlt nicht mehr, wie dieses 640 PS starke, maximal auf Angriff gebürstete Exemplar beweist. Meine Damen und Herren, gehen Sie in Deckung vor Porsches neuem Cayenne Turbo GT!

Porsche Cayenne Turbo GT, Exterieur
Foto: Rossen Gargolov

Bislang haben wir uns die Existenz von Power-SUV immer damit zu erklären versucht, dass wir Leistungs-Junkies ja einen adäquaten Untersatz brauchen, um Kind und Kegel auch mal in den Urlaub zu karren – oder noch besser: unser heiß geliebtes Tracktool wochenends von Ring zu Ring.

Doch jetzt, wo wir’s uns gerade so schön gemütlich gemacht haben in unserer Illusion, kommt Porsche mit einer neuen Eskalationsstufe des Cayenne ums Eck, der das hübsch gemalte Weltbild böse ins Wanken bringt. Erstens: Die Sache mit dem Zugfahrzeug hat sich beim neuen Turbo GT erledigt, weil der Stammplatz der Hängerkupplung von einer fulminanten Titan-Abgasanlage eingenommen wurde. Und zweitens ist das, was in unserer Idealvorstellung immer huckepack hinterherfährt, nun in ihn gefahren. Und zwar buchstäblich.

Unsere Highlights

So grotesk es klingt, das Transportieren von GT-Werten ist hier nicht mehr im tatsächlichen, sondern im übertragenen Sinn zu verstehen, wobei – ganz wichtig – das Kürzel, das das Cayenne Turbo Coupé übrigens exakt 46.886 Euro teurer macht, nicht gleichbedeutend ist mit dem Prädikat "born in Flacht".

Die Streckbank der Emotionen

Wie man so hört, waren bei Porsche nicht alle gleich hellauf begeistert von der Idee, eine 2.233 Kilogramm schwere Muckibude mit einem Modellathleten zu verheiraten. Und sei es nur nominell. Andersrum wäre die Bezeichnung "Turbo S" in diesem Extremfall wohl zu kurz gesprungen. Nicht nur, dass sie wegen des entsprechenden E-Hybrids bereits mit Grünzeug kontaminiert ist, auch weil dieser Cayenne tatsächlich weiter geht als alle zuvor. Die Leistung verbleibt mit 640 PS zwar unterhalb des Öko-Boosters, dafür ist der GT 390 Kilogramm leichter. Und eben: eine andere Hausnummer in der Konzeption. Eine ganz andere.

Wobei der sportliche Kontext schon auch eine Frage der Perspektive ist. Wer aus den reinrassigen GT-Modellen emporklettert, wird von den konträren Eindrücken erst mal auf die Streckbank gespannt. Einerseits die dünne Höhenluft und der viele Schnickschnack überall, andererseits eine gewohnt fesselnde Ergonomie und reichlich Alcantara – der Stoff, aus dem die Träume sind. Bloß die Kohlefaserleisten passen weder ins eine noch ins andere Bild: Unabhängig davon, dass es grundsätzlich Quatsch ist, Leichtbaumaterial irgendwo obendraufzupappen, sehen die Dinger auch noch so aus, als hätte man sie zusammen mit zwei Sack Rindenmulch von der Wochenendtour durch den Baumarkt mitgebracht – finde ich.

Porsche Cayenne Turbo GT, Exterieur
Rossen Gargolov
17 mm Tieferlegung und ein Carbondach senken den Schwerpunkt.

Egal, es bleibt die einzige Oberflächlichkeit eines Autos, dessen Besonderheit in die Tiefe geht. Allen Unkenrufen zum Trotz war der Turbo GT nämlich keine Kurzschlussreaktion auf den vorübergehenden Nordschleifen-Rekord des Audi RS Q8. Nein, das Schlachtross war von langer Hand geplant: offenbar als Frontalangriff auf das fahrphysikalische Manifest.

Um einen SUV sportlich zu machen, muss man seine Masse kontrollieren. Das ist das Rezept und die einzige Chance. Im Grunde ist es also genau wie im echten Leben: Wenn man den Wanst nicht wegbekommt, dann muss man wenigstens alles tun, damit er nicht bemerkt wird. Und dafür hat man diesem Cayenne sämtliche Hebel verlängert, gestärkt oder in Bewegung gesetzt: 17 mm Tieferlegung und ein Carbondach senken den Schwerpunkt, die Dreikammer-Luftfederung wurde um bis zu 15 Prozent versteift, das Zusammenspiel der Fahrdynamiksysteme bekam eine offensivere Ausrichtung, die Raddimensionen wuchsen in Größe und Breite.

Aber wissen Sie, was das Beste an all den Mosaiksteinchen ist? Dass man ihr Gesamtbild nicht erst aus dem vielen Drumherum herausbuddeln muss. Klar, anders als in den richtigen GT fühlt sich so eine S-Bahn-Unterführung hier nicht automatisch nach Fuchsröhre an, dafür ist der Sitz zu couchig, das Ansprechverhalten zu dumpf und der Kraftfluss zu geschmeidig. Dennoch trieft dem Cayenne die Motivation aus allen Ritzen: Der leichte Synthetikschleier in der Lenkung, der das reguläre Turbo Coupé umweht, weicht einem permanenten Fahrbahnkribbeln, der Antritt geht spürbar in den Hintern, ja selbst die Achtstufenautomatik, die mit ihrem Wandler eigentlich der Weichmacher inmitten eines gestählten Antriebs ist, selbst die wirkt schon im D-Programm auf reizvolle Weise angespannt. Sie schaltet zwar eifrig hoch, schnalzt beim Abbremsen aber sofort in den optimalen Gang zurück, schließlich kann man bei einem Cayenne dieser Ausprägung nie wissen, ob sich der Fahrer gerade auf den perfekten Exit vorbereitet oder nur für die Einfahrt zum Getränkemarkt.

Porsche Cayenne Turbo GT, Motor
Rossen Gargolov
Der vier Liter große Biturbo-Achtzylinder presst die vielen Kilos in die Leistungsgewichtsklasse eines BMW M2 CS.

Wie war das? Sie lesen Begeisterung aus diesen Zeilen? Gehört sich nicht, ich weiß, ist in diesem Fall aber nicht zu leugnen. Denn so unsinnig das aus der Ferne auch erscheint, so stimmig wirkt es, wenn man drinsitzt.

Und das liegt mitunter daran, dass Porsche bei der Jagd nach Fahrdynamik nicht alles kurz und klein gehauen hat. Der Turbo GT mag der radikalste Cayenne einer 20-jährigen Modellgeschichte sein, aber er ist immer noch ein vollwertiger Cayenne: Klimaanlage und Infotainment sind ebenso gesetzt wie zwei Fondsitz­plätze, die Heckklappe öffnet auf Knopfdruck, es gibt den Offroad-Modus für den unwahrscheinlichen Fall der Fälle und gottlob sogar eine Wisch-Wasch-Funk­tion für die Rückfahr­kamera. Kurzum: Alle Annehmlichkeiten bleiben erhalten, was den Ertrag am Ende noch absurder macht.

Drahtzieher des Spektakels ist der vier Liter große Biturbo-Achtzylinder, der die vielen Kilos in die Leistungsgewichtsklasse eines BMW M2 CS presst. Und bei dringendem Bedarf: zu Wahnsinnswerten.

Antrieb auf scharf, PSM ausknipsen, festbremsen, Volllast. Erst schnaubt’s da vorn im Dickschädel, die Antriebsstränge bäumen sich gegen die Keramikbremse auf, noch kurz warten, bis der Ladedruckbalken bei 1,6 bar anschlägt, und ... Baboom! Man regis­triert noch, wie für einen kurzen Moment alle vier Räder schlupfen, dann wird das V8-Gewummer vom Fauchen der beiden Lader hinfortgefegt, der Kopf klatscht wie ein Semmelknödel gegen die Sitzlehne, ehe Dumbo abhebt und auf 100 fliegt – in eins, zwei, drei Komma vier Sekunden. Wobei ich mir gar nicht sicher bin, was am Ende beeindruckender ist: die geballte Kraft oder ihre epische Breite, die einem den fünften Gang von 50 bis über 250 km/h ausrollen kann.

Porsche Cayenne Turbo GT, Exterieur
Rossen Gargolov
Der GT toppt den Standard-Turbo um 90 PS und 80 Nm, was den 0–100-Wert um 0,5 Sekunden eindampft.

Der reicht in Hockenheim übrigens gerade so, woran sich dann auch ablesen lässt, in welche Richtung das hier geht. Aber seien Sie versichert: Wo es hinführt, ahnen Sie nicht. Logisch, Name und Machart stellen den Cayenne von Haus aus unter Rekordverdacht, der vom Fahrwerk sogar noch erhärtet wird. Es arbeitet zwar auch in den strafferen Dämpferstufen nie zu resolut, seine Unfähigkeit, die Achsen zu verschränken, zeigt jedoch, dass es hier nicht um Zuneigung geht, sondern ausschließlich um Körperkon­trolle. Sie wissen ja: Das Fett darf keinesfalls in Wallung geraten, sonst geht der Cayenne den Weg des Irdischen. Und der führt irgendwann wohin? Den Bach runter, genau!

Doch so weit kommt es nicht. Beim Einlenken muss man noch kurz zügeln, damit einem der riesige Rucksack nicht über die Schultern rutscht. Aber sobald die kinetische Energie von den stärker ins Negative gestürzten Vorderrädern abgefangen ist, reißt’s den Brocken innerlich am Riemen. Die elektromechanischen Stabilisatoren wringen Rollbewegungen heraus, Quersperre und Allradverteilung biegen das Antriebsmoment in Lenkrichtung, sodass man die Masse quasi mit dem Gaspedal durch Kurven kneten kann. In der Spitzkehre verkantet der Schub bisweilen noch im Selbstschutzmechanismus, den rest­lichen Ring jedoch, den scheinen sich die 850 Nm einfach zurechtzubiegen.

Es rappelt in der Liste

Porsche Cayenne Turbo GT, Exterieur
Rossen Gargolov
Mit seiner Rundenzeit hat der Turbo GT die Frage nach der Rechtfertigung für die gewagte Buchstabenkombination auf eindrucksvolle Art beantwortet.

Und so wütet das Dickschiff dann durchs Motodrom, vertäut sich in der "Sachs", segelt die Senke hinunter, ehe es im Vierrad-Slide auf die Start-Ziel-Gerade hinausballert, um schließlich derart weit oben in unserer Besten­liste einzuschlagen, dass die Weltbilder reihenweise von den Wänden purzeln. 1.55,1 Minuten! Damit landet der Turbo GT nur ein halbes Sekündchen hinter dem 718 Cayman GT4. Und einen Volltreffer zwischen die Augen der Pauschalkritik.

Allerdings hängt die Sensationszeit schon auch kausal mit den Reifen zusammen, mit hoch spezialisierten Corsa-Pirellis, die das an sich so gelungene Gleichgewicht aus SUV hier und Performance da so ein bisschen in Schieflage bringen. Sicher, der Turbo GT zielt volle Kanne auf Performance ab, und das kannst du dann natürlich nicht mit irgendeinem Linglong-Allwetterreifen zugrunde richten, verstehen wir. Was schwer zu verstehen ist: Dass die Semislicks nicht nur serienmäßig, sondern alternativlos sind, also dass es keine Allround-Option für den Kind-und-Kegel-Urlaub gibt. Zumal – und jetzt kommt’s – sie drüben in der Abteilung 911 die Sportreifen gerade aus sämtlichen Carrera- und Turbo-Modellen verbannt haben, da die Nachfrage ins Unbedeutende tendiert. Und auch wenn man’s zwischenzeitlich vergessen könnte: Hier reden wir von einem SUV!

Fazit

Der Cayenne Turbo GT sollte die Kräfteverhältnisse im SUV-Segment aus Porsche-Sicht wieder geraderücken, hat die untere Hälfte des Sportwagenregals dabei aber gleich mal mit abgeräumt. Die Frage nach der Recht­fertigung für die gewagte Buchstabenkombination ist jedenfalls auf eindrucksvolle Art beantwortet. Und doch kommen wir aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus.

Technische Daten
Porsche Cayenne Coupé Turbo GT Turbo GT
Grundpreis205.003 €
Außenmaße4942 x 1995 x 1636 mm
Kofferraumvolumen549 bis 1464 l
Hubraum / Motor3996 cm³ / 8-Zylinder
Leistung471 kW / 640 PS bei 6000 U/min
Höchstgeschwindigkeit300 km/h
Verbrauch11,9 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten