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Porsche Cayenne S (2018) im Test
Überzeugt die 3. Generation des Premium-SUV?

Die Karriere des Porsche Cayenne ist von Sonne beschienen. 770.000 SUV aus zwei Generationen fahren durch die mondänen Teile der Weltgeschichte. Nun kommt der neue und kann alles besser. Nur stellt sich diesmal die Frage, ob das reicht.

Porsche Cayenne S, Exterieur
Foto: Hans-Dieter Seufert

Waren wir nicht schon mal so weit? Kann das so weitergehen? Nein, das meinen wir nicht geografisch, die Gegend hier kennen wir schon lange – wobei: Wie sich die Straße nach dieser Rechtskurve in die Tiefe stürzt, als hielte sie sich für eine Achterbahn, überrascht uns nach all den Jahren jedes Mal aufs Neue. Im Gegensatz zum Cayenne – womit wir wieder am Anfang wären. Denn was der SUV hier aufführt, versetzt uns zurück ins Jahr 2002, ans Lenkrad des ersten Cayenne.

Der zeigte damals, dass ein Geländewagen wie ein Porsche fahren kann. Zwei Generationen und 770.000 Exemplare später: Auftritt Cayenne III, der in allem, worin seine Vorgänger hervorragend waren, noch besser ist. Deswegen wird es gleich viel zu loben geben in diesem Test. Nur: Dabei wird es nicht bleiben können.

Wer Clan, der kann

Der Cayenne war immer eng mit dem VW-Clan verbandelt, teilte sich das Unterzeug mit VW Touareg und Audi Q7. Inzwischen zählt auch der Bentley Bentayga zu seinen Patchwork-Geschwistern und an sich auch alles andere neue Längsmodulierte aus dem Konzern – A7, A8, und wenn es um Motor und Getriebe geht, der RS 4.

Das sind mehr Überschneidungen als zuvor. Doch bisher gelang es den Technikern, das Eigenständig-Porschige zu bewahren – und dem Cayenne mehr Alltagsgeschicklichkeit einzukonstruieren als allen anderen Modellen aus Zuffenhausen. Auch die 6,3 Zentimeter längere Neuauflage bringt zweckmäßige Ummöblierungsmöglichkeiten mit. So kann die Rücksitzbank 16 Zentimeter längsrücken, ihre Lehnenneigung bis zu einer steilen Cargo-Stellung variieren. In der Mitte eröffnet sich eine breite Durchreiche, oder die Lehne klappt gleich komplett zu einer sacht ansteigenden Ladefläche um.

Porsche Cayenne S, Exterieur
Hans-Dieter Seufert
Damit das mit dem Staubaufwirbeln klappt, verteilt der Allrad die Kraft per elektronisch geregelter Lamellenkupplung.

Für diese Maßnahmen muss man allerdings viel ums Auto laufen, immer Fondtür auf, Hebel ziehen, noch ein wenig nachdrücken. Das wirkt alles etwas umständlich, bedenkt man, dass bei anderen Autos diese ganze Klapperei vom Laderaum aus fernentriegelt oder gar einfach über einen Berührungsbildschirm gelingt.

An Raumfülle herrscht auch ohne die Umräumerei kein Mangel. 655 bis 1.710 Liter packt der gut nutzbare Kofferraum. Im Fond schafft der Cayenne herrschaftliche Platzverhältnisse wie in der Luxusklasse. So reist es sich überaus bequem auf den gut konturierten Außensitzen – und eher nicht so bequem auf dem platten, hart gepolsterten Mittelsitz.

Ins Cockpit räumt Porsche adaptive Sportsitze, welche zur Gesamtsumme von 36.479,45 Euro für Extras 1.987,30 Euro beitragen – und einen durchaus größeren Anteil zum Komfort als der ähnlich teure Dachhimmel in Alcantara, der 1.666 Euro kostet. Ein erstaunlicher Preis, da es wegen des Glasdachs (2.011,10 Euro) so viel Dachfläche doch nicht zu behimmeln gibt. Wobei es zur Folklore bei Porsche-Tests zählt, über die Kosten für Extras zu zetern. Dabei wird ja keiner gezwungen, etwa die seidenglänzenden 21-Zoll-Designräder inklusive Radhausverbreiterung in Wagenfarbe wie beim Testwagen für 4.052 Euro zu bestellen. Und alle, die sie dennoch ordern, dürfte das wiederum kaum in die Armut reißen.

Jedenfalls sitzt es sich – da waren wir eigentlich – auf den Sportsesseln hervorragend, dazu innig ins Cockpit integriert. Dieses richtet sich im aktuellen Architekturstil der Marke ein, der Traditionelles wie den Zündknubbel links oder den analogen Drehzahlmesser als Zentrum von fünf Anzeigen mit digitalisierten Nebenanzeigen für konfigurierbare Inhalte, Infotainment-Touchscreen und Tastflächen verbindet. All das sieht modern aus – wie bei diesen überaufgeräumten Schöner-wohnen-Häusern, bei denen man sich fragt, wo die Leute eigentlich den Staubsauger und das Altglas hinräumen.

Beim Cayenne geht es um das Auffinden von Assistenzsystemen, Radiosendern oder des Stoppuhr-Reset. All das folgt hier derselben, teils schwer ergründlichen Systematik wie im Panamera, der allerdings hochwertiger eingerichtet ist. Unabgedeckte Becherhalter vorn und in der hinteren Mittelarmlehne, das fummelige Laderaumrollo oder das leise Knirschen am Schiebedachrahmen – all das erweckt nicht den Eindruck der Güte und Unerschütterlichkeit, die in dieser Klasse erwartet und von Porsche sonst geliefert wird.

Immer schön waagrecht

Doch bevor wir uns in Details verlieren, kümmern wir uns lieber um das Große, das Ganze. Das verstanden sie bei der Entwicklung des Cayenne in der Steigerung von Effizienz, Vehemenz, Handling und Komfort. Dafür bekam der Neue eine leichtere und verwindungsfestere Rohkarosserie in Alu-Stahl-Mischbauweise. Dach, Kotflügel, Motorhaube und Heckklappe bestehen aus Aluminium. Und da ein Lithium-Eisen-Polymer-Starter-Akku die zehn Kilo schwerere Bleibatterie ersetzt, wiege der Cayenne trotz größerer Abmessungen und reicherer Ausstattung 65 Kilo weniger als sein Vorgänger, sagt Porsche. Ja nun, sagen wir, 2.195 Kilo zeigt unsere Waage beim Testwagen an – exakt ein Kilo weniger als der letzte Cayenne S der Vorgänger-Generation, der bei uns zum Test war.

Wobei es den Ingenieuren stets gelang, dem massigen Cayenne mit brillanter Technik beim Fahren eine erstaunliche Leichtigkeit zu verschaffen. Um die noch zu steigern, bekommt der SUV die aus dem Panamera bekannte Vierradlenkung. Bis 80 km/h und maximal drei Grad lenken die Hinterräder entgegen den vorderen ein, steigern so die Handlichkeit. Bei höherem Tempo lenken sie parallel, das fördert die Kurvenstabilität.

Um die kümmert sich auch die aktive Wankstabilisierung: Statt wie bisher elektrohydraulisch funktioniert sie nun elektromechanisch und sichert die Balance. Allerdings nutzt der Cayenne das 48-Volt-System nur dafür, während es bei Audi für bis zu 40 Sekunden die Energieversorgung sichert, wenn der Motor im Schiebebetrieb zur Effizienzsteigerung ausgeknipst wird.

Die Stabilisatoren selbst sind geteilt und durch einen Schwenkmotor verbunden. In Kurven verdreht der Motor die Stabi-Hälften gegenein- ander, wirkt so der Seitenneigung des Aufbaus entgegen. Bis 0,8 g Querbeschleunigung kann das System die Seitenneigung ganz unterdrücken.

Nur darum geht es: Kurven

Schließlich hätten wir noch die Dreikammer-Luftfederung mit adaptiver Dämpferanpassung, Allradantrieb mit Torque Vectoring sowie neue wolframkarbidbeschichtete Bremsscheiben für noch vehementere Verzögerung bei geringerem Verschleiß. Insgesamt ein enormer Aufwand, um einem 2,2-Tonnen-SUV das Handlingtalent eines rennstreckentauglichen Sportwagens und den Komfort einer Luxuslimousine beizubringen.

Wie gut das gelungen ist, klären wir gleich. Aber hier ist ein guter Moment, kurz zu überlegen, was aus dem Cayenne für ein Auto hätte werden können, hätte Porsche all die Ingenieurskunst des Hauses darauf verwendet, ihn wirklich viel leichter, viel effizienter, assistenz- und zukunftssicherer zu machen. Er hätte überragend werden können.

So überragt er immerhin seine Vorgänger bei Komfort und Handling. Im Normal-Modus nur sacht angestrafft, steckt die Luftfederung auch herbe kurze Stöße geschmeidig weg und schwingt langen Wellen nicht nach. In den Sport- und Sport-Plus-Kennlinien bleibt das Set-up erstaunlich sanft, bewahrt auf verrunzelten Landstraßen guten Komfort.

Noch beeindruckender aber: das Handling. Es wird bestimmt von der sensationell präzisen, direkten, nie hibbelig-nervösen, immer feinsinnig rückmeldenden Lenkung. Die Hinterräder mischen da ja auch mit, daher biegt der Cayenne in Kurven so ansatzlos-beherzt und agil wie der kleinere Macan, bleibt neutral, schubbert nur auf Nässe mal ins Untersteuern.

Fürs Rausbeschleunigen lässt er sich von der elektronisch geregelten Lamellenkupplung mehr Antriebsmoment an die Hinterachse schippen. Mit ESP im Sport-Plus-Modus salutiert der SUV die Kurve mit einem kleinen Heckschwenk ab, grippt sich dann aus dem Scheitelpunkt die nächste Gerade hinaus, die er mit 440 PS und 550 Nm niederstrecken will. Was nach viel Leistung und Kraft klingt und ja auch viel Leistung und Kraft ist. Nur: Es fühlt sich nicht so an.

Der Cayenne S hat den gleichen 2,9-Liter-V6-Biturbo und die gleiche Achtstufenautomatik wie der Audi RS 4. Alles so modern am Triebwerk: Zwei Twin-Scroll-Lader im Zylinder-V für kurze, ungestörte Gaslaufwege, variable Steuerzeiten und Direkteinspritzung. Die Wandlerautomatik schaltet diskret und fast ohne Zugkraftunterbrechung. Im Normal- Modus legt sie schnell die hohen Stufen ein, im Schiebebetrieb flugs den Leerlauf, alles, um die Effizienz zu steigern, und gibt so ein griffiges Beispiel ab, sollten Sie Ihren Kindern mal den Begriff der Symbolpolitik erklären müssen. Denn mit 12,1 l/100 km Super Plus liegt der Verbrauch in einem Bereich, der erneut zeigt, dass vielzylindrige Hochleistungs-Turbobenziner kaum die Verbrauchsoptimierung vorantreiben können, sondern viel eher die Verknappung fossiler Brennstoffreserven.

Wenn er schon so viel verbraucht, dann, Freunde, muss er auch richtig reißen. Doch das Gefühl, wirklich souverän oder gar ein bisschen übermotorisiert zu sein, mag sich nicht einstellen. Da willst du auf der Landstraße kurz überholen oder auf der Autobahn zwischenspurten und gibst Gas. Dann sortiert sich die Automatik erst durch ihre Gänge, danach brauchen die Turbos einen Wimpernschlag für vollen Druck – das dauert alles nur Zehntelsekunden, aber es fühlt sich so, tja, unvorbereitet an. Im Sport-Modus geht das schneller, durch die Gänge flippern klappt gut. Doch selbst dann fehlt dem S die Vehemenz, die man eben erwartet bei Nullhundert in 5,1.

Was man auch erwartet, ist eine vollständige Assistenzausstattung, die es im Konzern auf derselben Plattform beim Audi A8 gibt. Doch außer dem Nachtsichtgerät fährt Porsche nichts auf, was es nicht auch in der Kompaktklasse gäbe. Beim Elfer mag das Argument noch ziehen, dass sich die Fahrer nicht von der Elektronik reinfingern lassen wollen. Aber der Cayenne wird oft als Familienauto genutzt, da sollte zumindest optional alles rein an Sicherheit, was geht.

In Zukunft Vergangenheit?

Auf dem Rückweg fahren wir durch Zuffenhausen, wo Porsche ein Werk für E-Autos aus dem Boden stampft. Als wir die Kräne sehen, die die Zukunft errichten, wirkt der Cayenne plötzlich wie die zukünftige Vergangenheit. Er fährt sensationell, ist ein hervorragendes, ein großes Auto. Aber anders als etwa der Elfer, der sich immer neu erfindet, ist der Cayenne womöglich zu sehr die Fortsetzung des Vergangenen, um ein wirklich großer Porsche zu werden.

Vor- und Nachteile
Karosserie
Porsche Cayenne S
üppiges Platzangebot vorn
großzügiges im Fond
großer, gut nutzbarer Kofferraum
zweckmäßige Variabilität solide Verarbeitung
bequemer Einstieg
teils komplizierte Bedienung
in Details einfache Materialqualität
mäßige Rundumsicht
unpraktisches Laderollo
Fahrkomfort
Porsche Cayenne S
hoher Federungskomfort selbst im Sport-Modus
bequeme, haltstarke Sitze niedriges Geräuschniveau
Antrieb
Porsche Cayenne S
kultivierter, durchzugsstarker und drehfreudiger V6
Automatik schaltet schnell und weich ...
... im Normal-Modus mit- unter aber etwas trödelig
Fahreigenschaften
Porsche Cayenne S
für Größe und Gewicht brillantes Handling
hohe Fahrsicherheit
rückmeldungsintensive, präzise, direkte Lenkung
makellose Traktion
Sicherheit
Porsche Cayenne S
hervorragende Bremsen
für diese Liga knappes Angebot an Assistenzsystemen
Umwelt
Porsche Cayenne S
viele technische Versuche, Effizienz zu steigern
relativ zu Fahrleistungen akzeptabler Verbrauch ...
... absolut aber hoher Kraftstoffbedarf
hohes Gewicht
kein Partikelfilter
Kosten
Porsche Cayenne S
Anschaffung und Unterhalt durchaus kostspielig

Fazit

Vorreiter des Zeitgemäßen war der Cayenne nie, obwohl der neue Cayenne S mit brillanterem Handling und mehr Platz punktet. Gemessen am Verbrauch sollte der Antrieb mehr mitreißen. Kaum innovativ sind die Assistenzsysteme.

Technische Daten
Porsche Cayenne S S
Grundpreis91.964 €
Außenmaße4918 x 1983 x 1696 mm
Kofferraumvolumen770 bis 1710 l
Hubraum / Motor2894 cm³ / 6-Zylinder
Leistung324 kW / 440 PS bei 5700 U/min
Höchstgeschwindigkeit265 km/h
0-100 km/h5,1 s
Verbrauch9,2 l/100 km
Testverbrauch12,1 l/100 km
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Erscheinungsdatum 03.07.2024

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