Porsche 911 GT3 Touring im Test: Ist das noch Touring – oder schon Wahnsinn?

Porsche 911 GT3 mit Touring-Paket im Test
Ist das noch Touring – oder schon Wahnsinn?

ArtikeldatumVeröffentlicht am 17.08.2025
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Alt? Ach was. Wer ist hier alt? Nur weil als Einstieg in die Auseinandersetzung mit dem Porsche 911 GT3 Touring ein Zitat von Hildegard Knef dient? Tja, nun, von Miley Cyrus findet sich halt nichts Passendes. Jedenfalls sagte die in Ulm geborene Chansonnière: "Ich habe ein einfaches Rezept, um fit zu bleiben: Ich laufe jeden Tag Amok."

Womöglich wären sie und der GT3 beste Freunde geworden, denkst du, während der voluminöse, leicht angeraute Blechbläser-Furor des Sechszylinder-Saugmotors gerade kurz vor 9000/min sowohl das Cockpit als auch die Umwelt flutet. Weil eine recht leere, namentlich nicht genannt werden wollende Autobahn ein wenig Tempobolzerei gestattet. Bedingungen, die der modellgepflegte 911 GT3 schon irgendwie benötigt, um das Potenzial des mit immensem Aufwand abgasgereinigten Vierliter-Triebwerks zu zeigen. 9.000 Umdrehungen auf der Landstraße? Da kommst du nie über den zweiten Gang hinaus.

Na ja, eine solche Autobahn zählt letztlich auch zum Anspruch dieses GT3, dessen Namenszusatz "Touring" Reisen impliziert. Bei denen du dann ordentlich zupacken musst, denn mit dem Geradeauslauf hat es der Porsche logischerweise nicht so – Stichwort Doppelquerlenker-Achse mit 255er-Bereifung vorn.

Doch hey, das passt schon, bereitet Freude, weil es eine nahezu ausgestorbene, rohe Art des Autofahrens darstellt, die nur noch wenige Fahrzeuge bieten. Überdies: handgeschaltet. Und der Motor kann durchaus auch langsam, verträgt frühes Hochschalten, wirkt in der Regel deutlich durchzugsstärker, als es die Daten vermuten lassen: 450 Nm bei 6250/min. Während sich das mit 13,3 : 1 verdichtete, von vier Katalysatoren gereinigte Aggregat diese Werte erarbeitet, ärgert es dich weder mit pseudomotorsportlicher Ruckelei noch mit Luftpumpen-Charakteristik.

Keine schnelle Runde

Wenn dann die 6.250 Umdrehungen anliegen, dann, ja dann ist wieder: Freude! Wie wäre es also mit einer flotten Runde auf dem Anneau du Rhin oder in Hockenheim? Auf gar keinen Fall, sagt Porsche. Der Touring sei auf der Landstraße zu Hause. Einzig der Hinweis auf die serienmäßigen Michelin-Pilot-Sport-Cup-2-Reifen sorgt für Argumentationsnot, die mit einem "Ist halt so" beschlossen wird. Einmal mehr regt sich da der Verdacht, dass es den Porsches vorwiegend um Bestzeiten in den Standard-Testdisziplinen geht, denn mit einer Geschwindigkeit von 75,2 km/h im 18-Meter-Slalom und 157,1 km/h beim doppelten Spurwechsel fährt dieser Elfer ganz weit oben herum.

Porsche 911 GT3, infotainmentsystem
Achim Hartmann

Was merkst du davon auf der Landstraße? In erster Linie ein ungestümes, wenngleich absolut homogenes Einlenkverhalten sowie höchste Fahrstabilität – wenn du zupackst. Denn die Landstraße an sich glänzt ja nur selten durch beste Fahrbahnqualität, zumindest jene Landstraßen, die eine Sportwagen-adäquate Varianz an Kurvenradien bieten. Hier musst du den Elfer wirklich festhalten, was aus der perfekten, tief integrierten Sitzposition mit der penibel abgestimmten elektromechanischen Servolenkung bestens gelingt.

Während also der Touring recht burschikos mit jeder Art von Bodenunebenheiten in den Ring steigt, dabei kaum seinen Aufbau, wohl aber die Insassen in Vertikalbewegungen versetzt, steigt schnell die Furcht vor mangelnder Bodenhaftung. Doch die zeigt der GT3 nur beim Preis (dazu später mehr), weniger bei der Fahrwerksarbeit. Denn Drehzahl-Überschwinger, klare Indizien für Haftungsabriss, bleiben aus – und du fragst dich, wie das möglich sein kann. Ist es aber.

Noch bevor du das Wort "Trockensumpfschmierung" (hat der GT3 natürlich) unfallfrei ausgesprochen hast, zündet er dich an. So richtig. Interessanterweise weit diesseits der Drehzahlgrenze, oft sogar diesseits des knapp hinter 5000/min einsetzenden Leistungsschubs. Weil bei maximal Tempo 100 sowieso immer genügend Leistung anliegt.

Also konzentrierst du dich aufs Ringen mit dem Fahrwerk, auf den Florettkampf mit den Kurven, aber auch auf die Geraden, auf denen du dich zwingen musst, zu gehen, statt zu sprinten. Ja, als GT3 setzt der 911 allen anderen Familienmitgliedern Hörner auf, dreht den Lautstärkeregler auf 11, obwohl die Skala bei 10 endet. Seine Einlenkgier packt dich, seine Fahrsicherheit macht mutig, sein facettenreiches Triebwerk erdet das Gesamtpaket – ein Stück weit.

Apropos erden: Die ungeheure Bremsperformance darf nicht unerwähnt bleiben. Verzögerungswerte um 13 m/s² spuckt das Messgerät nur bei wenigen Fahrzeugen aus. Auch wegen der Reifen – natürlich. Sicher, sie passen ebenso zu diesem Elfer wie Antrieb und Fahrwerk.

Porsche 911 GT3, Spoiler
Achim Hartmann

Doch bloß weil der Touring keinen Flügel trägt (dafür einen im Vergleich zu den Basis-Elfern steileren Anstellwinkel des ausfahrbaren Spoilers plus Gurney bekommt), hintere Sitzgelegenheiten aufweist und die vorderen Carbonschalen daher über einen Klappmechanismus verfügen, rückt die Landstraße noch lange nicht in seinen Fokus. Wäre ein bisschen so, als würdest du einem Weltklasse-Ski-Rennfahrer wie Marco Odermatt eine Tasche für das Smartphone in den Overall nähen und ihm dann sagen, dass er mit dem Pulk auf normalen Pisten fahren, keinesfalls aber jemals eine Abfahrt, einen Super-G oder einen Riesenslalom gewinnen könne. Und mit dem Smartphone im Overall schmerzten seine Füße in stocksteifen Rennstiefeln nach spätestens 15 Minuten, und die Skier mit den messerscharfen Kanten könnten nur in den eisigen Morgenstunden abliefern. Letztlich verhält es sich mit dem GT3 Touring nicht viel anders.

Haft-Befehl

Sein fahrdynamisches Potenzial lässt sich auf der K achtunddrölfzig oder der L trieleinshundert zwar eindrucksvoll erahnen, wirklich erfahren indes kaum. Und das liegt auch an der radikalen Bereifung, die ohne die heilige Zweifaltigkeit aus Temperatur (möglichst hoch) und Luftfeuchtigkeit (möglichst niedrig) ihre Haftungsgrenze rapide schnell nach ganz weit unten verschiebt. Im weniger schlimmen Fall, bei gerade noch ausreichender Temperatur und etwas mehr als nur feuchter Fahrbahn, fährst du im angenehm breiten Korridor der elektronischen Stabilitätskontrolle herum.

Porsche 911 GT3, Digitaltacho
Achim Hartmann

Ja, okay, es beeindruckt schon, wie kommunikativ der GT3 das Ende der Haftung ankündigt, sowohl an der Vorder- als auch an der Hinterachse. Zeit zu reagieren bleibt also, Zeit zum Lachen kaum. Die Regelgrenze verschiebt sich übrigens mit den Fahrmodi, neben dem Aufstartmodus also "Sport" und "Track", die individuell hinsichtlich Dämpfereinstellung, Darstellung der Anzeigen im nunmehr volldigitalen Fahrerinformations-Display, automatischer Zwischengasfunktion sowie der Regelelektronik programmiert werden können. Nett: Für die Klappenregelung der Abgasanlage, die Liftfunktion der Vorderachse, die Deaktivierung von Stabilitäts- und Traktionskontrolle sowie für einen Schnellzugang zu sonstigen Assistenzsystemen spendiert Porsche große physische Direktwahltasten unterhalb des Zentralmonitors.

Die Regelelektronik abschalten? Klar, geht. Spätestens dann heißt es aber: Ab auf eine abgesperrte Strecke. Ebener Belag, enge Kurven, weite Kurven. Die etwas härtere Kennung des Fahrwerks im Track-Modus schürt Porsches Laufschuh noch etwas fester, der Grip steigt immens bereits in der zweiten Runde, das Eigenlenkverhalten orientiert sich unter Zug eher mal sacht am Unter-, unter Schub am Übersteuern – Letzteres erst recht bei einem provozierten Lastwechsel.

Jetzt wird abgerechnet

Porsche 911 GT3, Motorhaube
Achim Hartmann

Und wenn das Boxer-Aggregat knisternd abkühlt, bricht sich langsam Gewissheit Bahn: Auch als Touring braucht der GT3 die Rennstrecke mehr als jeder andere Elfer. Hinzu kommt, dass der Touring mit dem optionalen Leichtbau-Paket (Dach, Stabilisator, Koppelstangen und Schubfeld an der Hinterachse aus CFK, verkürzter Schalthebel, Magnesiumfelgen, Leichtbau-Türverkleidung) schnell die Viertelmillion-Euro-Schallmauer durchbricht.

Spätestens dann spukt dir der Gedanke durch den Kopf, dass im Porsche-Programm sehr wohl der ideale Landstraßen-Elfer parkt: der Carrera T mit Schaltgetriebe. Ab 146 800 Euro. Okay, mit Turbotriebwerk, aber einem ganz feinen. Die Saugmotor-Freunde sollten sich derweil vielleicht mit einem Zitat von David Letterman anfreunden: "Das wundervolle Gestern ist das gewöhnliche Heute in der Erinnerung von morgen."

Technische Daten
Porsche 911 GT3 GT3 mit Touring-Paket
Grundpreis209.000 €
Außenmaße4570 x 1852 x 1279 mm
Kofferraumvolumen135 l
Hubraum / Motor3996 cm³ / 6-Zylinder
Leistung375 kW / 510 PS bei 8400 U/min
Höchstgeschwindigkeit313 km/h
0-100 km/h4,0 s
Testverbrauch12,0 l/100 km