Norschleifen-Test Porsche 911 Carrera GTS t-Hybrid: Teilelektrisch, schwerer, schneller?

Porsche 911 Carrera GTS Supertest
5 Sekunden schneller auf der Nordschleife

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Veröffentlicht am 21.06.2025

Man soll sich nicht mit fremden Federn schmücken. Daher geht jetzt erst einmal ein Dank an den freundlichen GT3-Fahrer raus, der mich im Rahmen eines Trackdays auf die Überschrift dieses Supertests gebracht hat: "Perpetuum mobile? Fast!" Es scheint fast so, als wäre der Porsche 911 Carrera GTS mit T-Hybrid-System ein Perpetuum mobile – also jene nicht realisierbare Maschine, die einmal in Gang gesetzt unaufhörlich in Bewegung ist, ohne dass ihr Energie nachgeliefert werden muss. Wir alle wissen, dass nach den Gesetzen der Thermodynamik ein Perpetuum mobile nicht möglich ist.

Grandioses Antriebskonzept

Porsche ist allerdings schon ein technischer Meilenstein gelungen. Anbremsen Sabine-Schmitz-Kurve, dann Herausbeschleunigen mit 541 PS Systemleistung. Schon zwischen Nordschleife-Kurve 1 und 2 gibt’s für das sensationelle Ansprechverhalten und die lineare Leistungsentfaltung des 911 Carrera GTS der Baureihe 992.2 die Schulnote 1+.

Und wie funktioniert das innovative Antriebskonzept? Der 992.2 Carrera GTS nutzt zum einen einen elektrischen Abgasturbolader, dessen E-Maschine zwischen Verdichter- und Turbinenrad platziert ist. Im Vergleich zu den Ladern des Vorgängermodells 992.1 Carrera GTS baut der elektrische Turbolader ohne Wastegate rund drei Mal schneller Ladedruck auf. Daher trägt der neue GTS auch nur noch einen Lader statt wie sein Vorgänger bisher zwei Turbolader.

Der sogenannte eTurbo ist so konstruiert, dass die integrierte E-Maschine sowohl Drehmoment auf die Welle des Turboladers abgeben als auch aus ihrer Rotation elektrische Leistung generieren kann. Als Generator erzeugt er bis zu 11 kW.

Das neue Achtgang-PDK verfügt außerdem über eine integrierte permanenterregte Synchronmaschine. Sie unterstützt den Boxermotor bereits ab Leerlaufdrehzahl mit einem Antriebsmoment von bis zu 150 Nm und liefert eine Leistung von bis zu 40 kW (54 PS). Im Generator-Modus kann sie bis zu 40 kW in die Hochvoltbatterie einspeisen.

Sowohl der E-Motor im Lader als auch jener im PDK ist an die Hochvoltbatterie gekoppelt, die mit einem Energie-Inhalt von 1,9 kWh (brutto) und einer Nennspannung von 400 Volt arbeitet. Statt des bisher bekannten Dreiliter-Biturbos des 992.1 GTS mit der internen Bezeichnung 9A2 kommt außerdem nun der intern 9A3 genannte 3,6-Liter-Sechszylinder zum Einsatz.

Porsche 911 Carrera GTS t-Hybrid
Hans-Dieter Seufert

Und was wiegt die Hybrid-Technik mehr im Vergleich zum konventionellen Vorgängermodell? Ausführliche Antwort aus der Entwicklungsabteilung von Porsche: "Der neue 9A3-Grundmotor ist durch Entfall Riementrieb und die daran anschließenden Komponenten knapp 18 kg leichter als sein Vorgänger. Circa 10 kg Mehrung entstehen durch die Seriensetzung des Mittenkühlers und der neuen Abgasanlage mit eTurbo. Die Hauptmehrung von etwas über 26 kg entsteht durch die E-Maschine im Getriebe und den HV-Pulswechselrichter. Weitere knapp 6 kg addieren sich durch den neuen Niedertemperaturkreislauf zur Kühlung der HV-Batterie und weiterer Komponenten. Während am üblichen Bordnetz knapp 5 kg gespart werden konnten, gab es Mehrungen von 11 kg durch das nun erforderliche HV-Bordnetz. Der Rest entsteht durch die neue HV-Batterie, die mit circa 27 kg gerade einmal so leicht wie eine handelsübliche AGM-Batterie ist. Durch die neue, superflache Li-Ion-12-V-Batterie mit einem Gewicht von gerade einmal etwas mehr als 7 kg wird diese Mehrung teilweise gegenkompensiert."

Zunahme statt Abnahme

Laut Porsche soll das Mehrgewicht des T-Hybrid-Konzepts bei 47 kg liegen. Wo wir gerade schon beim Thema Gewicht sind: Für den im Supertest eingesetzten 992.2 GTS haben wir zwei Gesamtgewichte ermittelt. Mit 1.635 kg und in komplett serienmäßigem Zustand fuhr der Testwagen die Rundenzeit in Hockenheim sowie sämtliche Fahrdynamikmessungen auf dem Testflugplatz in Lahr.

Auf der Nordschleife tritt der T-Hybrid aus Sicherheitsgründen mit geschraubtem Käfig und Rennschalensitz an. Um das Mehrgewicht des Käfigs zu kompensieren, entfernte Porsche den Beifahrersitz und viel Verkleidungsmaterial. Mit der Sicherheitsausstattung fuhr Porsche-Test-und-Entwicklungs-Fahrer Jörg Bergmeister auch die offizielle Rundenzeit des neuen GTS. Mit einem Gesamtgewicht von 1.628 kg war die "Nordschleifen-Ausstattung" auf unserer Radlastwaage sieben Kilogramm leichter.

Porsche 911 Carrera GTS t-Hybrid
Hans-Dieter Seufert

Der Unterschied von sieben Kilo kann gerade noch vernachlässigt werden. Bitterer ist aber, dass ein 911 heute über 1.600 kg wiegt. Im Vergleich zum letzten GTS in Supertest 6/2017, einem 991.2 Carrera GTS, ist der T-Hybrid 129 kg schwerer. Schlanke 1.506 kg wog der 991.2 GTS 2017, obwohl bei dem Testwagen damals gar nicht die 7,6 kg sparende Option "Entfall Hintersitzanlage" gezogen wurde. Mit Semislicks (Pirelli P Zero Corsa N0) legte der 991.2 GTS in Supertest 2017 eine Traum-Rundenzeit hin: 7.23,77 min.

Moment, gab es zwischen 991.2 Carrera GTS (450 PS) und 992.2 Carrera GTS (541 PS) nicht noch den 992.1 Carrera GTS (480 PS)? Richtig! Ich hatte besagten 992.1 GTS seinerzeit auch zum Supertest angefragt, aber Porsche hatte den Wagen ohne Nennung von Gründen abgesagt. Warum? Spurensuche für die damalige Absage: Porsche gibt heute offiziell an, dass der aktuelle 992.2 GTS auf der Nordschleife 8,7 Sekunden schneller ist als der direkte Vorgänger 992.1 GTS. Kleiner Rundenzeiten-Spoiler, bevor der T-Hybrid heute auf der Nordschleife im Ziel ist: Seine Supertest-Rundenzeit lautet 7.18,78 Minuten. Addiert man 8,7 Sekunden zu dieser Rundenzeit, ist ziemlich klar, dass der 992.1 GTS auf der Nordschleife langsamer gewesen wäre als einst der 991.2 GTS. Ein möglicher Grund für die Supertest-Absage.

Wir merken immer wieder, dass es angesichts der Regulatorik für die Entwickler eine enorme Herausforderung ist, die Fahrzeuge von Modellgeneration zu Modellgeneration querdynamisch schneller zu machen. Nicht nur externe Themen durch Gesetzesanforderungen, sondern auch interne Entwicklungsentscheidungen spielen eine Rolle.

Beispiel Reifen: Während für den 991.2 Carrera GTS optional ab Werk noch der bereits erwähnte Pirelli-Corsa-Reifen erhältlich war, entschied sich Porsche selbst dafür, dass diese Option bei der 992.1-Baureihe für sämtliche Elfer-Derivate unterhalb der GT-Modelle wegfällt.

Porsche 911 Carrera GTS t-Hybrid, Reifen
Hans-Dieter Seufert

Aus querdynamischer Sicht war das echt tragisch. Abseits der GT-Modelle gab’s für alle Elfer-Derivate fortan keine Semislicks mehr, sondern in der Erstausrüstung Reifen wie den Pirelli P Zero NA1. Der Reifen überzeugte mit sehr guten Nasshandling-Eigenschaften, musste aber klare Abstriche beim Trockenhandling machen.

Einen optionalen Semislick gibt’s zwar auch beim 992.2 für keinen Elfer, der nicht aus der GT-Abteilung stammt, trotzdem glänzt der 992.2 GTS auf der Nordschleife besonders mit dem Trockengripniveau seines Reifens vom Typ Goodyear Eagle F1 SuperSport R NA2. Dessen Trockengrip ist klar besser als der des Pirelli-Vorgängers. Nicht nur der Trockengrip ist rund vier Prozent höher, sondern auch die thermische Stabilität. Der Goodyear arbeitet über die gesamte Nordschleifen-Runde konstanter als einst der Pirelli P Zero NA1, der mit steigender Laufflächentemperatur immer stärker schmierte. Dank der linearen und vorhersehbaren Lenkpräzision, kaum Aufbaubewegungen, hoher Fahrstabilität und der Lenkung, die weder zu spitz noch zu stumpf um die Mittellage agiert, ist das Vertrauen am Limit in den GTS sofort groß. Fahrbarkeit können sie bei Porsche einfach.

So geht Performance-Hybrid!

Während beim 992.1 Carrera S beim erstmaligen Einsatz des elektrischen Bremskraftverstärkers (eBKV) die Dosierung der Bremse im Grenzbereich auf der Rennstrecke noch nicht ideal war, funktioniert das jetzt besser. Dank des höheren Trockengripniveaus der Reifen können die Bremspunkte jetzt auch wieder etwas später gesetzt werden. Aber auch nicht zu spät, da sich ansonsten das recht hohe Gewicht bemerkbar macht. Sowohl beim Einsatz im Grenzbereich auf der Rennstrecke als auch im Alltag arbeitet das Zusammenspiel von konventioneller Bremsanlage und Rekuperationsbremse des Hybridsystems sehr homogen.

Porsche 911 Carrera GTS t-Hybrid
Hans-Dieter Seufert

Und während der Elfer im Tiefflug über die Nordschleife hetzt, stellt sich die Frage, ob das Porsche-Hybrid-System wie beispielsweise in anderen Hybridmodellen oder reinen E-Fahrzeuge ins Derating gehen kann. Antwort aus der technischen Entwicklung von Porsche: "Prinzipiell gibt es kein Derating, wie man es von BEV-Fahrzeugen kennt. Das System ist auf eine beliebige Anzahl von Nordschleifen-Runden ausgelegt – bis der Tank leer ist. Für eine 100-Prozent-Runde mit einem Profifahrer am Steuer ist der T-Hybrid im Sport-Plus-Modus für eine Hotlap optimiert. Mit einem solchen Fahrer wird die HV-Batterie in diesem Fenster optimal genutzt, das heißt, sie boostet bei jedem Beschleunigungsvorgang performanceoptimal für circa fünf Sekunden und wird parallel je nach Situation durch thermische Rekuperation, Bremsrekuperation und Lastpunktverschiebung aufgeladen."

Porsche 911 Carrera GTS t-Hybrid
Hans-Dieter Seufert

Ist es auf der Nordschleife möglich, die Batterie komplett "leer" zu fahren? Antwort von Porsche: "Nach rund einer Runde Nordschleife im Sport-Plus-Modus geht die HV-Batterie in den Händen eines Vollprofis ab einem gewissen SOC über in einen ‚Sustaining Mode‘. Das heißt, sie boostet etwas weniger, um einen Ziel-SOC dauerhaft halten zu können. Dies entspricht dem Grundverhalten im Sport-Modus. Der Unterschied zur Maximalperformance ist jedoch minimal und für einen normal guten Fahrer praktisch nicht spürbar. Der Zeitverlust auf einer 100-Prozent-Runde Nordschleife beträgt circa zwei Sekunden – aber auch nur dann, wenn man das Auto so sehr ans Limit bringt wie zum Beispiel Jörg Bergmeister. Die Batterie ist dabei niemals leer und lädt Ladekennfeld-gesteuert und fahrprogrammabhängig immer wieder auf einen situationsabhängig optimalen Ziel-SOC auf."

Wie viel Sekunden liegen diesmal zwischen ambitioniertem Amateur und Vollprofi? Dank der guten Fahrbarkeit des GTS bin ich mit meiner Supertest-Rundenzeit von 7.18,78 min so nah dran an Jörg Bergmeister wie noch nie: 6,5 Sekunden fehlen auf den Ex-Werksfahrer und heutigen Test- und Entwicklungspiloten.

Egal, ob Nordschleife, Hockenheim oder Vmax auf der Autobahn – ebenso faszinierend wie die Rundenzeiten ist es, wie schnell sich die Batterie wieder auflädt. Mit seiner innovativen Antriebstechnik kommt der 992.2 Carrera GTS mit T-Hybrid-System dem eingangs erwähnten Perpetuum mobile damit gefühlt sehr nahe.