So ein Dauertest ist kein Vergnügen. Also für den Wagen jedenfalls nicht. Hier ein paar Zahlen aus den 24 Monaten unseres grauen Polestar 2 Long Range Dual Motor, die das etwas verdeutlichen: 50 Mitarbeiter der Motor Presse trugen sich als Fahrer in die Begleitkarten ein, rund 380-mal stand der Wagen an einer Ladesäule. Er legte zwischen März 2023 und 2025 genau 92.398 Kilometer zurück und verbrauchte dabei 21,15 Megawattstunden elektrische Energie.
Das entspricht ungefähr dem durchschnittlichen Tagesertrag eines großen Onshore-Windrads in Deutschland. Oder auch einem Tausendfünfhundertstel der Stromerzeugung eines normalen Kernkraftwerks. Eine Menge Strom jedenfalls, die der Polestar 2 mit seinen beiden Motoren auf mehr oder weniger unterhaltsame Weise in Bewegungsenergie umwandelte.
Verbraucht fast so viel wie ein Taycan 4
Dabei begeisterte die kompakte Sportlimousine mit exzellenten Fahrleistungen: Nur 4,5 Sekunden vergehen bis Tempo 100, wenn das Fahrpedal voll durchgetreten wird, nach knapp zehn Sekunden liegen 160 km/h an. Als Vmax stehen 205 km/h im Datenblatt, damit kann sich der Polestar in Elektro-Kreisen durchaus sehen lassen.
Zugegeben, meist war er über die Dauertest-Distanz mit verhaltenerem Speed unterwegs, denn allzu schnelle Autobahn-Etappen erfordern nun mal häufiges Nachladen. Ohnehin erwies sich der graue Polestar 2 als nicht sonderlich sparsamer Elektrowagen. Im Testmittel verbrauchte er 22,9 kWh/100 km, was angesichts der Power (Systemleistung 350 kW/476 PS) gerade noch akzeptabel erscheint. Zum Vergleich: Der ebenfalls 350 kW starke Porsche Taycan 4 benötigte im Dauertestmittel 26,4 kWh.
Auffällig dabei übrigens die großen jahreszeitlichen Unterschiede. Bei winterlichen Konditionen stieg der Durchschnittsverbrauch bei Langstreckenfahrten zum Teil auf rund 28 kWh/100 km, im Sommer waren es dagegen häufig kaum mehr als 20 kWh. Das spiegelt sich auch im Eco-Verbrauch wider, da betrug der Unterschied zwischen Sommer- und Winterverbrauch auf der Eco-Runde immerhin 5,6 kWh (18,5 zu 24,1 kWh/100 km).

Besonders auffällig beim Polestar 2: Die großen jahreszeitlichen Unterschiede.
So reichte der Energievorrat des 78-kWh-Akkus meist für bestenfalls 300 km Autobahn, jedenfalls wenn man im günstigen SOC-Fenster von zehn bis 80 Prozent bleiben wollte. Autor Marcus Peters notierte in der Begleitkarte zu dem Thema: "Die tatsächliche Reichweite sind nach der ‚10 bis 80‘-Faustregel nur 210 km, denn unter zehn Prozent fahren nur Bravehearts und über 80 Prozent lädt der Polestar an der CCS-Säule nur noch im Schneckentempo."
Nervige Ladepausen auf der Langstrecke
Damit kann man sich arrangieren, auch wenn die häufigen Ladepausen vor allem bei Langstreckenfahrten nerven. Als noch lästiger erwies sich eine Eigenheit der Gleichstrombuchse: Mehrere Male verweigerte sie nach anfänglichem Kontakt die Verbindung zu der Schnelllade-Säule. Das registrierte unter anderem Testredakteur Peter Wolkenstein – vermutlich der Kilometerkönig unter den Polestar-Nutzern der Redaktion – und schrieb dazu: "Ab und zu gibt es Fehlermeldungen beim Starten des Ladevorgangs. Wenn man beim zweiten Versuch den Ladestecker leicht hochdrückt, klappt es meist. Aber einfach Kabel einstecken und weggehen ist keine gute Idee, immer erst checken, ob’s grün leuchtet."
Kollege Peters blieb auch von ein paar anderen Unbotmäßigkeiten des Polestar nicht verschont, etwa der penetrant abfallenden B-Säulen-Verkleidung auf der Fahrerseite. Weil die B-Säule den Fahrer vor einem Seitenaufprall schützen soll, ist der Fahrersitz so platziert, dass sich der Fahrer beim Ein- und Aussteigen um die Säule schlängeln muss. Vor allem in engen Parklücken ist der intensive Kontakt mit der Hartplastik-Verkleidung unvermeidlich.
Die sprang dann gern aus ihren Halteclips und ließ sich trotz mehrerer Werkstattversuche bis zum Dauertest-Ende nicht wirklich nachhaltig befestigen. Nicht schlimm, wenn es nur ein ästhetisches Problem wäre, doch die lose Verkleidung neigte dazu, den Fahrergurt einzuklemmen, was dem ungehinderten Auf- und Abrollen nicht förderlich war.

Weniger überzeugende Qualität bei der B-Säulen-Verkleidung und dem schlecht aufrollenden Gurt.
Die wichtigsten Stationen zu 92.000 km
1.200 km
Im März 2023 rollte der Polestar erstmals in unsere Tiefgarage
27.570 km
Verkleidung B-Säule links lose. Der Sicherheitsgurt rollt sich teilweise nicht mehr auf
30.764 km
Inspektion, Innenraumfilter und Wischerblätter erneuert (erste Inspektion kostenlos); Verkleidung befestigt
37.509 km
Warnmeldung "Motorkühlsystem funktioniert nicht. "Bringen Sie das Fahrzeug in die Werkstatt"
37.566 km
Kühlsystem entlüftet
54.221 km
Verkleidung B-Säule erneut lose
57.089 km
Halteclips an Verkleidung erneuert
64.179 km
Inspektion, Innenraumfilter und Bremsflüssigkeit erneuert: 295,06 Euro
84.552 km
Klappergeräusche im Fahrwerk bei schlechter Fahrbahn
91.663 km
Inspektion, Innenraumfilter erneuert: 138,61 Euro; Fahrwerk geprüft und Schrauben nachgezogen
93.598 km
Der Polestar beendet nach zwei Jahren und 92.398 Kilometern vorzeitig den Dauertest
Geräusche aus dem Keller
Der stete Ärger mit dem schlecht aufrollenden Gurt und der abfallenden Verkleidung führte zu einem der beiden ungeplanten Werkstattaufenthalte. Bei Kilometerstand 57.089 wurden die Halteclips erneuert, die Problemzone blieb dem Polestar jedoch bis zum Ende des Dauertests erhalten. Der andere außertourliche Werkstattbesuch schien dramatischer: "Motorkühlmittel-System funktioniert nicht. Bringen Sie das Fahrzeug in eine Werkstatt", alarmierte eine Fehlermeldung die Besatzung bei Kilometerstand 37.509. Die Werkstatt entlüftete den Kühlmittelkreislauf, offenbar ohne die Ursache der Fehlermeldung gefunden zu haben.
Allerdings erfolgreich, denn der vermeintliche Fehler trat nicht wieder auf. Ansonsten musste der Polestar nur zu den planmäßigen Wartungsaufenthalten zum Service. Viel zu tun gab es bei den drei Serviceterminen nicht. Nur beim letzten versuchte die Werkstatt, das häufig monierte Klappern aus dem Fahrwerksbereich durch Schraubennachziehen zu beheben – eine Maßnahme, die keine nachhaltige Wirkung zeigte.

Beim letzten von drei Werkstattbesuchen wurde versucht das Klappern aus dem Fahrwerksbereich durch Schraubennachziehen zu beheben.
Diverse Klappergeräusche aus dem Fahrzeugkeller begleiteten unseren Polestar über die gesamte Dauertest-Distanz. Erst war es ein loses Relais, das versteckt hinter einer Verkleidung im Kofferraum vor sich hin schepperte, danach schienen die Geräusche eher aus dem Fahrwerksbereich zu stammen. Echte Abhilfe gab es nicht. Überhaupt machte die Verarbeitungsqualität des im chinesischen Luqiao (zusammen mit dem XC40 Recharge) gefertigten Wagen nicht den allerbesten Eindruck. Im Innenraum zeigte sich großf lächiges Hartplastik, der Fahrersitz warf bald unschöne Falten, und die Fußmatten wiesen bereits nach kurzer Zeit unübersehbare Verschleißspuren auf.
Dabei ist der Polestar 2 keineswegs Billig-Elektriker, der Gegenwert des Testwagens lag 2023 bei 70.295 Euro, wobei rund 15.000 Euro auf diverse Sonderausstattungen und die Lackierung entfielen: Performance-Paket (6.500 Euro), Plus-Paket (4.800 Euro), Pilot-Lite-Paket (2.800 Euro).
Hart, aber herzlich
Verzichtbar erscheint für den Normalnutzer das teure Performance-Paket. Es umfasst zwar die Leistungssteigerung von 310 auf 350 kW und bringt die hübschen 20-Zoll-Räder sowie die nicht minder dekorativen goldenen Brembo-Zangen mit, doch umfasst es auch ein Fahrwerkstuning, das wegen seiner Härte zum Teil harsche Kritik erfuhr. Zwar lassen sich die Öhlins-Dämpfer verstellen, doch das ist eine komplizierte Angelegenheit. Am besten klappt es, wenn die Räder abgebaut werden. Wir haben es ausprobiert und im Grunde herausgefunden, dass der Wagen mit der Standardeinstellung am besten fährt.
Als uneingeschränkt erfreulich erwiesen sich ohnehin die Fahreigenschaften. Der Polestar fegte handlich und agil um Biegungen und bot mit dem leistungswilligen Zweimotorenantrieb jederzeit genug Dampf für vergnügliches Kurvenfahren. Zudem erwies er sich – abgesehen vom bei Kälte dramatisch ansteigenden Verbrauch – als überragendes Wintertalent. Mit unerschütterlicher Traktion, Arktis-tauglicher Wärmepumpe, rasant ansprechender Sitzheizung sowie hellem Matrix-Licht zeigte sich der Polestar als echter Skandinavier.

Der Schwede zeigt sich als wahrer Skandinavier, der den Winter überragendes meistert.
Haben wir was vergessen? Ach ja, die Erklärung, weshalb der Zweier nicht die 100.000 km gefahren wurde: eine unglückliche Kombination aus geringer Reichweite, nicht immer optimaler Ladeplanung, mäßiger Ladeleistung – und der Tatsache, dass Polestar ihn zurückhaben wollte. Und Letzteres ist trotz der Kritikpunkte dann doch bedauerlich.
Auf der Bühne nur kleine Mängel
Nach rund 90.000 Kilometern rollt der Stromer zum Abschluss in die Prüfhalle der GTÜ. Erkenntnis: Technisch wie optisch ist fast alles gut, aber der Wertverlust hoch. Beim Händler stand der Stromer mehrfach auf der Bühne. Zum Abschied von auto motor und sport ging es beim GTÜ-Prüfer Struck aus Pforzheim noch einmal in die Höhe. Und siehe da: Die Öffnung der Kunststoffabdeckung, ausgesägt für die Anhängekupplung, sieht aus, als hätte der Nachrüster zu einem groben Fuchsschwanz gegriffen.

Zum Abschluss in der Prüfhalle gibt es keine größeren Mängel. Allerdings einen hohen Wertverlust.
Zugleich löst sich oberhalb des linken Türrahmens ein dünnes Dichtungsband der eingeklebten Frontscheibe. Ohne Konsequenzen. Das gelegentlich polternde Fahrwerk ist für ihn okay. Weitere Mängel sind nicht zu entdecken. Am Ende des Tages attestiert Ingenieur Struck einen Händlerverkaufswert von 33.950 Euro. Deftig für einen einst 70.295 Euro teuren Wagen. Bei Stromern derzeit aber keine Überraschung. Der kürzlich verabschiedete Porsche Taycan verlor um 52,2 Prozent.