Womöglich ist es ganz normal, über den Zeitraum von 159 Jahren ein paar Illusionen zu verlieren – solange es nur gelingt, darüber die Hoffnung zu bewahren. Und vielleicht liegt darin die Stärke der Marke Opel, die auf bald 16 Jahrzehnte zurückblickt, in denen es an schleuderwendungsreichen Ereignissen nie mangelte – von den frühen Tagen der Nähmaschinenfertigung über die wilde Raketenwagen-Ära, die 1929 in knapp neun Jahrzehnte einer GM-Vormundschaft mündete, die anderswo selbst die Talente der größten Illusionisten gänzlich ausgezehrt hätten. Bei Opel wahrten sie eine Zuversicht, die in anderen Firmen bestenfalls als heitere Naivität durchginge. Doch es ging ja immer weiter, auch als PSA 2017 den Laden kaufte. Der ist nun Teil dieses Stellantis-Konglomerats, bei dem selbst einige Mitarbeiter noch ergründen, über wie viele Marken und Kontinente es sich eigentlich erstreckt.
Der Mokka ist nach dem Corsa der zweite Opel, der auf PSAs Plattform CMP basiert. Er hat – und das kann man als Vorteil sehen – nichts mehr gemein mit dem Vorgänger. Der war neben dem Buick Encore ein Abkömmling des Chevrolet Trax. Dessen Erfolg lag sicher nicht nur an seinen Qualitäten, sondern auch am Timing, war er doch einer der ersten Sub-Kompakt-SUV, als deren Boom begann. Kurz: Es gibt schwerere Erben anzutreten als das des ersten Mokka.
Alter Falter, da biste matt!
Der Neue ist 12,5 cm kürzer und 120 Kilo leichter – ein 4,15 Meter kleiner Wagen, der den großen Auftritt nicht scheut. Zu den Vorzügen der Plattform, so PSA, zähle es, dass sie sich auf den Unterbau konzentriere und große Freiheiten lasse, was das Design obendrüber beträfe. Der Mokka nutzt diese Möglichkeiten womöglich bis an die Grenzen des Überkandidelten aus. Andererseits: Wer, wenn nicht Opel sollte Opels verwegene Vergangenheit aufleben lassen, mit dem Kühlergrill im Visierstil, der Bügelfalte auf der Motorhaube, einer schwarz lackierten noch dazu, alles im Stil des Manta A.
An weiteren Opel-Errungenschaften hat der Mokka neben umfangreicher Assistenz bis hin zur aktiven Spur- und Tempoführung auch das Matrix-Lichtsystem mit sieben LEDs pro Scheinwerfer für blendfreies Dauerfernlicht und Adaptivfunktionen, während das dynamische Kurvenlicht und die AGR-Ergonomie-Sitze fehlen. Stattdessen sind in der GS Line Sportsessel in 57 cm Sitzhöhe montiert, die bequemer und haltstärker aussehen, als sie es mit ihren weichen Polstern auf Langstrecken wirklich sind.
Ansonsten ist der Mokka fesch eingerichtet. Das ganze Grundlayout von den Schaltern bis hin zum verschachtelten Infotainment entspricht zwar größtenteils dem vertrackten Prinzip anderer Peugeot-/Citroën-/DS-Modelle, aber das Drumrum ist mit nettem Schickschnack wie den roten Zierleisten und vielen gut nutzbaren Ablagen drapiert. Alles solide und liebevoll – zumindest vorn.
Im Fond wendet sich der Interieurstil robuster Zweckmäßigkeit zu, mit kleinen Türfächern und umfangreicher Verwendung von hartem Kunststoff. Auf der etwas steillehnigen kurzen Rückbank kommen zwei Erwachsene angemessen ungedrängt unter. Mit 68 cm bietet der Mokka nur einen Zentimeter weniger Normsitzraum als ein VW Golf.
Der Kofferraum packt 350 Liter, 1.105 sind es mit umgeklappter Rücksitzlehne. An weiteren Variabilitätstricks bleibt nur der höhenverstellbare Ladeboden. Darunter liegt ein tiefes Souterrain, auch weil der Mokka dort keine raumgreifenden Technikausläufer eines Allradantriebs mehr unterbringen muss.
Statt Allrad- gibt es für den Mokka dafür nun auch Elektroantrieb – wie bei allen CMP-Varianten mit 50 kWh großem Lithium-Ionen-Akku und 100 kW starker E-Maschine. Als Verbrenner treten an: der 1,5-Liter-Vierzylinder-Diesel mit 110 PS und der 1,2-Liter-Dreizylinder-Turbobenziner mit 100 oder wie im Testwagen 130 PS. Nur diese starke Version ist serienmäßig mit der Achtstufenautomatik verkuppelt.
Anfangs wohnt Zauder inne
Eine große Antriebsbrillanz mag dadurch allerdings nicht aufscheinen. Im trägen Pendler-Stop-and-go zaudert der Mokka erst mit seinem ruckigen Start-Stopp-System, dann mit einer Ladedruckflaute, bis er plötzlich ungestüm loslegt – das sollte der Wandler doch ein wenig eleganter überschlupfen können. Auch danach lässt das Getriebe viele Gelegenheiten aus, das Zutrauen zu stärken.
Im Normal-Modus verwaltet es seine Gänge in einer Routine, aus der es sich auch bei spontanen Beschleunigungswünschen nur ungern reißen lässt. Im Eco-Modus zeigt es regeres Interesse am Fahrgeschehen, nämlich dadurch, dass es den Leerlauf einlegt, wenn der Wagen einfach rollt. Im Sport-Modus verlegt es seine Ambitionen vor allem darauf, den Motor auf quirlig-hohen Drehzahlen zu halten.
Und wenngleich es die Schalterei beim normalen Herumfahren unauffällig und sanft hinbekommt, steigert seine etwas unambitionierte Schaffenskraft doch die Sinnhaftigkeit der Schaltpaddel. Denn der kleine 1200er-Turbobenziner ist ja an sich ein properer, heiterer, zupackender Motor. Je nachdem, welchen Gang man ihm zuflippert, läuft er bei niedrigen Drehzahlen kultiviert und doch druckstark; so ab 2.000 Touren findet er zu quirliger Drehfreude, einem trommelig-engagierten Ton und zu entschlossenem Temperament.
Das fühlt sich sogar noch eilfertiger an, als es dann tatsächlich ist – 9,8 Sekunden für die Nullhundert sind jetzt nicht so der Reißer. Was aber viel weniger stört als der mit 7,5 l/100 km doch etwas zulangende Verbrauch. Das ist rund ein halber Liter mehr als bei den meisten seiner vielen gleich motorisierten Konzernkollegen.
Kurven? Locker vom Mokka
Auch bei der Fahrwerksabstimmung übertreibt es der Mokka. Eine solche Kapazität im Bereich der Agilität ist er dann doch nicht, als dass er ein so dermaßen auf Dynamik getrimmtes Set-up bräuchte. Trotz des eher hohen 55er-Querschnitts rollt er mit seinen 18-Zoll-Rädern herb ab, die straffe Federung spricht harsch an. Kurze Unebenheiten überrempelt der Opel damit bolzig – bei mildem Stadttempo ebenso wie auf Autobahn-Querfugen. Lange Wellen dagegen federt er besser und ohne Nachwippen weg.
Zudem wankt er kaum und weicht auch in Kurven erst spät von der Linie ab, um in mildes Untersteuern zu schubbern. Mehr noch als ihre gute Präzision, charakterisiert ihre Unaufgeregtheit die Lenkung. Sie spricht direkt, aber umgänglich statt schnittig an, packt nur selten eine unnötige Stößigkeit in ihre sacht verhuschte Rückmeldung. Wenn wir feststellen, dass der Mokka trotzdem das bisher agilste aller CMP-Modelle ist, so bedarf es doch der Einschränkung, dass sich von jenen noch keines eines bemerkenswerten Handlingtalents verdächtig gemacht hat.
Wobei es darauf gerade in der Klasse der Hochparterre-Kleinwagen viel weniger ankommt als auf Fahrsicherheit. Und da ist alles bestens, kaum einmal muss das ESP zurechtregeln. Beim Beschleunigen aus engen Kehren allerdings schickt die Elektronik gern mal einen Befehl an die Traktionskontrolle, sie möge das Durchdrehen der Vorderräder zügeln. Die Bremsen verzögern bei kalter Anlage vehement, lassen jedoch bei sehr hoher Beanspruchung etwas nach: Steht der Mokka bei der ersten Bremsung aus Tempo 130 schon nach 59,7 m, braucht er bei der zehnten in enger Folge dafür 2,7 Meter mehr.
Einer von ein paar kleinen Makeln am Mokka, aber keiner, der seine größte Stärke mindert. Er ist etwas, was lange nicht mehr zusammenkam: ein guter Opel und ein besonderes Auto. Eins, das man nicht nur wegen des fairen Preises bedenkenlos kaufen, sondern auch einfach gut finden kann – ohne sich dafür Illusionen machen zu müssen.
Spotlight: Common Modular Platform
Reine Formsache: Der Mokka ist das siebte Modell auf der PSA-Plattform, die für viele Karosserieformen und alle Antriebsarten bereit ist. PSA nutzt nur noch zwei Plattformen; unterhalb der EMP2 (ab Kompaktklasse) bauen die Modelle auf der CMP auf. Sie umfasst den Unterboden samt Achsen (zwei Spurweiten und drei Radstände sind möglich), die Federung, den kompletten Antriebsstrang sowie die elektrische und elektronische Kernarchitektur. Diese Elemente können unabhängig von der Karosserieform genutzt werden. Die CMP ist auf Diesel-, Benzin-, Hybrid- und E-Antrieb ausgelegt, alle Antriebsvarianten können flexibel am gleichen Band gefertigt werden. Daher gibt es den Mokka, wie schon zuvor seine Schwestermodelle DS 3 Crossback, Citroën C4, Opel Corsa, Peugeot 208 und 2008 direkt auch als E-Version. Die eCMP-Plattform (mit 50-kWh-Akku im Boden und 100-kW-E-Motor) hat bei gleichem Raumangebot ein anderes Heckmodul mit hinterer Starr- statt Verbundlenkerachse.
Fazit
Kein außergewöhnlich gutes Auto, aber ein außergewöhnlicher Opel und ein gutes Auto mit genug Platz, quirligem Motor, umfangreicher Assistenz und solider Verarbeitung, aber harschem Komfort.
Opel Mokka 1.2 DI Turbo GS Line | |
Grundpreis | 31.825 € |
Außenmaße | 4151 x 1791 x 1534 mm |
Kofferraumvolumen | 350 bis 1105 l |
Hubraum / Motor | 1199 cm³ / 3-Zylinder |
Leistung | 96 kW / 130 PS bei 5500 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 200 km/h |
0-100 km/h | 9,8 s |
Testverbrauch | 7,5 l/100 km |