Mit dem Grandland Electric bringt Opel sein mit Abstand reisetauglichstes Stromauto auf den Markt. Bisher steckt der größte Akku der Marke im Astra Electric, er fasst netto nur 51 kWh. Beim Grandland Electric GS erhöhen die Rüsselsheimer die Stromkapazität deutlich. Unser Testwagen hatte den größeren der beiden lieferbaren Akkus an Bord, er speichert 82,5 kWh netto. Und das mit Batteriezellen aus Frankreich, während jene der 73-kWh-Version aus China stammen.
Der neue E-SUV verbucht mit einem Testverbrauch von 22,3 kWh/ 100 km eine Reichweite von 394 Kilometern. Wer auf Fernreisen unterwegs von 10 auf 80 Prozent Akkufüllstand lädt, kann zwischen den Ladestopps 276 Kilometer fahren. Das ist schon ordentlich, jedoch dauert eine 10-auf-80-Prozent-Ladung 35 Minuten. Das ist ein recht typischer Wert für ein 400-Volt-Auto, aber halt eine lange Zeit am Rasthof.
157 kW für 2.147 kg
Wenn die maximale Reichweite nicht ganz oben auf der Prioritätenliste steht, kann der Opel in 13 Sekunden von 100 auf 160 km/h ziehen, im Normalmodus geht das nur per Kick-down. Der Sprintwert (9,1 Sekunden von 0 auf 100 km/h) ist für einen 2.147 kg schweren SUV mit 157 kW (213 PS) leistungsgemäß, allerdings greift bereits bei 170 km/h der Tempobegrenzer ein. Abseits der Autobahn geht’s speziell aus dem Stand nicht ansatzweise explosiv vorwärts, was jedoch für viele E-Fronttriebler gilt, die so ihre Reifen schonen. Flott genug beschleunigt der Opel zwar, aber nicht spürbar antrittsstärker als beispielsweise ein VW Tayron eHybrid im Elektromodus – der ist für einen Plug-in zwar sehr zügig, trotzdem leistet seine E-Maschine 98 PS weniger als die des Grandland.
Die Rekuperationseinstellungen des Opel-Motors werden per Lenkradwippen gesetzt und umfassen drei Stufen, jedoch keinen Freilauf- oder Einpedalmodus. Immerhin genügt die stärkste Stufe in der Stadt oft, um erst beim Anhalten auf die Bremse zu müssen. Das gelingt mit ein wenig Feingefühl sehr ruckarm und öfters auch ruckfrei. Auch die Dosierung beim kräftigen Bremsen klappt anständig, wenngleich der Pedalwiderstand dabei etwas zu gering wirkt.
Lasche Bremskraft
Nur das mit dem kräftigen Bremsen selbst läuft bei diesem Testwagen nicht so, wie es soll: 100 auf 0 km/h in 39,2 Metern mit kalter Anlage sind bereits eine inakzeptable Verzögerungsleistung, und bei warmen Komponenten steigt der Wert gar auf 40,1 Meter. In seinem Zeugnis fängt sich der Opel-SUV hier die Note sechs plus ein, denn für diese Bremswege gibt es nur 4 von 45 Punkten.
Topnoten sammelt der Grandland nirgends, wohl aber ziemlich viele sehr ordentliche – doch wenn wir nun schon dabei sind, haken wir noch einige Defizite ab. Die schmalen, in allen Ecken gestutzten Außenspiegelgläser schränken die Rundumsicht ein, die reichlich dicken A-Säulen-Verkleidungen ebenso. Immerhin sieht man einiges von der Motorhaube, was beim Rangieren hilft. Wenn in engen Stellen die Parkpiepser anspringen, ploppt auf dem Touchscreen jedoch nur eine schematische Visualisierung auf – nicht aber die Parkkamerabilder, die man im Vorwärtsgang nur in einem Untermenü aufrufen kann.
Manchmal hat aber auch der Grandland selbst einen Knick in der Optik. Verkehrszeichen erkennt er wenig zuverlässig, und wenn er die Spurführung aktiv übernimmt, lenkt er oft so nah an die Nachbarspur, dass man den Komfortassistenten schnell wieder abschaltet. Das ist speziell deshalb seltsam, weil sich der Opel gelegentlich auch mittig positioniert. Unberechtigte Hände-ans-Lenkrad-Warnungen verhindert die Kapazitiverkennung des Lenkrads.
Stimmiges Lenkgefühl
Beim Selbstlenken spürst du am Lenkrad eine mechanische Verbindung zu den Rädern durch hintergründige Vibrationen beim Überfahren von Flickenteppichen. Ansonsten kommt eine eher geringe Rückmeldungsintensität an den Händen an. Die Lenkradwinkel sind jedoch nicht zu groß, das Lenkgefühl bleibt auch beim Überlenken der Mittellage harmonisch, und am Ende recht scharf gefahrener Kurven zerrt die Lenkung auch nicht zurück in ihre Nulllage.

Neben den Getränkehaltern sitzen Hebelchen für Parkbremse und Fahrstufe sowie eine Fahrmoduswippe.
Landstraßenkurven bewältigt der schwere Strom-SUV souverän und mit eher geringen Wankbewegungen, dafür federt das Fahrwerk mit seinen Selektivdämpfern und der Mehrlenker-Hinterachse jedoch insgesamt mit einer straffen Note. Unebenheiten glättet der Grandland kaum, manche spürst du etwas fester, aber nie zu hart, außerdem dringen Fahrwerksgeräusche nur verhalten nach innen. Ohnehin bleibt es in der Kabine meist ziemlich ruhig, erst ab 130 km/h werden die Windgeräusche etwas präsenter, wobei der Schalldruckpegel hier nur überschaubare 66 dB(A) beträgt.
Ein paar weitere Komfortaspekte sollen hier noch erwähnt sein. Der teilelektrisch verstellbare Sitz stützt und hält die meisten Fahrer wie gewünscht, je nach Statur kann seine Fläche jedoch eine Idee zu lang sein – selbst bei eingeschobener Flächenverlängerung und ganz nach unten gekippter Sitzfläche. Darüber hinaus wäre es gut, ließe sich die Lenksäule noch etwas weiter ausziehen und wäre die Mittelarmlehne höher positioniert.

Komfortable Sitze mit schlecht erreichbarem Lehnendrehrad neben der B-Säule erwarten Fahrer und Beifahrer im Opel.
Kühles Wasser, warmes Glas
Im Fach unter der Mittelarmlehne kühlt der Grandland Getränke, seine Windschutzscheibe befreit er im Winter mit (sichtbaren) Heizdrähten von Eis. Praktisch sind auch die vier Türtaschen, in die 1,5-Liter-Flaschen recht gut reinpassen. Die Türen sind mit ihren Verkleidungen allerdings ziemlich dick, weshalb man nicht ordentlich ein- und aussteigen kann, wenn sie in der ersten Raste des Fangbands hängen. Für die zweite Raste reicht es in vielen Fällen nicht, wenn ein anderes Auto oder die Garagenwand neben einem steht.
In die vorderen Türtafeln des Opel Grandland sind Luftausströmer integriert, die sich mit den viel zu kleinen Griffen nur schlecht ausrichten lassen. Die sonstige Bedienung geht überwiegend in Ordnung, wenngleich sie von einer weniger touchlastigen Auslegung profitieren würde. Für Temperatur und Lüfterstärke existieren Tasten; manch andere Klimafunktionen sowie die Flächenheizungen laufen hingegen über das Zentraldisplay.

Das Apple-CarPlay-Hauptmenü wird mit zwei Symbolzeilen dargestellt.
Per Touch steuert der Grandland-Fahrer auch die Assistenzsysteme. Praktisch: Mit einem Langdruck auf die Fahrzeug-Taste kann er ein voreingestelltes Assistenzprofil laden, das beispielsweise das Tempogebimmel und den Spurhalter in einem Schritt deaktiviert. Sinnvoll ist auch die Zweitfunktion der Häuschen-Taste, die bei einem Langdruck Apple CarPlay oder Android Auto aufruft. Eine weitere tolle Bedienidee ist der Knubbel für die Außenspiegeljustierung, mit dem auch das Head-up-Display ausgerichtet wird.
Die Windschutzscheiben-Projektion kann eine recht große Navikarte anzeigen, das schmale Tachodisplay hingegen nur eine Pfeil- und Textroutenführung. Die Navigation selbst berechnet bei längeren Routen automatisch Ladestopps, unterstützt aber auch manuelle Suchen entlang der Route, in der Nähe oder in Zielnähe. Nach Ladestärke filtern funktioniert ebenfalls. Die Karte zeigt aber nur, ob Säulen frei sind, und erst nach dem Anklicken verrät ein Pop-up, wie viele Punkte schon belegt sind. Wenn der Ladevorgang läuft, meldet das Tachodisplay nicht die aktuelle Ladeleistung in Kilowatt, sondern lediglich einen berechneten Wert (nachgeladene Reichweite in Kilometern pro Stunde).
Der Preis? 54.150 Euro

Die Schutzkappe baumelt zwar, aber nicht am Lack.
Während der Opel am Kabel hängt, schauen wir uns noch mal innen genauer um: Das Brillenfach am Dachhimmel wirkt eher billig, und die fahrerseitige Fußmatte kann am oberen Ende verrutschen, weil es der Unterseite an Haftung mangelt. Die Stoffbezüge auf der Armaturentafel und den Türtafeln bedeuten beim Saubermachen Extra-Aufwand.
Generell ist der Innenraum des Grandland Electric GS hübsch eingerichtet, wenngleich er nicht gerade nach 54.150 Euro aussieht. Das wiederum mag daran liegen, dass Akkus mit reisetauglicher Kapazität eben viel Geld kosten.
Opel Grandland Electric (82 kWh) GS | |
Grundpreis | 53.950 € |
Außenmaße | 4650 x 1905 x 1667 mm |
Kofferraumvolumen | 550 bis 1645 l |
Höchstgeschwindigkeit | 170 km/h |
0-100 km/h | 9,1 s |
Verbrauch | 1,2 kWh/100 km |
Testverbrauch | 22,3 kWh/100 km |