Welcher Aufstehtyp sind Sie? Eher derjenige, der zur Kaffeemaschine schlurft und nur das Nötigste spricht? Oder gehören Sie zu der Spezies, die, angeknipst wie ein Duracell-Häschen, gleich vor Energie strotzt? Zur letzteren zählt Nomi ("Know me"), die kugelköpfige Assistentin des Nio EL8 , der sich heute mit BMW iX M60 und Mercedes EQS 580 4Matic SUV misst.
Da muss Nomi früh aufstehen, schließlich sind das ausgeschlafene Gegner. Und so schmettert sie einem stets ein kindliches "Guten Morgen" entgegen, gefolgt vom Wetterbericht und den Wünschen für eine ruhige Fahrt. Doch statt, wie noch vor zwei Jahren beim ersten Test eines Nio in auto motor und sport, permanent zu nerven, versteht der bewegliche Kugelkopf dank KI-Funktionen für 1.000 Euro zahlreiche natürlich formulierte Anweisungen, etwa für das Einschalten der Klimaanlage oder die Eingabe von Navi-Daten. Allerdings verweigert der Nio die Nutzung von Android-Auto und Apple Carplay.

Nomi unterhält den Fahrer weiterhin, quasselt nun aber nicht mehr ungefragt dazwischen.
Sie sind eher der späte Vogel? Natürlich können Sie die Sprachassistentin stummschalten. Dann müssen Sie sich allerdings tief durch den großen Touchscreen kämpfen. Wie bei Mercedes EQS und BMW iX überzeugt das Display mit hoher Auflösung und schneller Reaktion. Seine Kehrseite sind kleinteilige Menüs, die es immer wieder aufs Neue zu erkunden gilt, denn mit jedem Over-the-Air-Update verstecken die Chinesen zusätzliche Funktionalitäten. Dazu kommen schwer zu verstehende Eigenheiten: So muss der Tageskilometerzähler samt Verbrauchsanzeige via Mustererkennung entsperrt werden, um ihn zurückzusetzen. Bis auf die Fensterheber mit gegenläufiger Bedienlogik stellt der Fahrer nahezu alle Funktionen über den Touchscreen und die unbeschrifteten Lenkradtasten ein. Das wäre nicht weiter schlimm, würde der Testwagen nicht an digitaler Demenz leiden und immer wieder die abgespeicherten Sitz- und Lenkradpositionen vergessen.
Dafür merkt sich der Nio EL8 mit seinen Kameras alles, was um ihn herum passiert, wenn Sie das nicht nach jedem Neustart extra abschalten. Nach rund vier Tagen werden die Aufnahmen zwar von der Festplatte gelöscht – trotzdem bleibt ein mulmiges Gefühl beim inneren Datenschutzbeauftragten.

Pausen genießen geht vorn nur, wenn hinten keiner sitzt.
Kameras gibt’s auch im Innenraum, und der kann sich durchaus sehen lassen: säuberlich gestochene Nähte, perforierte Holzoberflächen und weiches Leder sowie Alcantara am Dachhimmel. Das fasst jeder gern an. Allerdings wirkt die Verarbeitungsqualität längst nicht so oberklassig wie bei der deutschen Konkurrenz. Besser kümmert sich der EL8 um seine Passagiere, seine vier Hauptplätze verfügen über mehrstufige Heizung, Lüftung und Massage. Besonders bequem reisen Sie im Fond, gern in der Entspannungshaltung. Dazu fahren die Einzelsitze auf Knopfdruck in die Liegeposition, und Sie bedienen sich aus dem Bordkühlschrank, der Speisen alternativ auch warm hält.
Reichweite = Akkugröße
Im neuen Flaggschiff der Chinesen reisen in Reihe drei noch zwei Personen mehr mit. Dann bleiben allerdings nur 240 Liter Stauraum. Wenn die elektrischen Zusatzsitze plan liegen, fehlt die Abtrennung zum restlichen Innenraum. So purzeln kleinere Gegenstände in den großen Spalt oder Trolleys beim starken Bremsen schon mal zwischen den Insassen hindurch. Immerhin verstaut der Nio die Kabel, wie auch BMW und Benz, im Ladeboden. Zum leichteren Beladen senkt sich hier ebenfalls das Heck dank Luftfederung ab. Aber Achtung: Parkt der EL8 am Straßenrand, können seine weit heruntergezogenen Türen beim Öffnen gegen den Bordstein stoßen. Praktischer ist da die elektrisch ausschwenkende Anhängerkupplung, mit der der Testwagen bis zu zwei Tonnen ziehen darf (BMW: 2,5 t; Mercedes: 1,8 t).

2.630 kg wiegt der Nio – fast genauso viel wie der iX. Der EQS drückt mit 2.884 kg auf die Messwaage. Die Zuladung ist bei allen dreien ausreichend.
Mit solch schweren Anhängseln halbiert sich jedoch die ermittelte Testreichweite von 317 km. Im besten Fall verstromt der China-SUV 22,2 Kilowattstunden pro 100 km auf der Eco-Runde. Im Testschnitt sind es stattliche 31,4 kWh pro 100 km, was die Reichweite auf 312 km begrenzt – keine Topwerte. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sich der iX M60 (31,1 kWh) und der EQS 580 SUV (32,1 kWh) auf ähnlich hohem Niveau bewegen. Die größeren Testreichweiten von 372 km (BMW) und 401 km (Mercedes) resultieren also nicht aus besserer Effizienz, sondern aus höheren Batteriekapazitäten.
Wie gut, dass Nomi schnell und gern bei der Routenplanung hilft. Analog zu BMW und Mercedes kalkuliert der Assistent Ladestopps auf Langstrecken automatisch ein. Aufgelistet werden auch die sogenannten Swapstations, von denen es mittlerweile 18 in Deutschland gibt. An ihnen können Miet-Akkus in rund fünf Minuten getauscht werden. Alternativ lädt der EL8 laut Hersteller mit bis zu 240 kW in der Spitze – allerdings nur an Tesla-Ladesäulen. Im Test waren es an einem 350-kW-Lader maximal 187 kW (siehe Spotlight).
So eignet sich der EL8 durchaus für lange Strecken. Mit guter Dämmung hält er Windgeräusche draußen. Lange Bodenwellen federt der Nio recht souverän weg. Auf kurzen Wellen kämpft das Fahrwerk mit der Zweikammer-Luftfederung jedoch gegen Erschütterungen. Am herben Abrollen tragen sicherlich die optionalen 22-Zoll-Räder eine Mitschuld. So breitet sich hier – anders als im Mercedes EQS 580 4Matic SUV – kein fliegender Teppich unter dem Fahrzeug aus. Mit zunehmender Kurvengeschwindigkeit kommt Unruhe in den Aufbau, bevor der 2,6-Tonner über die Vorderräder schiebt und das ESP dann merklich eingreift.
Auch beim Lospowern regelt die Traktionskontrolle spürbar. Nio EL8 differenziert die verfügbare Leistung zwischen den Fahrmodi Eco, Comfort, Sport und Sport Plus; sie wird stufenweise freigegeben. In bestenfalls 4,1 Sekunden schnellt der Sechssitzer aus dem Stand auf 100 km/h. Das kickt stärker als der erste Morgen-Espresso.
BMW iX mit Schwächephase

Von 0 auf 100 km/h beschleunigt der BMW in 3,8 Sekunden.
Der BMW iX M60 jedoch ist mit 3,8 Sekunden noch einen Tick flotter. Zumindest am Anfang – bei den ersten Beschleunigungsversuchen schiebt der große BMW am kräftigsten an. Klar, mit 455 kW und 1.015 Nm maximalem Drehmoment ist er schon auf dem Papier im Vorteil. Das Problem ist leider ein altbekanntes: Hohe Dauerbelastung macht dem Antriebsstrang zu schaffen. Bei den Beschleunigungsmessungen verliert der iX ab dem sechsten Versuch knapp eine Sekunde auf 100 km/h, rund zehn sogar auf 200 km/h. Im Alltag weniger relevant, aber bei sehr forscher Fahrweise doch spürbar. Windgeräusche eliminiert der iX subjektiv bis 180 km/h am effektivsten. Darüber hinaus bleibt er ebenfalls ruhig, selbst wenn er mit bis zu 250 km/h erst den Nio (200 km/h) und dann den Mercedes (210 km/h) abhängt. Dabei gefällt vor allem die Fahrwerksabstimmung, die nicht bis ins Letzte komfortiert, sondern Aufbaubewegungen schneller stoppt und damit weniger ausufern lässt als ihr Gegenstück im Mercedes EQS SUV .
Doch nicht nur geradeaus, sondern auch wenn es zügig um die Ecke geht, hat der Bayer seine Pfunde am besten im Griff. Man könnte meinen, der E-SUV egalisiere hier einen Teil seiner 2.633 kg. Kein anderer in diesem Trio lässt sich so locker in Kurven werfen, regelt dabei so feinfühlig mit ESP und Traktionskontrolle und hält so präzise die angedachte Linie. Das gelingt sogar ohne mitlenkende Hinterachse, wie sie der EQS SUV serienmäßig trägt.

Runde Sache: Auch dank des handlichen Lenkrads kurvt der iX M60 lustvoller als EQS und EL8.
Tatsächlich lenkt der BMW am präzisesten und gibt mehr Rückmeldung. Beim Umstieg aus dem Nio fallen deutlich geringere Lenkwinkel auf – oder liegt das nur am Lenkrad? Nun, es gibt Dinge, die sich über Jahrzehnte oder sogar Jahrtausende bewährt haben, die eine runde Sache sind und von BMW jetzt im iX wiederentdeckt werden. So installieren die Bayern ein – Trommelwirbel! – rundes Lenkrad mit echten Tasten zum Bedienen des Bordcomputers.
Wer auf den Sitzen des iX Platz nimmt, fragt sich jedoch: Ist das Kunst oder kann das weg? Statt Seitenhalt und bequemen Positionen für alle Staturen stand wohl eher die Form der Integralsitze im Fokus. Blöd nur, dass vor allem bei Kleingewachsenen der Hinterkopf störend am Plastikdurchbruch anliegt. Da nützt es wenig, dass ein Lautsprecher im Sitz den Rücken im Takt der Beats aus der Bowers-&-Wilkins-Anlage massiert. Im Vergleich zu den Kontrahenten sitzen Sie hinten zudem wie in der S-Bahn: auf einer nicht verstellbaren Bank samt Lehne mit steilem Winkel, integrierten Kopfstützen und konturloser Polsterung. Immerhin werden vier Zonen einzeln klimatisiert, und das Raumgefühl unter dem auf Tastendruck milchglasig schimmernden Panoramadach ist großzügig.

Da geht’s lang: Das Head-up-Display weist gern den Weg.
Und was ist sonst neu? Der BMW iX xDrive M60 bekommt natürlich ein Fahrassistenz-Update. Sie können also, wie beim aktuellen Fünfer, die Hände in den Schoß legen und durch Blickkontakt mit dem Außenspiegel die Fahrspur wechseln. Mit seinen teilautonomen Funktionen fährt der BMW dabei so sicher selbstständig, wie es die von außen gut sichtbare Sensoren-Armada des Nio EL8suggeriert. Innen wirkt der zum Fahrer gebogene BMW-Bildschirm dagegen überladen. Zum Touchen ist er schlechter erreichbar, und sein etwas unübersichtliches App-Menü wurde nicht für den Dreh-drücker optimiert.
Mercedes EQS SUV: Der Komfortkönig
Das praktische Infotainment-Rädchen hat Mercedes schon lange aussortiert. Okay, manch einen erschlägt der Hyperscreen. Doch den Informationsgehalt portionieren die Schwaben benutzerfreundlich, zudem gönnten sie dem Beifahrer ein eigenes Display. Auf dem schaut er nach Wetter und Route oder meist YouTube. Das kann den Fahrer ablenken, wenn für ihn das Bild, wie im Testwagen, nicht wie vorgesehen ausgeblendet wird.

Nicht ganz sauber: Im großen Laderaum wandern dreckige Kabel ins Kellerfach.
Dabei gibt es im blütenweiß tapezierten Innenraum ohnehin viel zu entdecken. Der Benz bietet nicht nur den größten und praktischsten Kofferraum (645 bis 2100 Liter), sondern auch den üppigsten Normsitzraum im Fond. Langschläfern spendiert Mercedes zusätzliche Sofakissen für die elektrisch einstellbaren Fondplätze. Allerdings verzichtet der Testwagen auf die dritte Sitzreihe, die es optional gäbe.
Sehr variabel sind Mercedes-typisch die Instrumente: von sehr gut ablesbar bis künstlerisch wertvoll. Das Cockpit des BMW hingegen beschränkt sich auf letzteren Punkt, während der Nio auf seinem flachen Display gern mal Verwirrung bei der Assistenzsystem-Ansicht stiftet.

Großes Kino: drei Bildschirme, Head-up-Projektionen und aufwendige Ambientebeleuchtung.
Staunen lässt einen die Materialanmutung des Mercedes-SUV: Adjektive wie "edel" oder "fein" werden dem Mercedes EQS 580 4Matic SUV kaum gerecht. Zahllose Details offenbaren die Qualitätsunterschiede: Ambientelicht, das sanft durch den Innenraum gleitet, die Burmester-Anlage, deren Hochtöner hinter Alu-Gittern vibrieren – und die dezenten Windgeräusche von der A-Säule übertönen können –, oder ein Head-up-Display im Großbildformat, das Navigations- und Abstandshinweise wie im 3-D-Kino einspielt.
Luxuriös ist auch das Beschleunigungserlebnis im EQS SUV. Objektiv gelingt der Spurt dem 2,9-Tonner mit 4,7 s auf 100 km/h zwar nicht ganz so flott, doch es genügt, um die Hinterköpfe der Passagiere in flauschige Kissen versinken zu lassen. Apropos weich: Zwar sind die Kaltbremswerte aus Tempo 100 mit 32,7 Metern wie beim BMW (32,3 m) sehr gut (Nio: 35,4 m), doch im Alltag kämpft der Fahrer mit dem Bremspedal. Es bietet keinen definierten Druckpunkt und sorgt mit spätem Ansprechen ab und zu für Schweißperlen auf der Stirn.

Eine Frage der Kehre: Weil die Hinterräder bei niedrigem Tempo gegenlenken, bleibt der Wendekreis unter elf Metern.
Fahrdynamisch gibt sich der EQS entspannter, nur hält ihn das ESP in flott gefahrenen Kurven etwas zu lange fest. Fahrspaß kommt somit nicht mal auf, wenn der Fahrer Lastwechsel provoziert. Dabei lenkt der SUV dank Hinterachslenkung willig ein. Zum entschleunigenden Charakter passt, dass das Luftfahrwerk buckelige Straßenbeläge oder Querfugen in Komfort-Stellung nahezu einebnet.
Ein weiterer Aspekt des elektrisierenden Fahrerlebnisses ist der teilautonom agierende Zusammenschluss von Spurhalte- und Abstandstempomat, der in Staus selbstständig die Rettungsgasse bildet und die Topografie beachtet. Und noch interessanter sind die Einflussmöglichkeiten des Fahrers. Auf Wunsch regelt er das Rekuperationslevel direkt mit Wippen am Lenkrad – von der intelligenten Rekuperation stufenweise bis zum freien Segeln. Eine intuitiv bedienbare Funktion, die mit den Touch-only-Lösungen von BMW und Nio leider keine Nachahmer findet. Klar, einen Effizienzvorteil bringt sie nicht unbedingt, schließlich kommt der EQS wie erwähnt vor allem wegen des Akku-Upgrades auf 118 kWh Kapazität auf der Eco-Runde am weitesten – und zwar 577 km (BMW: 512 km, Nio: 442 km).

22,2 kWh verstromt der EL8 auf der Eco-Runde. Somit ist er einen Tick sparsamer als iX und EQS, die mit größeren Akkukapazitäten weiter kommen.
Doch Mercedes lässt sich den EQS 580 SUV teuer bezahlen: Mehr als 150.000 Euro rufen die Schwaben als Testwagenpreis auf; kaum günstiger ist der BMW iX M60. Dagegen sind 111.400 Euro für den EL8 Executive ein Schnäppchen, zumal Nio fünf Jahre Garantie bietet. Aber das reicht nicht, um die Konkurrenz zu schlagen. Die ist zu ausgeschlafen.
Mercedes EQS SUV 580 4Matic | BMW iX M60 | Nio EL8 (Kaufbatterie) executive | |
Grundpreis | 148.113 € | 143.100 € | 108.900 € |
Außenmaße | 5125 x 1959 x 1718 mm | 4953 x 1967 x 1696 mm | 5099 x 1962 x 1750 mm |
Kofferraumvolumen | 645 bis 2100 l | 500 bis 1750 l | 265 bis 810 l |
Höchstgeschwindigkeit | 210 km/h | 250 km/h | 200 km/h |
0-100 km/h | 4,7 s | 3,8 s | 4,1 s |
Verbrauch | 20,0 kWh/100 km | 23,0 kWh/100 km | 0,0 kWh/100 km |
Testverbrauch | 32,1 kWh/100 km | 31,1 kWh/100 km | 31,4 kWh/100 km |