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MTM S8 Talladega S im Test
Völlig durchgeknallte 802-PS-Limousine

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RS 8 gibt's nicht? Gibt's doch! Mit dem MTM S8 Talladega S zeigt der Audi-Tuner Motoren Technik Mayer, wie ein RS 8 mit 802 PS aussehen könnte. Das Ganze haben wir zum Anlass genommen und den Sportwagen auf der Strecke einem Test unterzogen.

MTM S8 Talladega S, Seitenansicht
Foto: Rossen Gargolov

Blattläuse, Wespen, Zwei-Tonnen-Limousinen – die Plagen des Jahrgangs 2015 sind vielfältig. Vor allem letztere Spezies überfällt derzeit immer wieder gern die Redaktionsgarage von sport auto. Schon beim Ausparken weiß man, dass eine Über-Fünf-Meter-Limousine zwischen den Rennstreckensportlern eigentlich nur bedingt etwas verloren hat.

Schwerfällig wie ein Ozeanriese in einem Segelboothafen manövriert sich der Luxusliner unter ohrenbetäubendem Piepskonzert der Park Distance Control aus der Parklücke. Dabei fällt mir immer wieder der legendäre Leserbrief eines sport auto-Anhängers ein: „Wenn sport auto über solche Dickschiffe berichtet, ist das so, als ob der Vatikan Pornoheftchen anbietet.“ Nagel auf den Kopf getroffen! Ändert sich das, wenn aus einem Audi S8 der MTM S8 Talladega S wird?

Zum 25-jährigen Jubiläum seiner PS-Schmiede Motoren Technik Mayer legt Audi-Tuning-Papst Roland Mayer mit seiner Mannschaft 25 Exemplare des Hardcore-S8 auf. Wird auch er Heldenstatus erreichen wie der MTM-Bimoto-Audi TT mit zwei Motoren (1.020 PS, 400 km/h) oder der 324 km/h schnelle MTM-Audi A1 Nardo Edition mit 500-PS-Fünfzylinder? Die Gedanken schwelgen in der faszinierenden MTM-Vergangenheit, als wir in das komfortable Interieur des MTM-S8 klettern.

MTM S8 Talladega S mit 802 PS

Zunächst könnte man meinen, dass sich im Innenraum, bis auf Fußmatten mit Talladega-Logo sowie eine Edelstahlplakette auf der Mittelkonsole, nichts verändert hat. Weit gefehlt – auf den Sitzen und Türverkleidungen hat MTM das typische Wabensteppmuster vernäht, das bei Audi alle RS-Modelle tragen.

Warum dann eigentlich der Spitzname Talladega und nicht RS 8? Aus rechtlichen Gründen darf der Audi-Tuner das RS-8-Kürzel für seine Power-Limousine nicht verwenden, obwohl es kein getunter S8 würdiger präsentieren könnte. Auf der Suche nach einem adäquaten Namen blättert die MTM-Truppe tief in die Audi-Turbo-Vergangenheit zurück. Auf dem Trioval des Talladega Superspeedway (US-Bundesstaat Alabama) stellte NASCAR-Legende Bobby Unser am 24. März 1986 mit dem Audi 5000CS Turbo Quattro einen Geschwindigkeitsrekord für Allradfahrzeuge auf.

Der in vielen Details modifizierte Audi 200 (in Nordamerika Audi 5000 genannt) erreichte mit rund 650 PS ein Durchschnittstempo von 332,88 km/h. Geschichtsbuch zuklappen, jetzt ist klar, warum der babyblaue MTM-S8 den Nachnamen Talladega trägt. Aus 520 PS werden bei MTM satte 802 PS. Das maximale Drehmoment klettert von 650 auf 945 Nm.

Schnell wie ein Porsche 911 Turbo

Ein Druck auf den Startknopf, und der MTM S8 Talladega S verwandelt sich schon akustisch zum Extremisten. Gewitterdonnernd erhebt der V8-Biturbo seine Stimme, die durch eine neue Edelstahl-Abgasanlage mit 70er-Rohrquerschnitten und 200-Zeller-Metallkatalysatoren rockt. Der originale Vierliter-TFSI trägt jetzt außerdem die größeren RS-6-Turbolader, die von MTM unter anderem mit speziellen Verdichterrädern überarbeitet werden.

Pedal to the metal – unter Volllast springt der Allradler im Vergleichstest mit beeindruckender Traktion aus den Startblöcken und schwingt seine 2.051 Kilo Lebendgewicht in 3,3 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100. Lässig pulverisiert er dabei die Werksangabe des Serien-S8 (0–100 km/h: 4,1 s). Doch der Talladega S ist damit noch längst nicht zufrieden. Während die Tachonadel weiter hastig über die Skalierung hüpft, tätowiert der Schub dem Piloten fast das RS-Wabenmuster der Ledersitze in den Rücken.

Bei der Beschleunigung ziehen heute nur die Markierungsleuchten unseres Testflugplatzes vorbei, doch auf der Autobahn könnte der Blick aus der Seitenscheibe auf einen gestressten Porsche 911 Turbo samt noch gestressterem Fahrer fallen. Selbst Elfer-Piloten mit 520-PS-Biturbo im Heck sollten lieber nicht Gebrauch von ihrer Lichthupe machen, wenn sie auf den MTM-S8 treffen. In nur 10,6 Sekunden schwingt sich die Muskel-Limo auf 200 km/h. Einem Porsche 911 Turbo gelingt das Kunststück kaum schneller (0–200 km/h: 10,5 s).

MTM S8 Talladega S rennt maximal 350 km/h

Beeindruckende Messwerte, trotz einer Außentemperatur von 27 Grad Celsius. Bei kühleren Temperaturen verspricht MTM noch schnellere Beschleunigungswerte. 3,1 s/9,9 s/29,0 s lauten die Werksangaben aus Wettstetten für die Tempomarken von 100, 200 und 300 km/h.

Auf freien Autobahnen reicht danach die analoge Tachoanzeige bis 320 km/h nicht aus. Anschließend klettert nur noch die Digitalanzeige ungestüm weiter. Zunächst schnappt sich der S8 Talladega lässig den Temporekord von Bobby Unser anno 1986, um sich wenig später seiner Vmax von 350 km/h zu nähern.

So weit, so schnell – doch jetzt kommt der Knackpunkt, der solche PS-Limos für den Autor immer so schmackhaft wie eine Fastenkur macht: der Rennstreckenbesuch in Hockenheim. Schon der Standard-S8 hat hier gezeigt, das er kein Querdynamik-Fan ist. Mit 520 PS umrundet das Serienmodell den Kleinen Kurs in 1.16,3 Minuten gerade einmal so schnell wie ein 265 PS starker VW Scirocco R.

Rennstreckenbesuche kann man sich sparen

Im Vergleich zum S8-Serienmodell findet die Vorderachse des MTM-S8 dank der Michelin-Cup-Bereifung sowie der optimierten Fahrwerksgeometrie zwar etwas besser Grip und lenkt präziser ein, doch auch hier unterbindet das nicht abschaltbare ESP anschließend Querdynamikwunder. Wie schon beim Serienmodell darf das Sportdifferenzial sein volles Potenzial auch jetzt nicht ausspielen. Das Serien-Luftfahrwerk ist dank MTM-Elektronik (F-Cantronic) bis 80 km/h zwar tiefergelegt, darüber hinaus agiert es aber auf Serienniveau. Auf der Rennstrecke lässt das Fahrwerk dann spürbare Roll- und Nickbewegungen zu. Im Grenzbereich kann auch der MTM-S8 dadurch sein Gewicht nicht verheimlichen.

Schlussendlich ist der Quasi-RS 8 trotz seines Leistungsplus mit 1.13,6 min nur zwei Zehntel schneller als ein Serien-RS 6 mit 560 PS. Okay, man könnte den Talladega auch dafür feiern, dass er seine zwei Tonnen so schnell um den Kurs hievt wie ein Ferrari California. Machen wir aber nicht. Wir erteilen zwar kein Stadionverbot im Motodrom, doch solche Limousinen fühlen sich eigentlich nur auf der Autobahn richtig wohl. Auf der Rennstrecke bleiben sie für Sportfahrerherzen die eingangs erwähnte Plage. Punkt. Ende. Aus!

Fazit

Auf der Autobahnfahrt zum Hockenheimring hat der MTM S8 Talladega S in seiner Paradedisziplin brilliert. Mit seinem längsdynamischen Schub kann man so manchem Sportwagenfahrer die Schweißperlen auf die Stirn treiben. Die Leistungsentfaltung ist dabei nicht nur brachial, sondern auch beeindruckend gleichmäßig. So gleichmäßig und fehlerfrei, dass man fast meinen könnte, das 802-PS-Triebwerk würde bei Audi vom Band laufen. Dank serienmäßigem Luftfahrwerk bleibt auch bei Geschwindigkeiten von über 300 km/h der Federungskomfort sehr angenehm. Nur eins braucht man mit dem getunten S8 nicht zu machen: die Rennstrecke besuchen. Zwei Tonnen und ein nicht deaktivierbares ESP verderben hier fast die Laune.

Technische Daten
MTM S8 Talladega
Grundpreis173.003 €
Außenmaße5147 x 1949 x 1458 mm
Kofferraumvolumen520 l
Hubraum / Motor3993 cm³ / 8-Zylinder
Leistung590 kW / 802 PS bei 6000 U/min
Höchstgeschwindigkeit350 km/h
0-100 km/h3,3 s
Verbrauch9,4 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten