Wir wollen ihm ja nicht zu nahe treten, dem Gute-Laune-Modeprinzen des Kleinwagensegments, aber zuletzt war jenseits von verspielter Inneneinrichtung, lustigen Farbverläufen auf dem Dach und uneingehaltenen Fahrdynamikversprechen des sogenannten Go-Kart-Modus nicht mehr allzu viel übrig vom Mini -Mythos. Dinge, die den Kleinen im ersten Leben und teils auch im zweiten unter der Ägide von BMW zum Hit machten, landeten auf der Streichliste. Zum Beispiel mitreißendes Handling, Erschwinglichkeit oder Innovation.
Und jetzt? Spalten sich Verbrenner- und E-Mini in zwei Plattformen und Werke auf. Für den Verbrenner geht es auf dem bewährten UKL-Baukasten weiter, die E-Version fährt auf einer Plattform, die in Kooperation mit Great Wall Motor entstand. Geistige Flashbacks an das völlig desinteressierte Fahrverhalten des weitläufigen Verwandten GWM Ora 03 – ehemals Funky Cat – sind berechtigt, lösen sich jedoch nach wenigen Kurven in Luft auf.
Die Lenkung des Mini arbeitet gewohnt spitz, wirkt aber weniger verkünstelt. Unnötige Schwergängigkeit wich einem angenehmen Handmoment und wurde durch Lebenszeichen von der Vorderachse ergänzt. Viel Feedback gibt es nicht, Untersteuern ist jedoch klar spürbar. Gut, der Lenkkraftaufbau ist noch immer nicht so kernig-organisch, wie man es sich wünscht. Aber wirft man den Neuen im Go-Kart-Modus mit einem knackigen Lenkbefehl in die Ecken, kommen warme Erinnerungen hoch. Er taucht leicht ein, baut Haftung auf und wedelt auf Pedallupfer fröhlich mit dem Heck. Das angelockerte ESP im Go-Kart-Modus lässt diesen Spaß zu. Klar, mit über 1,6 Tonnen Gewicht fehlt dem E-Mini das letzte bisschen Vorwitzigkeit in der Reaktion auf Lenkbefehle. Aber die aus der Vorgängergeneration bekannte Stumpfheit der Vorderachse ist wie weggewaschen.

Trotz des harten Fahrwerks wankt der Mini spürbar. Dennoch fährt er erfrischend agil.
Grip-los lustig
Einen Teil tragen dazu auch die Griparmen Pirelli-Winter Snow-Control-3-Winterreifen mit BMW-Kennung bei. Die zeigen sich an der Vorderachse mit den 218 PS der Permanentmagnet-Synchronmaschine stets überfordert. Rausbeschleunigen wird mangels Differenzialsperre zur reifenfressenden Geduldsprobe. Auf der Teststrecke fährt der Mini auf ebenfalls rollwiderstandsoptimierten Sommer-Michelins deutlich sattelfester und traktionsstärker, bewahrt sich aber sein lebendiges Wesen. Trotz der ebenfalls nicht sonderlich haftungsstarken Sommerbereifung gelingen ihm fixe Zeiten im Slalom und beim doppelten Spurwechsel.
Im Core-Modus, in dem der Cooper startet, geht die Dosierbarkeit der Leistung noch in Ordnung, im Sport-Modus ist die Pedalkennlinie zu aggressiv. Immerhin kann man sich Gaspedal- und Lenkungscharakteristik im Go-Kart-Modus individuell einstellen. Die Grip-armen Pirellis bescheren dem Mini dafür jedoch beachtliche Effizienz. Trotz winterlicher Temperaturen fallen die Verbräuche niedrig und die Reichweiten trotz der eher kleinen 54,2-kWh-Batterie für Kleinwagenverhältnisse sehr ordentlich aus. Zwar hilft dem Mini die stärkere Anrechnung der Eco-Runde auf den Testverbrauch, doch 349 km Eco-Reichweite hat bei winterlichen Temperaturen noch kein Kleinwagen bei uns geschafft.
Hart, härter, Cooper
Indes bezahlt man die gute Rolleffizienz noch mit einem weiteren Nachteil: Die Reifen verfügen über ausgesprochen steife Flanken. Trotz 40er- statt 50er-Querschnitt federt der Mini auf Sommerreifen angenehmer. Die Winter-Pirellis lassen den auch in der neuesten Generation wieder sehr straff abgestimmten Mini wie einen Flummi über kleine Wellen hüpfen. Im gleichen Rhythmus prallt dann der eigene Hinterkopf an die etwas weit nach vorn ragenden integrierten Kopfstützen der Sportsitze.
Die Sitze bieten guten Seitenhalt und eine neigungsverstellbare Sitzfläche, doch die ausziehbare Beinauflage wurde weggespart. Das gleiche Schicksal widerfuhr den Instrumenten. Alles wieder in der Mitte? Nicht ganz, ein Head-up-Display blendet die Geschwindigkeit und einige wenige Zusatzinfos in einer kleinen Plastikscheibe ein – aber nur, wenn man mangels Einzeloptionen ein teures Ausstattungspaket gebucht hat.
Alles Weitere findet gewohnt verspielt auf einem neuen OLED-Touchscreen in der Mitte statt. Der reagiert sehr fix, löst klasse auf, erfordert jedoch eine gewisse Gewöhnung. Denn nicht jede Schaltfläche ist als solche zu erkennen, zudem sind etwa die kleinen Flächen für Sitz- oder Lenkradheizung bei dem Fahrwerksgehoppel nur schwer zu treffen.

Die eckige Darstellung von CarPlay und Android Auto ist im runden Screen etwas klein, läuft aber kabel- und problemlos.
Smart: Fast alles, was der Screen anzeigt, dient auch als Schaltfläche. Heißt: Ein Druck auf die Geschwindigkeitsanzeige bringt den beim Vorgänger verloren gegangenen Mitteltacho zurück. Wer die Anzeigen für Restkilometer oder Assistenz berührt, landet im entsprechenden Einstellungsmenü – ungewohnt, aber ungemein logisch. Für Assistenzfunktionen gibt es ebenso eine Direktwahltaste wie für die Parkassistenz. Letztere bietet scharfe Kamerabilder und einen sehr fixen, einfach zu startenden Einparkassistenten, der den Zwergstromer selbst in engste Lücken manövriert. Ganz stark: die fixe und vielseitig konfigurierbare Laderoutenplanung, die dem Mini eine gewisse Reisetauglichkeit verschafft. Der Tempolimitwarner ist mit einem langen Druck auf die "Set"-Taste am Lenkrad stillgelegt.
Kurzum: Die Bedienung lenkt nochmals mehr ab als beim Vorgänger mit Dreh-Drück-Steller, gehört aber noch zu den besseren Screen-basierten Lösungen. Immer hilfreich: die äußerst umfangreiche Sprachsteuerung, die auch sämtliche Einstellungsmenüs herbeiholen kann.
Der Rest ist wie gewohnt das Werk milde ausgeflippter Innenarchitekten mit gelegentlichem Blick in die Mini-Historie. Funktionslose Bänder zieren Lenkrad und Armaturenbrett, dazu gibt es grauen Stoff als Dekor. Der ist auch nötig, denn in den Türen und auf dem Armaturenbrett lauert reichlich Hartplastik. Statt eines Mittelarmlehnen-Fachs schluckt ein XXL-Brillenetui Kleinkram. Das Kunstleder auf den Sitzen ist angenehm weich, die Rückbank-Sitzfläche sitzt aber seltsam lose.

Wer das Optionslicht bucht, kann sogar die Tagfahrlicht- und Rückleuchtengrafik verändern.
Wünsch dir ein Licht
Noch mehr zu entdecken gibt es auf digitaler Ebene. Denn hier flattern bei Aktivierung des "Green Mode" Vögel durchs Bild, hier ertönen verschiedene, auf Wunsch deaktivierbare Sounds beim Auswählen der "Experience Modes", und die nächtlichen Projektionen auf das Armaturenbrett sowie auch die Zentraldisplay-Darstellungen verändern sich. Bei Aktivierung des Go-Kart-Modus jubelt eine Stimme im Hintergrund – wie wir nun wissen, durchaus zu Recht. Wer das Optionslicht bucht, kann sogar die Tagfahrlicht- und Rückleuchtengrafik verändern. Bei aktivierter Sprachsteuerung redet man mit einer vermenschlichten Fahrzeuganimation – putzig. Ebenfalls putzig: das Raumangebot, denn in Sachen Praktikabilität bleibt der Mini dem Adjektiv seines Markennamens treu: Trotz leicht gewachsener Abmessungen ist der Fond bestenfalls kindertauglich und der Kofferraum ein besseres Handschuhfach. Immerhin gibt es ein Unterflurfach für die Kabel samt verstellbarem Ladeboden, denn unter der Fronthaube sitzt die Antriebstechnik.

Testwagenpreis inklusive aller Extras: 48.330 Euro
Und so sieht er eben aus, der Fortschritt. Bei gestiegenem Gewicht fährt der neue E-Mini viel engagierter als sein Vorgänger, verdoppelt bei winterlichen Bedingungen dessen Reichweite. Dabei ist er nicht mal viel teurer geworden als das alte Modell mit viel kleinerer Batterie; das kostete beim Test 2020 mit dem XL-Paket 40.500 Euro. Zwar sind mehr als 40.000 Euro noch immer surreal für einen Kleinwagen, doch damit befindet sich der Mini in guter Gesellschaft. Also lässt sich der Fortschritt auch beim Preis erkennen, zusätzlich begünstigt durch das erst kürzlich von Mini eingeführte Agenturmodell. Das senkte die Listenpreise, nimmt aber jeden Verhandlungsspielraum. Mit 28.150 Euro für das 135-kW-Basismodell geht’s los. So lädt der Gute-Laune-Modeprinz durchaus dazu ein, ihm näher zu treten.
Mini Cooper S E Favoured Trim | |
Grundpreis | 37.360 € |
Außenmaße | 3858 x 1756 x 1460 mm |
Kofferraumvolumen | 210 bis 800 l |
Höchstgeschwindigkeit | 170 km/h |
0-100 km/h | 6,6 s |
Verbrauch | 0,0 kWh/100 km |
Testverbrauch | 18,7 kWh/100 km |