Mercedes V 300 d im Test: Großer Van mit Diesel – konkurrenzlos, aber schwache Bremsen

Mercedes V 300 d im Test
Diesel-Van – fast konkurrenz-, nicht problemlos

Veröffentlicht am 23.06.2025

Dabei konnte Mercedes sich sogar zurücklehnen und still, leise und womöglich gar mit heimlicher Freude zuschauen, wie sich sowohl der größte Rivale der V-Klasse (VW Bus) als auch ein paar Gegner aus der B-Prominenz aus eigenem Ungeschick um Erfolge brachten. So gefiel sich das Stellantis-Imperium darin, das an sich günstige Großvan-Trio Citroën Spacetourer/Opel Zafira/Peugeot Traveller zeitweise (Citroën/Peugeot) oder gleich dauerhaft (Opel) nur noch als reichweitenkarge, teure E-Versionen anzubieten. Noch schöner für Mercedes aber gewiss, als sie bei VW Nutzfahrzeuge mal so richtig falsch abbogen und dem Multivan nach der Generation T6.1 den T7 folgen ließen – so viel enger im Raum, dafür so unverändert stattlich im Preis, dass sich selbst VW inzwischen etwas schwertut, die Vorzüge des T7 ungekünstelt zu preisen (womöglich zählen sie als Pluspunkt bald auch, dass der T7 dem T6.1 solch einen immens stabilen Werterhalt verschaffe).

Mercedes V 300 d
Hans-Dieter Seufert

Die unangefochtene Spitzenposition des V 300 d

So fiel der Mercedes V-Klasse der erste Rang des Hochklasse-Großvans zu, auf dem er sich als einzig verbliebener Anwärter an sich unumstritten einrichten könnte. Doch nach zwölf Jahren Gesamtlaufzeit und vier Jahre nach der letzten Auffrischung bekommt die V-Klasse eine kleine Modellerfrischung. Die geht nicht so wirklich in die Tiefe des Raums – lohnt nicht mehr, 2026 startet die neue Generation.

Doch will Mercedes den V schon jetzt auf die Spur der Luxusstrategie stellen. Und das nicht nur mit Oberflächlichkeiten wie dem imposanteren, besternbaren Grill, fescheren Grafiken für Lichter, Leuchten sowie Alurädern. Dazu aktualisieren die Techniker Infotainment, Komfortumtüddelung und Assistenz auf das Niveau der Pkw-Modelle.

Also nun auch hier: das trotz enormer Funktionsfülle niederschwellig bedienbare Doppelbildschirm-Infotainment mitsamt Augmented-Reality-Einblendung fürs Navi, kabelloses Telefonauf laden, dimmbare Fondbeschimmerung und eine Auswahl aus 64 Farben für die Interieur-Illuminierung. Noch erhellender: das Multibeam-Licht mit 84 LEDs pro Scheinwerfer. Zudem erkennt die Assistenz nun auch notbremswürdige Situationen beim Abbiegen an Kreuzungen. Ach, und eine neue 360-Grad-Rundumkamera fürs Parken sowie ein Kamera-Innenspiegel verbessern die Rundum- wie Rücksicht aus dem Van.

Mercedes V 300 d, Display
Hans-Dieter Seufert

Bedenkt man, dass man mit dem Mercedes V 300 d ja dauernd zehn Quadratmeter an Karosseriegrundfläche durch die Weltgeschichte wuchtet, mogelt er sich damit erstaunlich wendig und behände durch den Verkehr. Vor allem aber verschafft ihm sein Format eine Platzfülle, in welcher es sich zu sechst in geradezu verschwenderischer Weiträumigkeit verreisen lässt.

Gegenüber Sitzen bringt Flexibilität

Den Testwagen möblieren sechs Einzelsitze, die hinteren lassen sich zum Vis-a-vis-Ensemble umgruppieren, in der Lehnenneigung variieren und in Längsposition verrücken. Das aber nur über 10 cm – mehr könnte die Passagiere beim Crash zu nah an den Lehnen der Sitze davor oder zu entfernt von den Idealpositionen der seitlichen Kopfairbags positionieren. Noch drei Dinge zu den vier Rücksitzen. Das erste, bekannte: Alle lassen sich natürlich ausbauen. Dass es dabei zweitens gilt, jeweils vergleichsweise leichte 19 kg aus dem Auto zu wuchten, liegt am Drittens: Das Grundkonstrukt der Integralsitze stammt vom Renault Espace IV.

Mercedes V 300 d, Sitze
Hans-Dieter Seufert

Nach diesem kleinen Beitrag aus dem Bereich des unnützen Wissens starten wir nun aber mal den Motor. Im 300 d also die stärkste verfügbare Variante des OM 654, des Vierzylinder-Turbodiesel. Dessen Kraft von 237 PS und Wucht von 500 Nm erfährt in ihrer Rasanz durch das Leergewicht von 2.395 kg eine Abmilderung zur diskreten Drangfülle. Sie genügt für nullhundert in 8,9 Sekunden, lässt sich aber durch 705 kg Zuladung weiter dimmen. Doch verschafft der beim Ausdrehen kernige Zweiliter dem 300 d eine ebenso zeitwie kraftstoffeffiziente Weitreisefertigkeit (Eco- und Testverbrauch: 7,1 und 8,5 l/100 km). Überhaupt zählt es zu den erhabenen Vergnügungen, von der sachten Entrücktheit von 86,5 cm Sitzhöhe aus an einem Vormittag die autobahnnahe Landschaft von drei, vier Bundesländern an den großen Scheiben vorbeiwitschen zu sehen. Für einen Transporterbasierten gelingt das dem V wegen der Luftfederung (2.331 Euro) mit fast flauschigem, nur beim Anfedern mitunter etwas hoppeligem Komfort.

Mercedes V-Klasse – hektische Lenkung, schwache Bremsen

Mehr ins Wanken als ins Hoppeln gerät die V-Klasse auf der Landstraße. Größere Kurvengeselligkeit wurde von ihr gewiss nicht erwartet. Aber womöglich etwas mehr Gefühl und Gelassenheit in der Lenkung. Liegt auch am für ein so großes Auto seltsam kleinen Lenkrad, mit dem der V in etwas unsteter Hibbeligkeit in Biegungen herumkurvt, aus der das ESP den Wagen herb zurückbremst. Womit der Moment gekommen ist, erneut den ollen Bonaparte zu Wort zu bitten mit: "Größe ist nichts – es sei denn, sie ist lang anhaltend."

Mercedes V 300 d, Cockpit
Hans-Dieter Seufert

Wobei es eher um das lange Anhalten des großen Mercedes geht. Aus Tempo 100 steht er mit kalter Anlage bei einer Vollbremsung erst nach 40,5 Metern. Warm gebremst verbessert er sich bei der zehnten Vollbremsung nur um 0,2 auf 40,3 Meter. Der letzte Dacia Jogger, der bei uns war, stand beim zehnten Anlauf nach 36,4 Metern. Sie ahnen, dass nun das kleine Physikkolleg folgt: An der Stelle, an welcher der Jogger steht, hat der V 300 d noch 31 km/h drauf.

Wir riefen daraufhin bei Mercedes an, um zu hören, was die dazu sagen. Sie sagten: Das sei im Rahmen ihrer Erwartungen. Nun, mag sein, für uns aber liegt es nicht mehr im Rahmen des Akzeptablen, erst recht nicht für einen zum Vielpersonentransport und einen, der in Testwagenkonfiguration 91.794 Euro kostet. Starke Bremsen zu entwickeln, ist keine Raketenwissenschaft. Wie kann Mercedes solch eine Selbstverständlichkeit durchgehen und damit das Testergebnis des V 300 ruinieren, fragen Sie sich? Wir uns auch und finden einen Hinweis – nicht bei Napoleon, aber bei Konfuzius: "Man stolpert nicht über Berge, sondern über Maulwurfshügel."

Technische Daten
Mercedes V 300 d lang Avantgarde
Grundpreis78.838 €
Außenmaße5140 x 1928 x 1901 mm
Kofferraumvolumen1030 bis 4630 l
Hubraum / Motor1950 cm³ / 4-Zylinder
Leistung174 kW / 237 PS bei 4200 U/min
Höchstgeschwindigkeit220 km/h
0-100 km/h8,9 s
Verbrauch6,4 l/100 km
Testverbrauch8,5 l/100 km