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Mercedes ML 350 CDI Supertest
Härteprüfung für die dritte Generation M-Klasse

Der Mercedes ML ist für die Marke eine riesige Erfolgsgeschichte. Seit Anfang an wichtig: die Geländetauglichkeit. Gilt das auch noch für die aktuelle Generation der Mercedes M-Klasse? Im Supertest prüfen wir das.

Mercedes ML 350 CDI Bluetec Supertest / Test 4wf
Foto: ts/bk

Wenn es um Off-Road-Kompetenz geht, brauchen die Schwaben keine Nachhilfe. Wie man einen guten Geländewagen baut, weiß man bei Mercedes seit vielen Jahrzehnten. Entsprechend motiviert ging man auch an die Entwicklung der Mercedes M-Klasse, die bereits 1997 trotz der soften Karosserie-Optik mit Untersetzung und Traktionshilfe erstaunlich tapfer durchs Gelände wühlte. Seit 2011 ist man bei der dritten Generation, dem W166, angelangt. Hat der das Zeug, seine Vorgänger offroad in den Schatten zu stellen?

Unsere Highlights

Mercedes ML 350 CDI im Supertest

Um das zu klären, muss der M-Klasse-Kunde etwas tiefer in die Tasche greifen. Zum Kaufpreis von wenigstens 55.989 Euro für den ML 250 Bluetec gesellen sich mindestens zwei Optionen, die dem Fortkommen abseits der Straße recht zuträglich sind: das höhenverstellbare Luftfederfahrwerk ist Voraussetzung, um auch das Offroad-Paket erwerben zu dürfen, das aus schaltbarer Getriebeuntersetzung, automatischer Verteilergetriebesperre, Unterfahrschutz und modifizierter Steuerung für die Traktionselektronik besteht.

4.296 Euro kostet das Päckchen und kann noch um weitere 3.689 Euro aufgestockt werden, wenn man das im Testwagen verbaute Active Curve System mit ankreuzt. Das sind aktive Stabilisatoren, die nicht nur auf der Straße die Wankneigung verringern, sondern auch im Gelände durch Entkoppelung die Verschränkung erhöhen.
Im Supertest trat der Mercedes als ML 350 CDI an. Sein Dreiliter-Diesel mit 258 PS hatte schon im Vergleichstest mit BMW X5 und Range Rover Sport einen guten Eindruck hinterlassen.

Besonders das Thema Reise schreibt er groß: erstaunlich genügsam, sehr durchzugsstark und ausgesprochen leise geht der ML 350 seinem Alltags-Job nach. Die prima funktionierende Start-Stop-Funktion in Verbindung mit der serienmäßigen Siebengang-Automatik kann auch im Stadtverkehr kräftig punkten. Große Touren sind jedoch seine Parade-Disziplin. Gilt das auch abseits aller befestigten Wege?

Mercedes ML 350 CDI mit Offroad-Paket

Neu in dieser Generation ist die Auswahl aus verschiedenen Fahrprogrammen per Drehregler, zwei davon sind für den Offroad-Betrieb reserviert. Manuell betätigt werden kann (bei installiertem Offroad-Paket) außerdem die Fahrwerkshöhe, die Bergabfahrkontrolle  und die Schaltung des Untersetzungsgetriebes. Was sich gerade in welchem Programm mit dem Auto abspielt, lässt sich wahlweise im Bordmonitor einblenden – samt stilisiertem Hintergrund je nach Fahrprogramm und Darstellung der Fahrwerks-Arbeit.

Wie sich der Mercedes ML 350 Bluetec in unserem Supertest geschlagen hat, lesen Sie in den Einzelwertungen und dem Fazit.

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Test Wertungen
Unterboden
38
maximal 10 Punkte

Ein Bestandteil des 2.261 Euro teuren Offroad-Pakets ist ein sehr stabiler Unterfahrschutz aus Stahl für den Motor und Kunststoff-Schwellerschützer an der Seite – das relativiert den Aufpreis. Dass die Kunststoff-Gleiter überraschend robust sind, haben sie bereits im Mercedes GLK unter Beweis gestellt. Unter dem Getriebe ist ein Querträger verbaut, der ebenfalls vor Beschädigungen schützt. Pkw-mäßig zeigen sich die Einschraubösen für einen Bergehaken, die im Geländeeinsatz nur bedingt praxistauglich sind. Überraschend solide und üppig dimensioniert fallen die Achslenker aus, die Vertrauen auch für ausgedehnte Pistenfahrten erwecken. Die Abgasanlage ragt ganz leicht aus der Unterboden-Sihouette heraus, im Heckbereich strecken sich Tank und Endtopf dem Boden entgegen. Gut gelöst ist dagegen das versteckt und hochgezogen montierte Endrohr.

Mercedes ML 350 CDI Bluetec Supertest / Test 4wf
ts/bk
Verschränkung
143
maximal 200 Punkte

285 Millimeter Bodenfreiheit in der höchsten Fahrwerksstellung sind ein Wort. Dazu gewinnt die Verschränkung durch die im Offroad-II-Programm entkoppelten Stabis (Sonderausstattung) sicht- und spürbar. Sie liegt mit 200 Millimetern über der des Vorgängers, der bei hochgefahrenem Luftfederfahrwerk extrem unflexibel und staksig reagierte. Ein klarer Fortschritt. Die Überhänge fallen noch relativ ordentlich aus, beim Rampenwinkel muss der ML-Pilot allerdings sehr früh passen.

Auf mehreren Teilen der zweiten Verwindungsbahn muss die „Ausweichroute“ gewählt werden. Ausgezeichnet steht es um die Karosseriesteifigkeit, nichts knarzt und knackt, auch bei weit gehobenem Bein lassen sich alle Türen mustergültig öffnen und schließen. Trotz der etwas besseren Verschränkung als beim Vorgänger lupft der Mercedes ML 350 CDI sehr oft. Das läuft komfortabler ab als beim Vorgängermodell, weil noch Restfederweg zur Verfügung steht, dennoch stellt sich ein etwas gummi-artiges Fahrgefühl auf dem Verwindungsparcours ein. Die Traktionskontrolle möchte bei abgehobenen Rädern mit viel Drehzahl zur passenden Reaktion überredet werden, kontrolliertes und behutsames Fahren fällt schwer.

Mercedes ML 350 CDI Bluetec Supertest / Test 4wf
ts/bk
Fahrwerk
89
maximal 100 Punkte

Der gute Eindruck von der Federungsabstimmung verstärkt sich im festen Geröllhang. Das Fahrwerk hält sehr guten Kontakt zum Untergrund, springende Räder gibt es nicht, stattdessen schmiegen sich die AT-Reifen direkt über den holprigen Hang. Der ML läuft auch ohne Bergabfahrkontrolle ganz lässig bergab. Überlässt das Bremsmoment der Untersetzung und macht auf kommodes Reisefahrzeug. Das ähnliche Bild ergibt sich bergauf. Sehr stressfrei kraxelt die M-Klasse ohne Hast den Geröllhang hinauf.

Auch beim Anfahren im Geröllhang kein Haspler oder durchrutschen, ausgezeichnete Traktion. Verworfenen, festen Untergrund kann er gut, zumindest mit der Luftfederung und der darin integrierten adaptiven Dämpfung ADS II. Diese automatische Dämpferanpassung je nach Fahrsituation ist auch im Gelände ein echter Gewinn. Nicht nur an dieser Stelle jedoch eine eher langwierige Geschichte: die Fahrwerks-Höhenänderung ist ein Geduldsspiel. Bis der ML vom normalem auf dem höchsten Fahrwerkslevel angelangt ist, kann man auch ein Tässchen Kaffee genießen.

Mercedes ML 350 CDI Bluetec Supertest / Test 4wf
ts/bk
Steigfähigkeit
190
maximal 200 Punkte

Sollte im Leben eines ML 350 Bluetec-Fahrers einmal ein wirklich steiler Hang am Horizont dräuen, darf er diesen ohne Umschweife entern. Es ist nicht nur der bärige V6-Diesel mit dem fetten Drehmoment, der unsere Steigungsbahnen im Supertest praktisch als Nebenjob erledigt. Bergauf kann man es mit jeder Gaspedalstellung und in den Gängen eins bis drei versuchen, selbst ohne Untersetzung stürmt er noch die steilste Bahn hinauf. Die Berganfahkontrolle gibt einem knapp zwei Sekunden Zeit, um von der Bremse auf das Gaspedal zu wechseln.

Das Anfahren selbst in der steilsten Bahn ist ein Kinderspiel. Der gesperrte erste Gang in der Untersetzung genügt selbst in der 55-Prozent-Steigung bergab, um das Tempo ganz ohne elektronische Stütze bei 9-10 km/h zu halten. Vielleicht ist diese Top-Performance auch wegen der elektronischen Bergabfahrhilfe nötig: die lässt sich zwar manuell auf jedes gewünschte Tempo bis 2 km/h einstellen und funktioniert auch sehr feinfühlig sowie ohne übermäßiges Geratter. Doch bis zum ansprechen vergeht einige Zeit. So stürzen wir bei der Einfahrt zunächst erst einige Meter die steilste Bahn hinunter, bevor die Elektronik regelt und die Fuhre einbremst. Das ginge auch unspektakulärer.

Mercedes ML 350 CDI Bluetec Supertest / Test 4wf
ts/bk
Handling
86
maximal 100 Punkte

Das ESP der neuen M-Klasse lässt sich per Schalter deaktivieren. Teilweise. Denn so richtig trauen die Entwickler dem Frieden nicht. Bei richtig heftiger Fahrweise wird auch beim abgeschalteten Schleuderschutz die vollautomatische Radbremsfunktion aufgerufen und die Fuhre gezügelt. Jedoch nicht gar so rüde, wie es bereits bei anderen Herstellern zu beobachten war, ein gewisser Restschwung wird dem Auto von der Elektronik zugestanden.

Das Spektakel wird vom automatischen Gurtstraffer garniert, der aufgeregt am Sicherheitsgurt zupft. Dabei wollen wir nur spielen. Eigentlich schade, denn Fahrwerk, Lenkung und Leistungsentfaltung sind ausgesprochen spaßfördernd im Tiefsand. Der ML 350 Bluetec lässt sich geradezu spielerisch dirigieren und stürmt außerordentlich flott im Rallyetempo über die lange Lockersandstrecke. Bis auf das übereifrige elektronische Sicherheitsprotokoll, das der ML bei forcierter Fahrweise pflichtbewusst abarbeitet, eine glänzende Vorstellung.

Mercedes ML 350 CDI Bluetec Supertest / Test 4wf
ts/bk
Wat-Verhalten
72
maximal 100 Punkte

Mit dem optionalen Offroad-Paket samt Luftfederung in der höchsten Stellung gibt Mercedes 60 cm Wassertiefe frei. Das ist ein beachtlicher Wert, Jeep erlaubt dem Wrangler Rubicon zwölf Zentimeter weniger, Mercedes selbst dem zweifelsfrei geländetauglicheren G-Modell auch nur 50 Zentimeter. Beim ML der neuen Generation bedeuten 60 Zentimeter exakt die Schwellerhöhe beim Luftfederfahrwerk in der höchsten Stellung. Wasser dringt daher nicht in den Innenraum.

Dafür möglicherweise an andere Stellen. Die Luftansaugung des V6 liegt trichterförmig direkt auf dem Kühler, nach vorne gerichtet. Durch das Front-Design schaufelt der ML 350 Bluetec schon bei geringster Geschwindigkeit eine beachtliche Bugwelle vor sich her, welche die Wasserhöhe vor dem Auto deutlich anhebt und alles Wasser direkt in Richtung Luftansaugung strömen lässt. Und davon bekommt man wegen der Karosserieform (siehe Trial-Wertung) noch nicht einmal etwas mit. Lebensgefährlich für den Motor. Von der werkseitig freigegebenen Wattiefe müssen wir daher dringend abraten, maximal 40 Zentimeter Wassertiefe scheinen bei sehr langsamer Furtgeschwindigkeit gerade noch vertretbar.

Mercedes ML 350 CDI Bluetec Supertest / Test 4wf
ts/bk
Übersichtlichkeit / Wendigkeit
55
maximal 100 Punkte

Speziell an der Vorderseite hilft nur raten. Wo das Auto vorne beginnt, lässt sich einfach nicht erkennen. Ebenso wenig das, was sich unmittelbar vor dem Auto abspielt. Die runde Front ist unübersichtlich, die vorderen Konturen nicht einmal zu erahnen. Die Sicht nach rechts hinten ist durch die extravagante C-Säule limitiert. Der Wendekreis fällt klassenüblich aus, in Sachen Abmessung ist der ML bei den dicken Brummern daheim, fällt aber nicht wegen Überbreite auf – der aktuelle Jeep Grand Cherokee ist sogar zwei Zentimeter breiter. Dennoch ist der ML im engen Geläuf mit Vorsicht zu handhaben. Ausgezeichnet ist die Möglichkeit, mit Untersetzung ohne gesperrtes Verteilergetriebe rangieren und um Hindernisse kurven zu können.

Mercedes ML 350 CDI Bluetec Supertest / Test 4wf
ts/bk
Traktion
38
maximal 50 Punkte

Der neue Mercedes ML 350 CDI kommt mit Bärenkräften, setzt sie aber mit Bedacht ein. Auf tiefem Untergrund ist das sogar von Vorteil. Er reißt nicht aus dem Stand wild an, sondern drückt nachhaltig nach vorne. Das ist im Endeffekt zwar nicht langsamer als die pseudohektische Abstimmung anderer Oberklasse-SUV, aber besonders auf tiefem Untergrund effektiver. Der erste Gang des Automatikgetriebes und die Achsen sind vergleichsweise lang übersetzt, die Untersetzung mit 2,93:1 dagegen ausgesprochen kurz. Das sollte man entsprechend einsetzen: wenn es wirklich tief wird, sollte man keine Scheu haben, die Untersetzung frühzeitig zu aktivieren. Zwei Geländeprogramme stehen zur Wahl, die unter anderem das Regelprogramm für Traktionskontrolle, ABS, aktive Stabis und die Mittelsperre beeinflussen.

Mercedes ML 350 CDI Bluetec Supertest / Test 4wf
ts/bk
Antriebssystem
57
maximal 100 Punkte

Ob Mercedes und Jeep den gleichen Programmierer haben? Denn im Sandhang, wo wir das Antriebssystem der Supertest-Kandidaten auf Herz und Nieren testen, zeigt der neue ML eine identische Schwäche wie der Jeep Grand Cherokee: egal welches Offroad-Programm an den Start geschickt wird, in dieser Prüfung scheitert er in der Untersetzung. Die Traktionskontrolle bremst die Räder immer wieder bis fast zum Stillstand ab, statt vorwärts geht es allenfalls nach unten.

Erst im Straßen-Allrad und mit gesperrtem ersten Gang wird der Hang bezwungen - da könnte man sich all die Elektronik auch sparen. Hinderlich ist auch die Eigenart der Luftfederung, bereits bei geringer Geschwindigkeit von rund 20 km/h selbsttätig das höchste Fahrwerkslevel zu verlassen. Mit durchdrehenden Rädern ist dieses „Tempo“ flott erreicht und mitten im Hang beginnt der Wagen, sich abzusenken. Das ist um so fataler, weil die Bodenfreiheit unter dem Auto generell nicht all zu üppig bemessen ist. 28 Zentimeter hören sich zwar nach viel an, doch im Gegensatz zu „echten“ Geländewagen ist das nicht der Platz nur unter dem Differential, sondern unter dem gesamten Auto. Entsprechend schnell gibt es eine formschlüssige Verbindung mit dem Untergrund.


Mercedes ML 350 CDI Bluetec Supertest / Test 4wf
ts/bk

Fazit

Der Mercedes ML 350 CDI ist in Sachen Geländetauglichkeit eher über dem Vorgänger anzusiedeln. Besondere Fortschritte hat es bei der Luftfederung gegeben, die nicht nur besser verschränkt, sondern auch in der höchsten Fahrwerksstellung Restfederweg bereit stellt. Motor und Getriebe liefern Kraft in jeder Lebenslage, das Handling des ML ist ausgezeichnet. Schade, dass die Elektronik in manchen Situationen übereifrig reagiert und ein besseres Abschneiden verhindert. Der ML schlägt sich im Gelände deutlich besser als viele andere moderne SUV, extreme Touren sollte man ihm aber nicht abverlangen – was wohl auch die wenigsten Käufer tun werden.

Technische Daten
Mercedes ML 350 BlueTEC 4Matic
Grundpreis60.036 €
Außenmaße4804 x 1926 x 1796 mm
Kofferraumvolumen690 bis 2010 l
Hubraum / Motor2987 cm³ / 6-Zylinder
Leistung190 kW / 258 PS bei 3600 U/min
Höchstgeschwindigkeit224 km/h
0-100 km/h7,7 s
Verbrauch6,8 l/100 km
Testverbrauch10,8 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 15 / 2024

Erscheinungsdatum 03.07.2024

148 Seiten