Wenn Autohersteller ein Sportmodell explizit für die Rennstrecke aufrüsten, werden typischerweise alle Performance-relevanten Bauteile modi-fiziert oder ausgetauscht. Je nach Basis kann vielleicht ein Bremssattel oder ein Reifentyp unverändert bleiben, aber Anpassungen an der Rad-aufhängung sind praktisch gesetzt. Nicht so beim Mercedes- AMG GT 63 Pro 4Matic+, der die Aufhängungskomponenten vom normalen GT 63 übernimmt. Demnach unterscheiden sich beide Versionen weder im hohen Gran-Turismo-Komfort noch im Handling. Dazu muss man wissen, dass der Mercedes GT ohnehin mit viel Hightech gegen sein immenses Gewicht ankämpft.
Wie gut ihm das gelingt? Das prüfen wir zum Auftakt auf einer Landstraßenrunde, denn dort haben die Pro-Modifikationen sowieso keine Relevanz, um die kümmern wir uns später. Also dann, bitte reinsetzen!
Die Mittelkonsole baut sich im Mercedes neben dir weniger brachial auf als im Vorgänger, aber trotz C-Klasse-Touchscreen wirkt’s hier nicht wie in einer Limou-sine. Im Gegenteil: Der geringe Abstand zwischen Armaturenbrett und Dachhimmelansatz ergibt eine Sport-coupé-Gucköffnung, durch die du aus deiner tiefen Sitzposition gut siehst – vor allem viel von der langen Schnauze.

Der geringe Abstand zwischen Armaturenbrett und Dachhimmelansatz ergibt eine Sport-coupé-Gucköffnung. Gute Sicht auch aus tiefer Sitzposition.
Technik mit Superhirn
Unter der Coupé-Karosserie sind die aktiven Stabis an die Hydraulik der Stoßdämpfer gekoppelt, werden aber separat von ihnen geregelt. In Kur-ven wankt der AMG gefühlt überhaupt nicht, du bewegst dich im haltstarken Sitz ebenfalls nicht, und selbst wenn du fast ruckartig einlenkst, folgt der allradgelenkte Dynamik-Benz dem Lenkeinschlag gefühlt verzögerungsfrei. Diese supersportliche Bewegungslosigkeit und Direktheit erstaunen, liefern mächtig Präzision, rauben teils aber auch Rückmeldung. Das oft hohe Kurventempo spürst du höchstens mal in engeren Ecken, wenn die Michelin Pilot Sport S 5 so intensiv in den Asphalt greifen, dass die Querkräfte am Gesicht zerren.
Und dann zaubert der AMG auch noch: Auf der Hausstrecke liegen zwei spitze Bergab-Rechts mit bester Sicht in alle Richtungen. Dort fallen die meisten Autos schon bei eher verhaltenem Tempo in einen kurzen Untersteuerimpuls. Der GT aber nicht, weil sein Allradgehirn derart blitzartig reagiert, dass du denkst, es wisse schon vorher, was jetzt kommt. Im Sport-Handling genannten ESP-Modus rutscht er vorne nicht weg, sondern drückt das Heck genau an den richtigen Stellen sanft nach außen – ganz ohne Synthetik im Fahrgefühl. Wahnsinnig gut!

Im Sport-Handling genannten ESP-Modus kann der Mercedes-AMG GT punkten. Er rutscht vorne nicht weg, sondern drückt das Heck an den richtigen Stellen sanft nach außen.
Das mangelnde Tempogefühl in offeneren Kurven dagegen ist zuweilen beim Mercedes problematisch: Wenn du hier den in allen Tourenlagen beachtlich reaktionsstarken Biturbo-V8 kitzelst, dann kann aus etwas zu schnell ganz schnell viel zu schnell werden.
Der Antriebsklang hilft beim Einschätzen auch nicht, denn obenraus verklumpt das Klangbild, weshalb du kaum raushörst, ob 4.500 oder 6.500/min anliegen. Ohnehin flüstert der V8 eher, stattdessen dominiert die mit zwei Klappen geregelte Abgasanlage und auch die Anfettung tönt hauptsächlich aus den Hecklautsprechern. Wie die Redaktion den Soundtrack bewertet? Von "Ganz okay" biswild fluchend. Das maue Klangerlebnis kann auch Händlern nicht gefallen, denn die müssen auf Probefahrten ja irgendwie die exorbitanten Preise verargumentieren.
Knapp 30 000 Euro extra für die Pro-Version
Der Mercedes-AMG GT 63 Pro 4Matic+ kostet 219.674 Euro, was einen Pro-Aufpreis von 29.482 Euro oder 15,5 Prozent bedeutet. Darin enthalten ist viel Ausstattung, die es beim Ausgangsmodell gegen Aufpreis gibt: Aeropaket, Carbonpaket, Carbon-Keramik-Bremse, Schmiederäder und Performance-Sitze. Wenn du all das in einen regulären GT 63 klickst, steigt der Preis um 19.011 Euro.

Performance-Sitze sind eines der zusätzlichen Ausstattungsmerkmale der Pro-Version.
Eine Rechnung später schrumpft die Differenz jedoch auf 10.471 Euro. Pro-exklusiv sind außen die aerodynamisch und optisch umgestaltete Frontschürze, ein Flaggenemblem und die Hot-Lap-Gummis vom Typ Michelin Pilot Sport Cup 2 R (kostenlose Option). Am Unterboden wurden die Lufteinlässe zur Aggregatekühlung erweitert; modifizierte Leitelemente und Abdeckbleche lenken mehr Luft an die Vorderachsbremsen. Auch die Carbon-Keramik-Scheiben unterscheiden sich von denen im normalen GT durch eine spezielle Innenbelüftung. Weiter geht die Hitzebekämpfung mit den Kühlkörpern am Verteilergetriebe und den Differenzialen, die im Pro flüssigkeitsgekühlt sind. Für die Leistungs-Upgrades durchlief der Bodybuilder-Benz nur eine kleine Muskelaufbau-Periode mit Zu gewinnen per Software-Spritze: plus 6 kg, 50 Nm und 27 PS auf 1.927 kg, 850 Nm und 612 PS.
Fahrstabil und superschnell zeigt sich der Mercedes-AMG GT 63 Pro
Wenn du den V8 auf dem Hockenheimring zügellos toben lässt, klappt’s auch mit dem Geschwindigkeitsgefühl, einfach weil das Tempo mächtig eskaliert – am Ende der Parabolika liegen knapp 260 km/h an. Und an den Scheitelpunkten geht’s mehr als nachdrücklich und actionreich vorwärts: Trittst du wenig zaghaft aufs Gas, mischt der Allradantrieb selbst mit aktivem Sport-ESP einen guten Schuss Heckagilität ins Fahrgeschehen. Das Hinterteil bewegt sich hin und wieder auch mal früher im Kurvenverlauf, aber stets angekündigt und gut kontrollierbar. Auch auf der Bremse ist die Vertrauensfrage sofort geklärt: Mit dem klassischen Vakuum-Bremskraftverstärker dosierst du intuitiv, fühlst im Fuß ein bisschen was von der ABS-Regelung. Und der GT hält beim Ankern fast immer sauber die Spur.
Nicht immer so toll: das Getriebe. Zwar findest du den richtigen Schaltzeitpunkt mit dem Pro-exklusiven Warnpiepser locker. Aber die nicht übermäßig zackige Automatik ignoriert teils Befehle zum Herunterschalten, obwohl es genug Drehzahlspielraum gäbe. Wenn der Computer die Gänge verwaltet, gelingt ihm das auf dem Hockenheimring fehlerfrei.
Der macht heute Nachmittag bald zu, also wechseln wir jetzt auf den Cup-2-R-Radsatz. Mit den kaum straßentauglichen Semislicks wird das Einlenken noch eine Ecke wilder, und wenn du kurveneingangs mal zu motiviert ankommst, rutscht der GT weniger stark über die Vorderräder und fängt sich zügiger wieder. Dabei kommt die Haftungsreduktion klarer in der sauber abgestimmten Lenkung an. Ansonsten winseln die R-Reifen viel weniger, lassen das ABS noch feinfühliger wirken und verhindern durch ihr Traktionsplus meist das lustige Poporaushängen.
Womit die Pro-Faktoren beim GT erklärt wären: Er ist hitzebeständiger und radikalbereift präziser, ernsthafter, schneller.
Mercedes AMG GT 63 pro | |
Grundpreis | 219.674 € |
Außenmaße | 4728 x 1984 x 1354 mm |
Kofferraumvolumen | 321 bis 675 l |
Hubraum / Motor | 3982 cm³ / 8-Zylinder |
Leistung | 450 kW / 612 PS bei 5750 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 317 km/h |
0-100 km/h | 3,2 s |
Testverbrauch | 12,7 l/100 km |