Mercedes-AMG CLE 53 4Matic+ Coupé im Test

Mercedes-AMG CLE 53 4Matic+ Coupé im Test
Dieser AMG weckt wieder Emotionen

Veröffentlicht am 01.12.2024

Lang gezogene Autobahnkurven werden zur Parabolica, beim Boxenstopp an der Raststätte unterschreibt man die Tankquittung in Gedanken beinahe mit dem Nachnamen "Schneider", und eigentlich fehlen nur noch die Startnummern auf den Türen: Das Mercedes-AMG CLE 53 4Matic+ Coupé liefert im Alltag die fast perfekte Illusion, damit wir Ottonormalos uns ein bisschen wie Mercedes-Motorsportlegende Bernd Schneider fühlen können.

In Affalterbach feiern sie dieses Jahr nicht nur den 60. Geburtstag ihres ehemaligen Werksrennfahrers und mit fünf Meistertiteln bis heute erfolgreichsten DTM-Piloten aller Zeiten, sondern auch wieder ihren Reihensechszylinder. Das Triebwerk ist in ähnlicher Ausprägung unter anderem aus dem AMG GT 53 4Matic+ bekannt – drei Liter Hubraum und Doppelaufladung mit Abgasturbolader und elektrischem Zusatzverdichter. Für den Mercedes CLE 53 wurde es mit neu gestalteten Ein- und Auslasskanälen, neuen Kolbenringen, optimierter Einspritzung und neuem Abgasturbolader nochmals überarbeitet.

Heiseres Volllast-Fauchen

Die Nennleistung des intern M 256 M genannten Reihensechsers liegt im Mercedes CLE 53 4Matic+ Coupé bei 449 PS. Der in die Getriebeglocke integrierte Startergenerator steuert kurzzeitig nochmals bis zu 17 kW bei, in alter Währung 23 PS. Dank des elektrischen Zusatzverdichters steigt der maximale Ladedruck von 0,9 auf 1,5 bar. Ergebnis: Ein höheres Drehmoment von dauerhaft bis zu 560 Nm; 600 Nm sind es im Overboost für bis zu zwölf Sekunden.

Wichtiger als das Zahlenwerk ist am Ende aber doch, wie sich ein Motor in der Realität anfühlt. Und da hängt der Reihensechser bereits im Drehzahlkeller motiviert am Gas und begeistert anschließend mit seiner Drehfreude. Die Leistungsentfaltung verläuft homogen über das gesamte Drehzahlband – oder anders formuliert: Druck gibt’s in allen Lebenslagen. Speziell auf der Autobahn feiert man das Sport-Coupé für seine Beschleunigung, seinen Durchzug und die von 250 auf 270 km/h angehobene Höchstgeschwindigkeit (mit optionalem AMG Driver’s Package).

Besonders im stürmischsten der sechs Fahrprogramme, dem sogenannten Race-Modus (optional mit AMG Dynamic Plus Paket), packt einen dieses Dreiliter-Triebwerk mit seinem heiseren Reihensechser-Volllast-Fauchen. Ein Aggregat, das die Fan-Seele nicht nur ob seiner Leistungsdaten, sondern auch wieder mit Emotionen umarmt. Beim größeren Bruder namens C 63 S E Performance mit dem kurzzeitig bis zu 680 PS starken PHEV-Vierzylinder hat das eine funktioniert, aber das andere ist gründlich in die Hose gegangen.

Mercedes-AMG CLE 53, Motor
Achim Hartmann

Doch der CLE bietet noch mehr helle Momente, im wahren Wortsinn: Die sogenannten "Digital Light"-Scheinwerfer, die nach dem Prinzip eines HD-Beamers funktionieren, leuchten in der Nacht die Ideallinie präzise aus. Sie erleichtern mit ihrer perfekten Lichtqualität hohes Tempo und ermüden die Augen auf langen Autobahnetappen kaum. Dabei nimmt der adaptive Fernlichtassistent Rücksicht auf die anderen Verkehrsteilnehmer und blendet sie gezielt aus. Wütend aufflammende Lkw-Scheinwerfer von der Gegenspur gehören hier nicht mehr zum Autobahnprogramm.

Nicht so recht in das sportive Gesamtkonzept will jedoch im Mercedes CLE 53 der Automatik-Wählhebel am Lenkstock passen, der eher an gediegene Oldtimer mit Stern erinnert. Dass auch das muskulöse Coupé an dieser Stelle eine kostenreduzierende Gleichteile-Strategie mit den Basis-Benzen über sich ergehen lassen musste, ist aber beim ersten Zug an den Wippen vergessen. Am Lenkrad mitdrehende Schaltwippen aus feinstem Aluminium zappen mit schnellen Reaktions- und Schaltzeiten durch die Fahrstufen des Neunganggetriebes.

Überhaupt gibt’s heute viel Applaus für das Gesamtpaket dieses AMG. Während der stimmige Reihensechser zur Attacke trommelt, fällt es nicht nur Querdynamiktalenten wie Bernd Schneider leicht, sämtliche Kurvenradien mit konstantem Lenkeinschlag zu durcheilen. Die dreistufige Lenkung glänzt vor allem in den Modi "Sport", "Sport+" und "Race" mit sportivem Handmoment und aus der Mittellage heraus mit präzisem Feedback. Wiederholtes Nachlenken auf der Suche nach Präzision? Fehlanzeige. In schnellen Autobahnkurven agiert die Lenkung nicht zu stumpf, aber auch nicht zu spitz, was ja gern zu ungewolltem Schweiß auf den Handflächen führt.

Ebenso überzeugend: das harmonische Zusammenspiel der konventionellen Lenkung mit der serienmäßigen Hinterachslenkung, die mit einem maximalen Winkel bis zu 2,5 Grad arbeitet. Je nach Fahrsituation und Geschwindigkeit schlagen die Hinterräder parallel oder entgegengesetzt zu den Vorderrädern ein. Ergebnis: eine bessere Handlichkeit bei niedrigen Tempi im Stadtverkehr und eine höhere Fahrstabilität bei höheren Geschwindigkeiten. Doch nicht nur dem Lenkungskonzept gelingt der Spagat zwischen Komfort und Sport bemerkenswert gut, sondern auch dem serienmäßigen Adaptivfahrwerk mit den drei anwählbaren Dämpferkennlinien "Comfort", "Sport" und "Sport+".

Der Mercedes CLE 53 4Matic+ Coupé lässt seine Passagiere auf Bodenwellen und Querfugen nicht mit den Zähnen klappern, aber er macht auch unmissverständlich klar, dass er keine Sänfte sein will. Schon vom ersten Meter an fällt die steife Karosseriekonstruktion auf, die im Grenzbereich des Alltags genauso wie die aktiven Motorlager (Teil des optionalen AMG Dynamic Plus Pakets) einen wesentlichen Betrag zur Präzision leistet.

Je nach Fahrsituation binden die Lager das Triebwerk eher komfortabel oder sportlich-straff an die Karosserie an, Letzteres steigert die Lenkpräzision bei sportiver Fahrweise weiter. Übrigens: Wer will, kann mit dem CLE 53 nicht nur Bernd Schneider, sondern auch ein bisschen Walter Röhrl spielen. Leistungsübersteuernd querfahren? Dank Drift-Modus kein Problem. Relevanter für den Alltag als der im Race-Fahrprogramm hinterlegte Show-Modus, bei dem das bullige Coupé über den gesamten Geschwindigkeitsbereich als purer Hecktriebler antritt, ist jedoch die hervorragende Abstimmung des Allradantriebs mit variabler Kraftverteilung.

Während das Antriebskonzept bei entspannter Fahrweise prinzipiell die Vorderachse entkoppelt, klinkt sich das Allradsystem blitzschnell ein, wenn es darauf ankommt. Und dann trägt der CLE 53 mit bärenstarker Traktion seinen kryptischen Nachnamen 4Matic+ mehr als zu Recht. Im ESP-Sportmodus und bei komplett deaktiviertem ESP ist der Allradantrieb heckbetonter appliziert. In engeren Kurven mit trockenem Belag bleibt das Coupé lange neutral und verheimlicht mit seiner Agilität das gar nicht mal so geringe Fahrzeuggewicht verblüffend gut. Dank seiner Agilität lässt der CLE 53 im Slalom mit 68,1 km/h sogar seinen großen Bruder C 63 S E Performance hinter sich (67,5 km/h).

Doch auch bei Nässe krallt sich das AMG-Coupé sämtliche Kurven mit erstaunlicher Traktion und Fahrstabilität. Neben der Fahrwerks- und Allradabstimmung geht hier auch ein Lob an die Reifenentwickler raus. Die Pneus vom Typ Michelin Pilot Sport S5 mit der Mercedes-spezifischen Kennung MO1 überzeugen bei hohen und niedrigen Reibwerten mit ihrem guten Gripniveau.

Womit wir wieder beim Gesamtpaket wären: Die Kombination aus einem hohen Reifengrip, einer packenden Bremsanlage und einer gewissenhaft abgestimmten ABS-Regelung beschert dem CLE 53 einen guten Warmbremsweg von 33,2 Metern – fast ein Meter besser als beim C 63 S E Performance (34,0 Meter). Andererseits kann das Power-Coupé auch im Stadtverkehr entspannt an die Ampel ranrollen, ohne dass der Pilot beim Pedalantippen durch eine zu giftige Bremse in den Lenkradkranz beißen muss.

Weckt die Motorsport-Gene

Apropos Lenkrad: Das nennt sich im Affalterbach-Slang AMG-Performance-Lenkrad, ist Serie und nur ein Bauteil, das die insgesamt sehr hohe Verarbeitungsqualität des CLE 53 widerspiegelt. Ob feines Nappaleder, Alcantara-Imitat oder Aluminium- und Carbonapplikationen – im AMG-spezifischen Interieur begeistert ein sportlich-luxuriöser Materialmix. Die dynamische Ambientebeleuchtung mit 64 Farben zaubert mit beleuchteten Lüftungsdüsen sowie Lichtbändern an Mittelkonsole, Armaturenbrett und Türen einen exklusiven Lounge-Charakter ins AMG-Cockpit. Lediglich die leicht klappernd ins Schloss fallenden Türen – des Öfteren ein Thema bei Fahrzeugen mit rahmenlosen Türen – verhindern die volle Punktzahl für den CLE 53 4Matic+ Coupé bei der Qualitätsanmutung im Karosseriekapitel.

Und etwas Schelte muss Mercedes-AMG auch weiterhin für die touchsensitiven Flächen auf dem Lenkrad ertragen. Anders als unter der Motorhaube mit den Powerdomes gilt hier: Weniger ist manchmal mehr. VW hat in der jüngsten Golf-Generation den Schritt zurück zu haptischen Tasten vollzogen – sie würden auch dem CLE 53 eine intuitivere Bedienlogik bescheren. Auch für das 12,3 Zoll große Display hinter dem Lenkrad und für das mittig auf dem Armaturenträger positionierte 11,9-Zoll-Display in Tabletform sollten sich Neukunden zunächst etwas Eingewöhnungszeit in der heimischen Garage nehmen. Ansonsten drohen Missverständnisse bei der Bedienung oder auch bei der Erkennung der Navigationdarstellung mit integrierten Livebildern (MBUX Augmented Reality für Navigation) auf dem etwas zu tief sitzenden Zentraldisplay. Die Sprachsteuerung des Multimedia-Systems, eine Stärke aller modernen Benze, ist hingegen über jeden Zweifel erhaben.

Idealerweise sollte man neben Motorsport- auch Spielkind-Gene in sich tragen, dann ist man mit dem AMG-Cockpit sofort per du. Die Anzeige-Grafik des Fahrerdisplays beispielsweise bietet sechs unterschiedlich konfigurierbare Stile – von klassisch anmutenden Mercedes-Rundinstrumenten mit Tacho- und Drehzahlnadeln bis hin zur AMG-spezifischen Supersport-Darstellung mit zentralem Drehzahlmesser.

Darüber hinaus informiert der CLE 53 mit seinem optionalen Analyse-Tool "Track Pace" über Telemetriedaten, die besonders bei Rennstreckenbesuchen für Begeisterung sor- gen. Vom Hockenheimring bis zur Nordschleife sind hier zahlreiche Rennstrecken hinterlegt. Neben Rundenzeiten zeichnet das System bis zu 80 Werte auf, für die sich Sportfahrer interessieren können.

Passend dazu: die optionalen Sportsitze in Rennsport-Optik mit packendem Seitenhalt, die sogar während einer dreistündigen Autobahn-Vollsperrung bei Nacht nicht zwickten. Und als es nach der ungeplanten Unterbrechung endlich weiterging, hätte das AMG-Cockpit den Autobahn-Restart begleiten können – wenn man diese Funktion aktiviert, leuchten auf dem Display farbige Startampel-Grafiken auf.

Es stimmt also: Dem Mercedes CLE 53 4Matic+ Coupé gelingt die Illusion wirklich gut, dass wir Ottonormalos uns ein bisschen wie Rennfahrer-Koryphäe Bernd Schneider fühlen dürfen.

Technische Daten
Mercedes AMG CLE 53 4matic Coupe Mercedes-AMG
Grundpreis93.433 €
Außenmaße4853 x 1935 x 1434 mm
Kofferraumvolumen410 l
Hubraum / Motor2999 cm³ / 6-Zylinder
Leistung330 kW / 449 PS bei 5800 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h
0-100 km/h4,1 s
Testverbrauch9,7 l/100 km