Hören Sie das auch? Diese Stille beim Losfahren? Immer noch ungewöhnlich für einen AMG, auch wenn der GT 63 S E Performance schon zu Gast bei uns war. Der bollerte dann irgendwann mit unverkennbarem V8-Klang weiter, die C-Klasse hingegen nicht. Das jedoch verraten weder das rot umrandete C-63-Heckemblem noch der e-Performance-Schriftzug unter den seitlichen Kiemen. Erst wenn sich die powergedomte Haube öffnet und den Blick auf den M139l (l steht für Längseinbau) freigibt – den stärksten Vierzylinder der Serienwelt –, ist klar: Die V8-Zeiten sind vorbei, zumindest in der C-Klasse.
Tatsächlich geht dem Vierzylinder das jahrzehntelang markenbildende Donnerwetter ab. Lieber baut AMG nun als erste große deutsche Performance-Schmiede konsequent Brücken hin zur E-Mobilität: mit einem riesigen elektrisch angetriebenen Abgas-Turbolader sowie einer permanenterregten Synchron-E-Maschine an der Hinterachse. Richtig gelesen, dieser AMG fährt zwei Antriebsstränge spazieren. Und so stromert der Kombi stets elektrisch los.
Allerdings währt die Leisetreterei nicht viel weiter als bis zum Stuttgarter Kesselrand. So endet die auto motor und sport-Elektro-"Runde" nach immerhin 18 Kilometern. Dabei sind Sie meist hinterradgetrieben bis maximal 125 km/h und vergleichsweise gemächlich unterwegs: Denn der 150 kW starke Elektromotor samt Zweiganggetriebe da hinten drückt auf sich allein gestellt mit maximal 320 Nm Drehmoment eher dezent denn vehement und nur für lediglich zehn Sekunden, was gerade so für den 0–100-km/h-Sprint reicht. Sie merken schon: Für das "E"-Kennzeichen disqualifiziert sich der AMG außerhalb Spaniens bewusst.
Kein Gleichstrom
Klar, die Affalterbacher labeln den C 63 als Performance-Hybrid, dessen 6,1-Kilowattstunden-Batterie primär zum Boosten und nicht als Ökofeigenblatt dienen soll. Und so zählt der C 63 neben dem One und GT-Viertürer zu den drei Plug-in-Mercedes, die keinen Gleichstrom vertragen. Er nuckelt mit seinem 3,4-kW-Lader rund 80 Minuten an der Wallbox Wechselstrom. Das dauert Ihnen zu lange? Schneller – mit bis zu 80 kW – lädt der AMG die mittels einer elektrisch nicht leitenden Flüssigkeit temperierten 560 Rundzellen mithilfe des 2,0-Liter-Vierzylinders wieder auf. Ein Feature, das die Nicht-AMG-Mercedes ablegten, denn so schert sich die Effizienz zum Teufel und treibt den Verbrauch in schwindelerregende Höhen. Noch höher? Ja, dabei gönnt sich der S E-Performance bereits 12,7 Liter im Testschnitt. Autsch, da war der nominell gleich starke Vier-Liter-Achtender im C 63 ohne S rund einen Liter pro 100 km sparsamer.
Dennoch sollten oder besser müssen Sie sich jetzt mit Begrifflichkeiten wie Energiemanagement auseinandersetzen. So knubbeln Sie an den Fahrdynamik-Satelliten am Lenkrad jetzt nicht mehr nur die zahlreichen Fahrmodi, den dezenten Auspuffsound oder die Dynamic-Stufen zurecht, sondern auch statt der einst fein gestuften ESP-Stärke die Rekuperationskraft. Und die ist mit bis zu 100 kW in der Spitze für einen Plug-in durchaus nennenswert. Zumal der AMG selbst noch beim Vollbremsen bis in den ABS-Regelbereich Energie zurückgewinnt.
Puh, das klingt ganz schön aufwendig, oder? Zumal das Pedal-Gefühl die Achillesferse der aktuellen C-Klasse-Generation ist. Doch wir können Sie an dieser Stelle beruhigen, denn AMG hat das besser im Griff. Zudem vollbremst der 2171-kg-Kombi dank seiner Stahlbremsen mit Sechs-Kolben-Festsätteln vorne und Ein-Kolben-Faustsätteln hinten bereits nach 34,5 Metern aus Tempo 100. Moment mal: Über 2,2 Tonnen mit Fahrer? Tja, die viele Technik samt 400-Volt-Netz lastet schwer, verteilt sich zudem leicht hecklastig.
Raumgreifende F1-Technik
Apropos, bei einem Kombi wie dem T-Modell zählen ja stets auch die inneren Werte. Allerdings nimmt die Technik sichtbar Raum ein. So stuft sich der Kofferraum des T-Modells auf mehreren Ebenen in die Höhe, büßt dabei nicht nur den Platz für die Einkaufskiste samt doppeltem Ladeboden ein, sondern auch die Möglichkeit, Sperriges einzuladen. Klar, denn anders als bei Mercedes-C-Modellen drängeln sich E-Maschine, Differenzial, Zweiganggetriebe, Akku und Querstrebe auf der Hinterachse.
Sie ahnen es bereits: Da bringt selbst das allseits beliebte fernentriegelte Hinten-am-Hebel-Ziehen, damit es davor dreiteilig zum Durchladen umklappt, wenig. Ebenso gleitet das Laderollo zwar elektrisch im Einklang mit der Heckklappe nach oben, dafür fehlt bei Nichtgebrauch eine Verstaumöglichkeit im gerade mal 324 Liter kleinen Kofferräumchen. Allerdings gibt’s in Reihe zwei keine Mangelerscheinungen – im Gegenteil: Hier kommen dank einer halben Tonne Zuladung auch Ihre dicksten Kumpels unter, die sich in die hervorragend ausgeformte Bank kuscheln, während das Smartphone auf der Mittelarmlehne thront. Ja, von innen ist dieser AMG natürlich ein typisch fein verarbeiteter Mercedes. Allerdings integrieren teure Performance-Sitze Fahrer und Beifahrer tiefer, stützen die Rücken ergonomisch, wärmen und kühlen.
Wobei wir das Gebläse jetzt voll aufdrehen. Denn wir wollen nun allen Zweiflern den Wind aus den Segeln nehmen. Obwohl der neue C 63 mehr als 300 kg mehr wiegt als der alte, stemmt er dank 170 PS mehr das bessere Leistungsgewicht. So reißt er die Hunderter-Marke aus dem Stand in 3,3 Sekunden nieder, eine glatte Sekunde früher als der Vorgänger. Wow! Doch halt, nicht so schnell. Denn vor der Wiederholungsübung braucht’s eine Extrarunde, um die Thermik in den Griff zu bekommen. Erst dann launchcontroliert er erneut und rennt munter bis Zweihundert, bevor es nun zäher wird auf dem Weg zur Vmax. Die hebt AMG gegen Buchung des Drivers-Pakets beim T-Modell auf 270 km/h an. Tatsächlich braucht’s ab Tempo 230 einen versierten Fahrer, denn nun kommt mächtig Bewegung in die Kiste, sodass der C 63 auf der Fahrspur hin und her tanzt. Normal kann das nicht sein, doch nach Gründen gefragt, ist AMG ratlos. Und so kocht die Gerüchteküche einen Brei aus Aerodynamik sowie limitierter Lenk- und Fahrwerksabstimmung.
Dabei überzeugt das T-Modell vor allem mit Letzterer auf der Landstraße: Kurvenradien verengt die bis zu 2,5 Grad mit- beziehungsweise gegenlenkende Hinterachse künstlich. Der Grip an der mit AMG-Achsschenkeln und Traggelenken gepimpten Vorderachse ist dabei einfach überwältigend, verlässlich, ja, geradezu haftklebeartig. Auch weil die adaptiven Dämpfer lange Bodenwellen aus dem Asphalt filtern. Nur auf allzu desolatem Belag reagiert der C 63 empfindlich, was den Komforteindruck schmälert, jedoch nichts daran ändert, dass er allen Zweiflern hier gehörig um die Ohren fährt.
Boostzonen-Overkill?
Ob ihm das auch auf der Rennstrecke gelingt? Gute Frage, wenngleich bisher eher selten T-Modelle bei Trackdays gesichtet wurden. Allerdings ist der Aufwand dafür nun nicht weniger hoch als der für ein Formel-1-Wochenende. Denn AMG erweitert das Infotainment, das schon im aktuellen C-Benz unter einer schier unendlichen Funktionsfülle leidet, um weitere Performance- und Track-Features: So projiziert Augmented Reality die Ideallinie auf den großen Zentral-Touchscreen und mahnt hysterisch blinkend zum Bremsen im Instrumententräger. In der Trackpace-Ansicht bekommt man neben der Streckengrafik dabei allerhand Analyse-Tools. Ja, das hat durchaus was von einem Arcade-Rennspiel.
Das klingt schon jetzt zu sehr nach Formel-1-Simulator? Okay, dann überspringen Sie den nächsten Abschnitt, oder ziehen Sie ihn sich ganz genüsslich rein. Je nach performativem Gusto. Denn, um alles, und damit meinen wir wirklich alles, aus dem Performance-Hybrid rauszukitzeln, greift AMG tief in die Taktik-Trickkiste. Und die haben der Legende nach Lewis und Toto am Formel-1-Kommandostand ausgeheckt. Einfach drauflosboosten? Können Sie machen, ist aber nur eine Runde lang schnell. Für ausdauernde Grand-Prix-Distanzen sind dagegen bereits für 70 Rennstrecken spezielle Boostzonen in der Track-Pace-App hinterlegt.Wie das genau funktioniert? Nun, der AMG deckelt die Leistung des Elektromotors auf 50 kW. Und entfesselt die volle Power via Kickdown nur in den Boostzonen. Klingt bevormundend, ist in der Realität aber eine nette Herausforderung, an deren Ende schnelle Rundenzeiten stehen.
Schaltprobleme im Alltag
Dabei fährt sich der AMG spielerisch leicht, während sich die aufgeheizten Michelin Pilot Sport 4 S schnell und innig mit dem rauen Hockenheim-Asphalt verbinden. So boostet der C 63 brachial, wobei ihm der E-Saft subjektiv nicht auszugehen scheint. Dabei pushen E-Motor und Verbrenner über das komplexe Allradsystem zusammen auf alle viere, mit dem Ergebnis bombastischer Traktion. Die Zugkraft lässt nur kurz nach, wenn der E-Motor bei etwa 130 km/h in den zweiten Gang wechselt oder der Turbolader trotz des E-Antriebs auf der Welle beim Zwischenspurten einmal gaaaannnnz tieeeeffff Luft holt. Nein, das Turboloch schüttet dieser Testwagen nicht immer zu.
Hinzu kommt eine Schaltstrategie, die auf dem Track und über Land meist goldrichtig agiert. Diesseits dagegen, also im Alltag, verheddert sich das Automatikgetriebe mit Mehrscheibenkupplung – statt eines Wandlers – oft in seinen neun Gängen und verschleift die Übergänge allenfalls mäßig. Dabei rappelt’s bei Schleichfahrten auch noch gehörig im Karton – wobei unklar ist, ob dies vom Getriebe selbst herrührt.
Ja, ausgereift wirkt dieser Testwagen nicht. Ein Einzelfall? Das wird der erste Vergleichstest zeigen. Bis dahin herrscht erst mal wieder Stille.
Fazit
Auf dem Boden der Tatsachen: Fahrdynamisch begeistert der AMG. Doch die Technik wiegt schwer und nimmt viel Kofferraum ein. Dabei leidet der Testwagen unter Kinderkrankheiten sowie mangelndem Feinschliff. Das größte Problem sind jedoch der Name C 63 und damit verbundene Erwartungen.
Mercedes AMG C 63 S E Performance T Mercedes-AMG S | |
Grundpreis | 116.959 € |
Außenmaße | 4842 x 1900 x 1464 mm |
Kofferraumvolumen | 320 bis 1335 l |
Hubraum / Motor | 1991 cm³ / 4-Zylinder |
Leistung | 350 kW / 476 PS bei 6750 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 270 km/h |
0-100 km/h | 3,3 s |
Verbrauch | 6,9 kWh/100 km |
Testverbrauch | 12,7 kWh/100 km |