McLaren Artura im Test: Hybrid-Supersportler mit 700 PS

McLaren Artura im Test
Hybrid? Aber bitte mit 605 PS und viel Fahrspaß!

Veröffentlicht am 26.07.2025

Hybrid heißt ja zunächst mal: Zusatzgewicht. Ein Problem, das McLarens Philosophie, Autos zu bauen, komplett auf den Kopf stellt. Also musste zunächst mal Gewicht raus. Wie das geht? Der Artura basiert auf einem neuen Kohlefaser-Monocoque namens MCLA (McLaren Carbon-Fibre Lightweight Architecture), an dem vorn wie hinten Aluminium-Zusatzrahmen verklebt und für zusätzliche Stabilität verschraubt werden. An ihnen sitzen vorn eine Doppelquerlenker-Aufhängung und hinten eine Mehrlenker-Konstruktion. Das ist aber nicht genug, um die rund 130 Kilogramm der Elektrokomponenten auszugleichen.

Gewichtige Argumente

Die positive Kehrseite der Hybrid-Medaille ist jedoch:So ein E-Motor bringt neben zusätzlichem Gewicht auch einen Leistungsboost, weshalb motorisch nicht mehr die gesamte Verantwortung auf dem Vierliter-V8 lastet. Die Konsequenz ist ein neu entwickelter Dreiliter-V6 mit dem Codenamen M 630 und nun 120 Grad Bankwinkel. Im Gegensatz zum bisherigen 90-Grad-V8 ermöglicht das neue Layout, die beiden Turbolader im "Hot-V" – also zwischen den Zylinderbänken – zu integrieren. Zwar wandert dadurch der Schwerpunkt etwas nach oben, aber die günstigere Bauform und das bessere Ansprechverhalten gleichen dies in den Augen von McLaren wieder aus. Die scheibenförmige E-Maschine, ein Axialflussmotor, ist in der Getriebeglocke untergebracht und leistet 70 kW (95 PS). In Kombination mit den 585 PS des nach wie vor fantastisch klingenden V6 ergab das anfangs 680 PS Systemleistung. Als der Spider nachgeschoben wurde, stieg die Leistung auf glatte 700 PS, realisiert über eine Leistungssteigerung beim Verbrenner.

Für Coupé-Kunden wählte McLaren einen unkonventionellen Weg: Anstelle mit großem Tamtam ein kleines Facelift anzukündigen, können sich bestehende und Neukunden über ein Software-Update die Extra-Leistung kostenfrei aufspielen lassen. Die elektrische Energie wird in einem 7,4-kWh-Akku gespeichert, mit dem der McLaren Artura 33 Kilometer weit rein elektrisch fährt. So schafft es McLaren, einen WLTP-Verbrauch von 4,8 Litern in den Prospekt drucken zu können. Dass dieser Wert nicht einen einzigen Kunden auch nur ansatzweise interessieren dürfte, steht auf einem anderen Blatt.

Schritt in die Zukunft

Im McLaren-Prospekt kombiniert der Artura seit 2022 die Themen Sportwagen und Zukunftstechnologie und markiert Wokings ersten Schuss in diese Richtung – und das gerade mal 15 Jahre nachdem die Briten ihren ersten komplett eigenen Straßensportler, den MP 4-12C, auf Ferrari und Lamborghini losließen. Und irgendwie kommt es einem vor, als wären sie mit einer viel längeren Historie im Sportwagenbau gesegnet, so integriert sitzen wir hier, so perfekt liegt das tastenfreie Lenkrad in der Hand. Und so kinderleicht lässt sich dieser Artura im leichten Power-Oversteer aus der Kurve herauszirkeln. Der Grund dafür: Sie ist es. 1966 trat Firmengründer Bruce McLaren erstmals mit einem eigenen Rennwagen in der Formel 1 an. In der Folge entwickelte sich das Rennteam schrittweise zum Technologiekonzern. Nach Koperationen mit BMW (McLaren F1) und Mercedes (SLR McLaren) waren eigene Sportwagen irgendwann nur folgerichtig.

Wippen macht Freude

So viel zur Historie, widmen wir uns wieder der Gegenwart: Die Kraft des Antriebs-Duos überträgt ein Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe, das wahlweise automatisch oder über eine massive Schaltwippe dirigiert wird. Und wenn wir "Wippe" schreiben, dann meinen wir das wörtlich. Die beiden Schalter sind miteinander verbunden, so lässt sich sowohl links als auch rechts durch Zug oder Druck hoch wie runter schalten. Und die Wippe ist nicht starr an der Lenksäule verbaut, sie dreht mit. Perfekt für dynamisches Fahren auf der Rennstrecke.

Doch bis wir zur schnellen Runde in Hockenheim eintreffen, schauen wir uns noch den Rest des Innenraums an. Das alcantarabezogene Lenkrad – nahezu perfekt: Unten nur minimal abgeflacht und mit exakt null Knöpfen verunstaltet, hat es genau eine Aufgabe: die Zielvorgabe des Piloten exakt auf die Strecke umzusetzen. Und es erledigt diesen Job mit einer fast gespenstisch natürlichen Präzision, dass wir einigen Entwicklern des Wettbewerbs mal eine Schulung in Woking nahelegen würden. Der Artura setzt nach wie vor auf ein elektrohydraulisches Lenkungs-Setup. Das und die Tatsache, dass wir gefühlt auf der Vorderachse sitzen, vermittelt eine Interaktion, als würden wir die beiden Vorderräder direkt in der Hand halten. Erinnern Sie sich an die lenkbaren Bburago-Modelle von früher – Hand auf‘s Auto, über die Haube greifen und mit Daumen und Mittelfinger an den Rädern lenken? So in etwa fühlt sich das hier an.

Im Artura hat McLaren nicht nur die Lenkung optimiert, sondern Auto und Fahrer auch über die Bedienung noch intensiver miteinander verkuppelt als bisher. So hat man einige Schrulligkeiten der Generation rund um den 720er eliminiert. Angefangen bei der Sitzverstellung über den nun schneller reagierenden Vorderachslift bis zu den Drehschaltern für die Handling-Modi und den Antrieb, die fast wie Flügelmuttern aussehen. Sie sind so griffgünstig wie unkonventionell am Instrumentengehäuse montiert. Die ganze Einheit sitzt auf der Lenksäule und bewegt sich mit, wenn der Fahrer das Lenkrad einstellt.

Die im Testwagen verbauten optionalen Clubsport-Sitze repräsentieren den Grundcharakter des Artura ziemlich exakt: Er ist kein brettharter, kompromissloser Supersportler wie etwa der 750 S, aber auch weit entfernt vom verhältnismäßig zahmen GTS. Die Vollschalen passen auch Großgewachsenen wie angegossen. Wer jedoch etwas kurzbeinig geraten ist, könnte Probleme mit der langen Beinauflage bekommen. Die Kombination aus Seitenhalt und Restkomfort werten wir dagegen als nahezu perfekt. Nirgends drückt es unangenehm, und auch nach mehreren hundert Kilometern Fahrt zur Rennstrecke brauchen wir nicht etwa erst einmal ein kurzes Verschnaufspäuschen. Es kann direkt weiter gehen.

Und auch auf dem Track zeigt der McLaren, dass er eben doch kein kompromissloser Supersportler sein will, der seinen ganzen Charakter dem letzten Zehntel unterordnet. Die Rundenzeit an sich fällt fast schon ein bisschen enttäuschend aus. Selbst der in die Jahre gekommene Huracán Tecnica nimmt dem Artura 1,3 Sekunden ab, auf den 750 S aus heimischem Stall fehlen über drei Sekunden. Woran das liegt? Zu einem nicht unerheblichen Teil sicher am Reifen. Zwar bekam der Artura für die Zeitenjagd einen neuen Satz P Zero Corsa übergestülpt, der ist jedoch mittlerweile weit weg von einem extremen Track-Pneu. Das merken wir spätestens im Rahmen der weiteren Testfahrten, als wir mit angeschrabbeltem Profil in einen Regenschauer geraten. Das ging erstaunlich gut zu lösen. Versuchen Sie das mal mit einem Trofeo Race.

Im Trockenen bekommt der Artura seine 700 PS ordentlich auf den Asphalt. Gerade wenn das schwarze Gold auf Temperatur ist, schiebt er mit einer Vehemenz an, die wir zwar erhofft, aber nicht unbedingt erwartet hatten. Die nächste Kategorie, in der es in unseren Tests immer mal kritisch werden kann: der Ankerwurf. Dort auf der Bremse geht es vor allem um Vertrauen; in den Biss, in die Standfestigkeit und in die ABS-Abstimmung. Um es kurz zu machen: Alle drei Bereiche können sich beim Artura sehen lassen. 31,3 Meter warm aus 100 km/h sind ein Top-Wert, die Carbon-Keramik-Anlage schmiert auch nach mehreren schnellen Runden hintereinander nicht ab, und beim Bremsen unter Lenkwinkel bleibt die Fuhre zwar nicht 100 Prozent stabil, aber eben sehr vorhersehbar instabil.

Da ist sie wieder, die Sache mit dem Vertrauen. Ein Beispiel: Auf einer Runde kommen wir beim Anbremsen versehentlich auf einen rutschigen Teil des Curbs, das Heck keilt aus, aber eine schnelle Korrektur genügt, um den Artura wieder auf Spur zu bekommen. In mittelschnellen Kurven lautet die Devise: geduldig sein. Wer zu forsch ans Gas geht und somit Gewicht von der recht schmal dimensionierten 235-er-Vorderachse nimmt, riskiert Untersteuern. Tief in die Kurve hineinbremsen und so den Druck auf den P-Zero Corsa hoch halten, funktioniert dagegen erstaunlich gut. Kurvenausgangs optimiert ein dezent dosierter Powerslide Fahrspaß und Rundenzeit zugleich, wobei der Fokus, wie gesagt, nicht in letzter Konsequenz auf der Zeitenjagd liegt.

Auf dem Fahrspaß schon viel eher, weshalb für den Artura gilt: Wer hier aussteigt, ist vielleicht nicht der schnellste, aber definitiv einer der glücklichsten Fahrer.

Technische Daten
McLaren Artura
Grundpreis245.550 €
Außenmaße4539 x 1913 x 1193 mm
Kofferraumvolumen160 l
Hubraum / Motor2993 cm³ / 6-Zylinder
Leistung445 kW / 605 PS bei 7500 U/min
Höchstgeschwindigkeit330 km/h
0-100 km/h3,3 s
Verbrauch4,8 kWh/100 km
Testverbrauch9,8 kWh/100 km