Kia Niro EV, Mercedes EQA und Smart #1 im Test

Kia Niro EV, Mercedes EQA , Smart #1
Stromer für alle Tage im Test

Veröffentlicht am 27.12.2024

Der Fortschritt bringt es mit sich, dass wir an mancherlei Scheitern nicht mehr gewöhnt sind. Das übernehmen die Pioniere einer neuen Entwicklung. So wie Wulf-Dieter Graf zu Castell-Rüdenhausen. Ja, der gehört zu der Dynastie mit den Buntstiften, aber dann geht er stiften: In den 1930er-Jahren erkundet er China – erst mit einer Junkers W 33, später einer Ju 52, um Erkundigungen für den Aufbau eines Streckennetzes für die Lufthansa einzuholen. Dabei plumpst sein Flugzeug häufiger mal vom Himmel. Was der nie schwer mitgenommene Graf im Reisebericht mit aristokratischem Gleichmut kommentiert: "Beinahe wäre es auch gutgegangen."

Und damit willkommen zum Vergleichstest zwischen Kia Niro EV, Mercedes EQA und Smart #1 . Auch für die drei wäre beinahe alles gutgegangen. Nun, wäre die E-Auto-Kaufprämie nicht so jäh zu einem Ende gekommen. Man darf wohl behaupten, dass es viele Käufer zu viel Überzeugung kostet, sich ihre Überzeugung nun so viel mehr kosten zu lassen. Wodurch die E-Autos wie die Mobilitätswende nun arg im Gegenwind stehen. Ob es sich dennoch lohnt – abgesehen vom guten Gefühl, wieder als Pionier der elektrischen Kraftfahrt gelten zu können –, einen der drei Subkompakt-Stromer zu kaufen, und welchen am besten? Klären wir. Also die Stecker ab und los.

Niro: der Ruhe-Plus-Pol

Der Stecker sitzt beim Niro mittig am Bug – eine clevere Position für den Anschluss, das passt bei Ladesäulen links, rechts und vor dem Auto. Steht man eh schon da, kann man das Kabel – sorgsam zusammengezwirbelt – gleich in die 20-l-Ablage unter der Haube verräumen. Dass die da ist, beweist die Cleverness der Ingenieure. Anders als bei EV6 und EV9 haben sie den Niro auf einer Multitraktionsplattform konstruiert; sie dürfte der Grund für die recht kopflastige Gewichtsverteilung (56,1 Prozent vorn) sein. In jedem Fall lassen sich auf ihr ein Voll- und ein Plug-in-Hybrid (mit 11,1-kWh-Akku für 65 km E-Reichweite) oder eben der E-Antrieb unterbringen. Er platziert den Akku schwerpunktsenkend am Boden.

Das E-Werk hat Kia für die zweite, 2022 gestartete Generation des Niro nicht neu konstruiert. Stattdessen optimierten die Techniker die Komponenten des ersten Strom-Niro. Die Energiedichte des Akkus wuchs von 141,3 Wh/kg auf 146,3 Wh/kg und die Kapazität um 0,8 auf 64,8 kWh, das Gewicht sank um zehn auf 443 kg. Der Kia Niro EV kann andere Gerätschaften – E-Bike-Akkus, E-Scooter, gar E-Autos – mit bis zu 3 kW Leistung füttern. Wo sie schon dabei waren, hätten die Entwickler auch die Schnellladeleistung steigern sollen. Denn dass der Kia nur mit maximal 80 kW Gleichstrom nuckelt, verlängert Ladepausen ganz erheblich. Der Mercedes EQA bringt mit 100 kW etwas mehr zusammen, 150 kW schafft der Smart #1.

Das bleibt die ärgste Schwäche des Niro. Wenngleich ihm zum Mitreißenden in manchem Belang der Elan fehlt, zählt er doch zu den besonders alltagsgeschickten, harmonischen Elektroautos. Zwar kann er nicht alle Vorteile nutzen, die ein kompakt bauender E-Antrieb bei der Raumeffizienz ermöglicht. Doch auf 4,42 m schafft der Kia ein stattliches Raumangebot für vier oder auch mal fünf.

Die reisen vorn leicht erhaben auf sesselig breiten Sitzen. Das Beifahrermöbel lässt sich optional zur Relax-Liege mit Beinauflage verstellen, fürs Ladepausennickerchen. Wegen des trödeligen Schnellladens lohnt es ja, sich auf ein längeres Schläfchen einzurichten. Auf der breiten, kaum konturierten Rückbank kommen zwei ungedrängt unter und drei sich nicht zu sehr ins Gehege, auch weil der Boden eben ist. Der Kofferraum packt mit 475 bis 1.392 Litern am meisten.

Nicht so am meisten drauf hat der Kia Niro EV bei der Routenplanung mit Ladestopps, das organisieren die anderen ausgefuchster und mit mehr Aussuch-Kriterien. Die Grundbedienung an sich wie das Infotainment dagegen arrangiert der Niro mit einem cleveren Mix aus Tastflächen und Direkttasten – da bekommt auch der aufmüpfige Spurhalter eine eigene.

Nur eine Spur lässt sich an Handling entdecken. Mit seiner geruhsamen, wenig rückmeldungsintensiven Lenkung und dem besonnenen, weichen Fahrwerk kurvt der Niro gemächlich, aber sicher herum. Darauf achtet auch das etwas gouvernantenhaft-strenge ESP, das früh, jedoch diskret eingreift. Die straffe Federung ist eher darauf gestimmt, die Wankbewegungen der Karosserie zu mindern, als die Rasanz der Fahrt zu steigern. Das mit dem Komfort bekommt der Kia ganz ordentlich hin, hoppelt jedoch auf kurzen Unebenheiten und spricht stramm an.

Eher sachte legt der Antrieb los – damit er mit seiner Kraft nicht die Vorderräder in Traktionsnöte reißt, dimmten die Ingenieure das Drehmoment von 395 auf 255 Nm. So stromert der Niro aber noch immer mit beschwingter Drangfülle homogen und harmonisch voran. Die Intensität der Rekuperation lässt sich per Paddle von freiem Rollen über den Einpedal- bis zum Automatikmodus schalten. Davon profitiert – ebenso wie von der optionalen Wärmepumpe für 1.000 Euro – die Effizienz des Antriebs, der im Testschnitt mit 21,1 kWh/100 km auskommt. So reicht eine Ladung für 327 km. Auf der Eco-Runde kommt der Kia 416 km weit, bei einem Verbrauch von 16,6 kWh/100 km.

Auch damit entspricht der Kia Niro den Erwartungen an ein zeitgemäßes E-Auto. Und denen an einen Kia wird er mit sieben Jahren/150.000 km Garantie, reichlich Ausstattung und einem fairen Preis gerecht. Ob das hier für den ersten Preis reicht?

EQA: Preis des Mehr-cedes

Auch bei Mercedes sind sie nicht recht entschieden, welches Konzept – reine E- oder Mischplattform – das beste ist. Während EQE und EQS auf eigens konzipierten Plattformen herumstromern, elektrifizierten die Techniker jene von GLA, GLB, T- und G-Klasse zusätzlich. So kann auch der Mercedes EQA 250+ den geringen Bauraumbedarf seines elektrischen Antriebsstrangs (eATS) nicht ausnutzen. Der integriert den Elektromotor und das Getriebe mit fester Übersetzung samt Differenzial, Kühlung und Leistungselektronik kompakt in einem Gehäuse. Um die Crashsicherheit trotz des höheren Gewichts und auch ohne großen, energieabsorbierenden Motorblock hoch zu halten, stärkten die Ingenieure die Trägerstrukturen an Front und Heck.

Die fünf Module des 70,5 kWh großen Lithium-Ionen-Akkus sortieren sich doppelstöckig als strukturelles Element im Unterboden. Das zumindest mindert das ohnehin nicht gerade generöse Platzangebot für die Passagiere nicht. Dagegen verknappt das E-Werk das Ladeabteil um 45 auf kaum urlaubsgepäckbegabte 340 l.

Dabei ist der EQA doch ein reisefertiges E-Auto, möbliert sich mit der bestgeformten Rückbank und Vordersitzen, richtet sich solide und modern ein. Der Bedienung jedoch fehlt die selbsterklärende Klarheit des Kia. Das liegt an den Fitzeltasten auf dem Lenkrad und der größeren Funktionsfülle. Wobei sich die über niederschichtige Touchscreen-Menüs und mit der verständnisvollen Sprachassistenz bald beherrschen lässt.

Der Mercedes-Akku reicht am weitesten – die 370 km im Testschnitt (bei 21,6 kWh/100 km) steigert der Mercedes EQA auf der Eco-Runde auf 489 km (16,4 kWh). Effizientes Fahren unterstützt er durch schlaue, ebenfalls am Lenkrad schaltbare Rekuperation, die neben Navi-Daten auch die Sensorik der Assistenzsysteme nutzt.

Überhaupt geht es mit dem Stern-SUV bestens assistiert voran, wenngleich mit eher milder Rasanz. Denn der 140 kW starke Antrieb legt mit sachtem Ungestüm los – auch wegen des Gewichts des Wagens, das 275 kg über jenem des Kia liegt. Viel Masse immerhin liegt tief und sichert dem leisen EQA neben dem beflissensten Federungskomfort – fast schon flauschig selbst auf kurzen Unebenheiten – auch die souveränste Fahrsicherheit. Und dazu: das harmonischste Handling. Ihm mag die Aufmüpfigkeit des #1 abgehen, doch die direkte, präzise, wohldosiert rückmeldende Lenkung steuert den Mercedes verlässlich und geschmeidig durch Kurven.

Der Mercedes EQA 250 also, ein Wagen, der sich in der Komfortzone positioniert. Genau dort sollten sich besser auch die Finanzen der Kundschaft aufhalten. Denn das seinen Eigenschaften nach beste Auto des Trios liegt mit testrelevanten Extras im Preis etwa zwei frühere Förderprämienbreit über den anderen beiden. Zumindest das dürfte seine Chancen hier nicht fördern.

Smart: noch #1-igartig?

Ergründen, philosophierte Søren Kierkegaard, könne man das Leben nur im Rückblick, leben müsse man es stets nach vorn gewandt. Damit lösen wir einerseits für unsere hochverehrte Stammleserschaft das kleine Rätsel aus Heft 16 auf. Und andererseits: Nein, kleiner haben wir es nicht für Smart, eine Marke, die ihre Existenz und ihre Autos zur Philosophie erhob. Bis jetzt. Denn auf dem verschlungenen Weg ihrer nun drei Jahrzehnte zurückreichenden Geschichte ist ihr und ihren Ideen kein anderer Hersteller gefolgt – und nie genug Kunden.

Deswegen baut Smart nun Autos, die keine kleinen Philosophen wie der Fortwo sein sollen, sondern große Verkaufsschlager. Und da schlägt sich die Klasse der Subkompakt-SUV lange schon am besten. Auftritt #1, der nun kein smarter Mercedes mehr ist, sondern vor allem ein anders eingekleideter und europäisch abgestimmter Geely. Der in China gebaute Elektro nutzt nämlich Geelys Universal-Untendrunter, die SEA-Plattform. Auf der basieren auch Volvo EX30 und Zeekr X – beide durch das Joint Venture zwischen Daimler und Geely weitläufige Verwandte des Smart.

Beim Smart #1 sitzt der 200 kW starke Permanentsynchro an der Hinterachse, die Batterie mit ihren 62 kWh auch hier zentral im Boden. Beim Premium ist der Lithium-Ionen-Akku mit einem Siliziumkarbid-Inverter ausgestattet, der die Abgabe höherer Ströme ermöglicht – das bringt neben einer längeren Konstanz bei den Fahrleistungen auch eine laut Werk 20 km größere Reichweite. Wobei die sich im Test auf 321 km beschränkt – auch wegen des höchsten Verbrauchs von 22,7 kWh/100 km. Auf der Eco-Runde wächst der Aktionsradius auf 421 km (17,3 kWh/100 km).

Möchte man die geringen Reichweiten philosophisch nehmen, dann vielleicht so: Nicht nur das Nachladen, sondern auch das Wieder-Leerfahren gestaltet der Smart am kurzweiligsten. Allein schon der Leistungsvorteil von 50 kW zum Kia Niro und 60 zum Mercedes EQA verschafft seinen Fahrleistungen eine Vehemenz, welcher die anderen beiden nicht annähernd hinterherkommen. Dazu fährt der Smart auch vergnüglich – als reiner Hecktriebler gar vergnüglicher als die zweimotorige Brabus-Version mit übermotivierten 315 kW.

Denn ohne die Last des zusätzlichen Vorderradantriebs erlangt die Lenkung zwar keine höhere Präzision, aber eine gefühlvollere Rückmeldung. An der variieren allerdings die unterschiedlichen, per Touchscreen anwählbaren Kennlinien nichts, die erschweren nur die Lenk- und Haltekräfte von luschig auf armdrückerig. Auch wegen des straffen, dabei in Belangen des Komforts noch umgänglichen Fahrwerks steigert sich eine Kurverei schnell zu einem munteren kleinen Handgemenge: Legt man es darauf an, schwänzelt der Smart beim Herausbeschleunigen mit der Kraft der 343 Nm mit dem Heck – vom ESP aber immer sicher im Griff gehalten.

Im Griff? Na, die Chance für eine Überleitung zu den Alltagstalenten ergreifen wir doch gern. Denn da verhaspelt sich der Smart #1 in Umständlichkeiten, die keiner Philosophie, sondern schierer Eigensinnigkeit entspringen. So wie die Türgriffe der Karosserie – oder auch mal nicht. Gelangt man schließlich nach drinnen, beherbergt der #1 vier Passagiere ungezwungen, wenngleich weder auf den Vordersitzen noch auf der platten, lehnenneigungsvariablen Rückbank allzu behaglich. Die rückt tatsächlich um 15 cm vor, was das gut nutzbare, dennoch knappe Kofferraumvolumen weitet. Was sich wirklich nutzen lässt. Denn selbst in der vorgerücktesten Position der Bank bleibt genügend Beinraum.

Wenden wir nun den Blick auf die Bedienung – aber ja nicht zu lange, sonst schlägt der Aufmerksamkeitswarner gleich Alarm. Gar nicht mal zu Unrecht, denn die Bedienung ist derart verschachtelt, dass sie tatsächlich enorm ablenkt. Das liegt nicht nur in Abstrusitäten wie der Spiegel- oder Head-up-Verstellung per Touchscreen und Lenkradtasten. Sondern auch in überanimierten Menüs, in ihrer Ebenenstruktur so übersichtlich wie der Lageplan eines leer gebuddelten Kohlebergwerks – allenthalben Irrwege, die als Sackgassen enden. Dazu missverständliche Tastflächen als Wegweiser, da die Übersetzungen eine ungezwungene Laienhaftigkeit charakterisiert. Vielleicht verstehe man das als Hinweis, dass Völkerverständigung selbst bei Unkenntnis der jeweils anderen Sprache gelingen kann, versucht man es nur mit echtem Wohlwollen und Interesse. Etwas verständiger gestaltet sich die Kommunikation mit der Sprachassistenz.

Nun kommt die Sprache auf die Kosten, die bei Kauf wie Unterhalt auf geringerer Abgehobenheit liegen als beim Mercedes und ähnlich hoch wie beim Kia. Doch man zeige sie uns, all die Käufer, die 45.000 für Kia Niro und Smart #1 oder 52.000 Euro für den Mercedes EQA ausgeben können. Und noch all jene, die das könnten und auch wollen. Wir wüssten so gerne, ob es genügend sind, damit das mit der Mobilitätswende nicht nur beinahe gutgehen wird.

Technische Daten
Mercedes EQA 250+ +BMW 230i Coupé M Sportpaket ProSmart #1 Premium
Grundpreis51.610 €55.950 €47.490 €
Außenmaße4463 x 1834 x 1612 mm4537 x 1838 x 1390 mm4270 x 1822 x 1636 mm
Kofferraumvolumen340 bis 1320 l390 l313 bis 976 l
Hubraum / Motor1998 cm³ / 4-Zylinder
Leistung180 kW / 245 PS bei 4500 U/min
Höchstgeschwindigkeit160 km/h250 km/h180 km/h
0-100 km/h5,6 s6,0 s
Verbrauch0,0 kWh/100 km0,0 kWh/100 km
Testverbrauch22,7 kWh/100 km