Sondermodell Jaguar F-Type R75 Coupé im Test

Jaguar F-Type R75 Coupé im Supertest
Rock am Ring im Sondermodell

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Veröffentlicht am 18.01.2025

Gefühl ist alles, Name ist Schall und Rauch", lässt Goethe seinen Faust einst sagen. Wenn du mit dem Jaguar F-Type R75 Coupé in die Sabine-Schmitz-Kurve auf die Nordschleife einbiegst, müsste es eher heißen: "Gefühl ist alles, Zahlen sind Schall und Rauch." Der F-Type will keiner sein, der Nürburgring-Rekorde bricht, sondern einer, der mit Gefühl begeistert. Auf der Zielgeraden seiner seit 2013 währenden Modellkarriere, die Ende Juni 2024 endet, jagen wir den britischen Sportler trotzdem noch durch die Grüne Hölle.

Bei Automobilen ist es ja ähnlich wie bei uns Menschen. Die erste Begegnung entscheidet über sehr viel. Beispielsweise legt sie einen ersten Grundstein für Mögen oder Nichtmögen. Schon als man in den Hof des Entwicklungstestzentrums von Jaguar Land Rover im Gewerbegebiet Meuspath nahe der Nordschleife einbiegt, ist klar: Speziell das zum 75-jährigen Jubiläum von Jaguar Sportwagen aufgelegte Sondermodell F-Type R75 muss man einfach mögen.

Diese dezente Eleganz, gepaart mit dem perfekten Maß an Extravaganz, ist den F-Type-Designern besonders beim R75 gelungen. Das beginnt mit der für das Sondermodell exklusiven Farboption, welche das Lackkleid des F-Type in einen vornehmen Grünton namens "Giola Green Metallic" taucht. Serienmäßig trägt die Sonderversion 20-Zoll-Räder, neu gestaltete Abdeckungen der Radnaben, ein schwarz eingefärbtes Markenemblem mit dem Jaguar-typischen Growler im Kühlergrill sowie schwarz-graue statt rot-grüne R-Dynamic-Embleme.

Jaguar F-Type R75 Coupé
Hans-Dieter Seufert

Goodbye, Jaguar-Verbrenner!

Bei Jaguar ist es ähnlich wie bei ihren direkten Nachbarn im Industriegebiet, jenen im Testzentrum von Aston Martin. Genauso wie bei einem Aston Martin sind Nordschleifen-Zeiten auch bei Jaguar kein Kaufkriterium. Trotzdem spielt die Erprobung auf der Nordschleife auch eine wichtige Rolle in der Entwicklung. Nicht nur die Größe des Jaguar Land Rover Testzentrums, sondern auch die Manpower und deren Arbeitseinsatz während der Industriepool-Testfahrten auf der Nordschleife sind erstaunlich. Erstaunlich für eine Marke, deren Sportwagen nahezu ausschließlich im öffentlichen Straßenverkehr bewegt werden.

Status quo bei Jaguar: Der F-Type ist der letzte Sportwagen der britischen Marke mit Verbrenner – was ein Katzenjammer. Man soll ja niemals nie sagen, aber der Abschied vom Verbrenner gilt bei Jaguar als sicher. Angesichts ihrer vollelektrischen Zukunft ab 2025 haben die Briten im Juli 2023 sogar Tonaufnahmen des emotionalen V8-Sounds des F-Type in der Nationalbibliothek des Vereinigten Königreichs archivieren lassen.

Genießen wir lieber den Augenblick und leben ganz in der Gegenwart. Den gummierten Schieberegler auf der Mittelkonsole nach hinten ziehen, bis das Zielflaggen-Symbol aufleuchtet. Der F-Type R75 ist jetzt so sportlich wie möglich konfiguriert (straffeste Dämpfer-Kennlinie der Adaptivdämpfer, unmittelbare Gaspedalannahme, höhere Lenkkräfte durch leichte Rücknahme der Servo-Unterstützung, schnellere Gangwechsel der ZF-Achtgangautomatik 8HP70). Schnell noch das ESP deaktivieren.

Unter Volllast wird aus Katzenjammer dann Katzenhammer. Mit seinem hämmernden V8-Kompressorkonzert weckt der Fünfliter jetzt den Streckenabschnitt Hatzenbach auf. Sein Achtzylinder klingt dabei nicht mehr ganz so ungezähmt wie zu Beginn seiner Laufbahn. Damals beschrieben einige das Spektakel beim Motorstart teils sogar als vulgär. Seinerzeit konnte man den V8 nämlich nie zurückhaltend starten.

Heute klingt er immer noch deutlich achtzylindrig, aber seriöser. Die elektronisch gesteuerten Bypass-Ventile im hinteren Schalldämpfer bleiben laut Jaguar so lange geschlossen, bis sie sich unter Last öffnen. Wer den auffälligeren Motorstart vorzieht, sollte vor selbigem die Taste mit dem Auspuffsymbol auf der Mittelkonsole drücken. Ganz so heiser-blechern wird es trotzdem nicht mehr.

Jaguar F-Type R75 Coupé
Hans-Dieter Seufert

Rock am Ring im Rentenalter

Die Wildheit seiner vergangenen Jugendtage ist im Alter aufgrund der Abgasregulatorik um OPF und Co. etwas milder geworden, ohne langweilig zu klingen. Einfach passend zur Choreografie vor Fahrtantritt, die beim Einstieg mit den ausfahrenden Türgriffen, die sonst bündig mit der Karosserie anliegen, und dem im Herzschlag-Rhythmus rot pulsierenden Startknopf beginnt.

Rock am Ring also nicht erst, als der R75 den letzten Hatzenbach-Curb so entspannt inhaliert wie ein Fischer in Cornwall seinen Schnupftabak. Im Rückspiegel macht sich eine mächtige Staubwolke breit. Ähnlich breit ist das Lächeln des Piloten unter dem Rennhelm. Schon im Hatzenbach fühlst du die Kraft des Jags. Eine unauffällige, aber gute Nebenrolle beim Ideallinie-Ausflug spielt die Achtgang-Automatik mit schnellen Schaltvorgängen per am Lenkrad mitdrehenden Aluminium-Schaltwippen.

575 PS marschieren nun stramm vorwärts. Der Fünfliter-V8-Kompressor glänz mit seinem Durchzug und seiner linearen Leistungsentfaltung. Ganz voll geht der mittige Linksbogen in den Hatzenbach-Wechselkurven nicht, denn gleichzeitig mischt natürlich auch das Gewicht von satten 1.834 kg mit.

Als Fahrer sollte man daher auch im persönlichen Attacke-Modus lieber ein paar Prozent am Limit rausnehmen und versuchen, dem R75 mit einem möglichst runden Fahrstil zu begegnen. Ein später Bremspunkt jetzt in die Rechtskurve von Hocheichen. Die optionale Carbon-Keramik-Bremsanlage erledigt ihren Job gewissenhaft und mit unauffälliger ABS-Regelung. Der Vorderwagen taucht dabei spürbar ein, und der F-Type verlagert sein Gewicht gen Vorderachse.

Beim Einlenken auf der Bremse und anschließenden Lastwechsel dreht sich das Heck leicht ein, und der R75 fordert einen Gegenlenkreflex. "Torque Vectoring by Braking" nennt Jaguar das System, das durch das Zusammenspiel von gezielten Bremseingriffen und dem elektronisch geregelten Hinterachs-Sperrdifferenzial für Agilität sorgen soll. In diesem Fahrmoment fühlt sich der Brite nicht so schwer an, wie er es in Wirklichkeit ist.

Anschließend stabilisiert sich der britische Allradler unter Last beim Herausbeschleunigen wieder und überzeugt mit seiner Traktionsstärke. Je nach Kurvenradius sollte man jedoch beim Herausbeschleunigen nicht zu stark "pushen". In der bergabführenden Arembergkurve beispielsweise geht der F-Type R75 unter Last ab einem bestimmten Punkt in der Kurve ins Untersteuern. Ein ähnliches Fahrverhalten ist in der bergabführenden Rechtskurve von Kallenhard wahrnehmbar.

Jaguar F-Type R75 Coupé
Hans-Dieter Seufert

Kein Ideallinien-Streber

Anders beim Herausbeschleunigen am Adenauer Forst oder aus der Rechtskurve von Wehrseifen – hier drückt das Jaguar-Heck plötzlich mit Leistungsübersteuern. Der F-Type R75 ist also keiner dieser ultraneutralen Ideallinien-Streber, sondern fordert mit dem dauerhaften Wechsel zwischen Unter- und Übersteuern immer wieder die Qualitäten des Piloten. Der Nordschleifen-Ritt wird von permanenten Lenkradkorrekturen begleitet.

Genauso wie der Wagen andauernd um die Hochachse in Bewegung ist, kann er spürbare Nick- und Wankbewegungen um die Quer- beziehungsweise Längsachse nicht verheimlichen. Prinzipiell sind diese Aufbaubewegungen unproblematisch, wäre da nicht die sensibel ansprechende Lenkung. Gefühlt hat die Jaguar-Mannschaft auch bei der Abstimmung der elektromechanischen Servolenkung versucht, das Fahrzeuggewicht zu kaschieren – und hat es dabei meiner Meinung nach etwas übertrieben.

Vom Flugplatz bis zur Kuppe am Schwedenkreuz reichen eigentlich kleine Lenkbewegungen, um Fahrzeuge auf Kurs zu halten. Im F-Type bist du permanent am Korrigieren. Irgendwann kann man sich damit arrangieren und gewöhnt sich an sensible Reaktionen auf Lenkimpulse. Nur in der Fuchsröhre wird man mit dem F-Type überhaupt nicht warm. Während andere unter der Brücke nach Aremberg Anlauf nehmen und sich locker unter Volllast mit Highspeed in die Kompression stürzen, erfordert der Jaguar hier richtig Mut.

Der Links-rechts-links-Wechsel im oberen Teil der Fuchsröhre mit Fahrbahnverwerfungen, die Aufbaubewegungen nur so provozieren, ist zu viel in Kombination mit dem sensibel, hier fast spitzen Anlenkverhalten. Zu viel auf einmal, um locker mit Volllast von oben nach unten durch die Fuchsröhre zu fahren. Ich bin mir sicher, dass man mit einem etwas indirekteren Ansprechverhalten um die Mittellage den F-Type besonders in der Fuchsröhre deutlich schneller bewegen könnte. Die Idee hinter dieser Abstimmung kann ich mir schon denken: Man wollte im Alltag auch auf Serpentinen und Passstraßen mit dieser Lenkungsabstimmung viel Agilität ins Fahrzeug bringen. Bei niedrigen Speeds ist das bestimmt auch zielführend, aber nicht bei Highspeed-Wechselkurven auf der Nordschleife.

Jaguar F-Type R75 Coupé
Hans-Dieter Seufert

Subjektiv vom Speedeindruck her fühlt man sich im F-Type in der Fuchsröhre so schnell, als ob man eben den Alltime-Geschwindigkeitsrekord des Porsche 919 Hybrid Evo (330 km/h in der Fuchsröhre) geknackt hätte. Im Kesselchen auf den Wellen vor der Mutkurve oder in den Wechselkurven des Bellof-S ist der subjektive Geschwindigkeitseindruck im F-Type ebenso hoch.

Ich habe bewusst heute noch keine Zahlenwerte von Kurvenspeeds erwähnt, denn dann würde die Illusion des F-Type verpuffen. Auf der Nordschleife suggeriert er dir auf weitgehend sympathische Art und Weise, dass du gerade, während du mit Mut und Einsatz an der Ideallinie feilst, mit einem höllischen Tempo unterwegs bist. Wenn man die Kurvengeschwindigkeiten dann analysiert, fällt natürlich mit einem Topspeed von 227 km/h in der Fuchsröhre, 231 km/h im Kesselchen oder 212 km/h in der Anfahrt Schwalbenschwanz sofort auf, dass das Gegenteil der Fall ist.

Der F-Type R75 ist ein gutes Beispiel, wie man sich mit immer besser werdender Fahrstabilität bei vielen Sportwagen an unglaubliche Kurvengeschwindigkeiten auf der Nordschleife gewöhnt. Plattformstabilität und Fahrbarkeit sind der Schlüssel zu schnellen Rundenzeiten. Anhand der Nordschleifen-Rundenzeit des Jags sieht man auch mal wieder, wie rasant die Fahrdynamikentwicklung vorangeschritten ist.

Auch wenn der R75 mit 7.53,17 Minuten seinen Vorgänger namens XKR-S (Nordschleife in 8.03 Minuten) klar schlägt und sich damit zum schnellsten Jaguar im Supertest krönt, gilt für den F-Type wie eingangs erwähnt: Gefühl ist alles, Zahlen sind Schall und Rauch.

Technische Daten
Jaguar F-Type Coupé R R
Grundpreis121.000 €
Außenmaße4482 x 1923 x 1311 mm
Kofferraumvolumen310 l
Hubraum / Motor5000 cm³ / 8-Zylinder
Leistung405 kW / 550 PS bei 6500 U/min
Höchstgeschwindigkeit300 km/h
Verbrauch10,9 l/100 km