Sie haben sich Hals über Kopf in einen schicken koreanischen Kompakt-SUV verguckt? Dabei sollten Sie doch beim Autokauf stets einen klaren Kopf behalten, oder? Zum Glück haben Sie uns. Wir räumen von Berufs wegen die Auto-Gefühle beiseite und testen, ob der Hyundai Tucson oder sein Kia-Bruder Sportage mehr draufhat.
Offiziell sind Hyundai und Kia Konkurrenten. Hinter den Kulissen teilen sich die koreanischen Marken jedoch Plattformen und Technologien. So auch bei Tucson und Sportage. Dabei hat Hyundai seinen Bestseller gerade geliftet, während Kia den SUV nächstes Jahr auffrischt. Für beste Vergleichbarkeit treten beide Kompakt-SUV mit dem 215-PS-Hybrid-Benziner samt Sechsstufen-Automatikgetriebe an. Allerdings treibt der Hyundai-Testwagen lediglich die Vorderräder, der Kia alle viere an – natürlich bekommen Sie beide beim Händler mit beziehungsweise ohne Allradantrieb. Alternativ bieten die Koreaner den Benziner als schwächeren 160-PS-48-Volt-Mildhybrid an, wahlweise mit Schalt- oder Doppelkupplungsgetriebe. Das gilt ebenso für den 136 PS starken 1,6-Liter-Dieselmotor. Sie geben gern Vollstrom? Kein Problem, als Plug-in-Hybrid-Benziner leisten beide SUV 252 PS.
Doch damit nicht genug der Kaufberatung: Die zugegebenermaßen geringen Testwagen-Preisunterschiede der SUV ergeben sich nicht nur aus der Antriebsvariation, sondern begründen sich in den Ausstattungslinien. Der Sportage tritt in der Top-Variante GT-Line an. Das heißt: Von der Dreizonen-Klimaanlage bis zum Leder-Velours-Sitzbezug sind bereits nahezu alle verfügbaren Annehmlichkeiten an Bord. So lässt sich lediglich das Soundsystem in Verbindung mit dem Assistenzpaket für zusammen 2.080 Euro hinzubuchen. Ein Panorama-Glasschiebedach würde wie bei Hyundai 1.200 Euro extra kosten. Da der Tucson in der zweithöchsten Ausstattungslinie N Line antritt, bringt auch er fast alle wichtigen Optionen mit. Erweiterte Assistenzfunktionen kosten im Testwagen 1.150 Euro extra, das Sitzpaket 1200 Euro und ein Adaptivfahrwerk glatte 1.000 Euro. Der Testwagenpreis pendelt sich somit bei jeweils rund 51.000 Euro ein. Ausstattungsbereinigt ist der Hyundai mit dem 1.6 T-GDI Hybrid dabei einen Tick teurer.

Die Lenkung des Tucson gibt spürbar mehr Feedback.
Mehr Power im Hyundai
Sie fühlen sich ausführlichst beraten? Dann widmen wir uns jetzt dem Vierzylinder, der in den Testwagen steckt. Der Hybridantrieb hat mit maximal 350 Nm Systemdrehmoment reichlich Power. Überraschung: Es gibt beim Fahren durchaus spür- und messbare Unterschiede. Also drücken wir den rot umrandeten Startknopf des Hyundai, und der Tucson stromert leise los. Kurzzeitiges elektrisches Fahren ist mit beiden kein Problem. Vor allem aber hilft der kräftige E-Boost des 48 kW (Kia 44 kW) starken Elektromotors beim Anfahren.
Erst wenn nach ein paar Hundert Metern der Strom aus der 1,5-kWh-Batterie zur Neige geht, schaltet sich der 160 PS starke Benziner zu. In der Regel geschieht dies geschmeidig, aber selbst im besser gedämmten Tucson akustisch wahrnehmbar. Schade, denn vor allem in der Stadt und über Land wechseln die Betriebszustände permanent. So schaltet der Verbrenner immer wieder ab, um kurzzeitig elektrisches Fahren, Rekuperieren oder Segeln zu ermöglichen. Bei höheren Geschwindigkeiten auf der Autobahn ist der 1,6-Liter-Turbomotor ständig aktiv. Zu dessen kernigen Klängen gesellen sich nun Windgeräusche an der Frontscheibe.
Wie bei Hyundai üblich startet der SUV im Eco-Modus. Die Fahrmodi lassen sich nun über eine Wippe besonders leicht variieren, wobei es jeweils noch einen Sportmodus gibt, der das Drehzahlniveau hebt. Okay, richtig sportlich wird es trotz N-Line-Ausstattung nie, zumal die digitale Drehzahlnadel eher gemächlich durch das Drehzahlband wandert. Subjektiv zieht der Antriebsstrang im Hyundai jedoch kräftiger durch. Das bestätigen auch die Messwerte: In glatten acht Sekunden gelingt der 0–100-Spurt. Der Sportage benötigt zwar nur 0,7 Sekunden mehr, dafür fühlt er sich vor allem beim Zwischenbeschleunigen träger an und braucht länger bis zum Erreichen der 186 km/h Höchstgeschwindigkeit. Woran das liegt? Nun, vielleicht wurde der Testwagen nicht so akribisch eingefahren. Tatsächlich haben wir im Tucson ein Einfahrprotokoll entdeckt mit genauen Anweisungen zur Vollgasvermeidung sowie Begrenzung auf zwei Drittel der Höchstdrehzahl während der ersten 1.000 km.

8,0 Sekunden braucht der Hyundai mit dem 1.6 T-GDI Hybrid für den 0–100-Spurt. Der Sportage ist mit der gleichen Motorisierung subjektiv und messbar langsamer.
Reku fast wie im E-Auto
Doch das ist reine Spekulation. Fest steht dagegen: Schon die Werksangaben unterscheiden sich. Beim Bremsen hat der Tucson die frisch renovierte Schnauze vorn – er steht mit kalter Bremsanlage bereits nach hervorragenden 33,9 Metern aus Tempo 100 still, der Sportage braucht, auch mit warmer Bremsanlage, rund eine halbe Wagenlänge mehr. Im Alltag verzögert der rund 50 Kilogramm leichtere Hyundai mithilfe von drei Rekuperationsstufen oder im Auto-Modus. Das erinnert an die Ioniq-Elektromodelle, da Sie die Energierückgewinnung im Eco-Fahrmodus ganz einfach via Wippen am Lenkrad modellieren. Im Sportmodus dienen die Paddles, wie üblich, als Schaltwippen. Selbst eingreifen muss der Fahrer in beiden Autos allerdings nur beim zügigen Fahren. Vor allem, wenn es bergig wird, reagiert die Sechsstufenautomatik unabhängig vom Fahrmodus zuweilen schläfrig. Im Alltag erfreut die Automatik dagegen mit sanften Schaltvorgängen.
Ähnlich agiert der Automat im Kia. Hier lässt sich die Rekuperationsstärke allerdings nicht ohne Weiteres variieren. Dabei verzögert der Sportage beim Energierückgewinnen oft so kräftig, dass Sie mit etwas Voraussicht beim Einfahren in Ortschaften nicht manuell bremsen müssen. Gut so, denn das Bremspedal ist nicht ganz so fein dosierbar.
Durch die Wahl des Allradantriebs gesellen sich beim AWD-Kia noch Terrain-Modi für Schnee, Matsch und Sand dazu. Zum echten Offroader macht ihn das trotz spürbar besserer Anfahrtraktion jedoch nicht. Mutmaßlich wirkt sich der Allradantrieb auf den Verbrauch aus: Mit 7,2 Litern pro 100 Kilometer verbraucht der Sportage im Testschnitt 0,4 Liter mehr. Schonend bewegt lassen sich die Verbräuche auf der ams-Eco-Runde leicht auf Diesel-Niveau drücken. Mit 5,7 Liter (Hyundai) und 6,1 Liter (Kia) reisen Sie allerdings sehr entspannt, während das Infotainment Naturklänge oder Restaurant-Atmosphäre einspielt.
Verhaltener Fahrspaß
Sie merken schon: Cruisen ist die bevorzugte Gangart der Koreaner. Zumal es fahrdynamisch eher mau aussieht. Klingt langweilig? Dabei erfahren wir selbst hier kleine, durchaus relevante Unterschiede. Die Lenkung stimmt Kia präzise ab, sie wirkt durch höhere Lenkkräfte synthetischer. Untersteuern kündigt sich dem Fahrer zudem nicht unmittelbar an. Dafür reagiert der Sportage im Grenzbereich ohne List und Tücke. Im 18-Meter-Slalom sind beide mit rund 65 km/h ähnlich schnell unterwegs. Beim doppelten Spurwechsel ist der Kia jedoch 6 km/h langsamer. Der Grund: Das ESP greift beim Tanz mit den Hütchen kräftiger ein. Ein Effekt, der sich bei geringerem Tempo auf der Landstraße weniger stark auswirkt.
Die Regelsysteme, allen voran die Traktionskontrolle, melden sich hier beim Hyundai häufiger. Dabei ist der Tucson ebenso fahrsicher, auch wenn er bei der Spurwechsel-Übung leicht mit dem Heck zuckt. Der SUV lenkt verbindlicher ein und teilt sich dem Fahrer intensiver mit. Antriebseinflüsse filtert der FWD jedoch nicht ganz so gut aus dem Lenkgeschehen heraus wie der Allradler.
Die Koreaner stimmen ihre SUV-Fahrwerke tendenziell straff ab. Hyundai fordert, wie bereits erwähnt, 1.000 Euro extra für das beim Kia serienmäßige Adaptivfahrwerk. Dafür pariert der Tucson kurze Wellen souveräner, ohne diese gänzlich zu egalisieren, und gönnt sich mehr Raum beim Ausfedern. Fugen im Asphalt, Gullydeckel oder welliger Belag bringen dagegen ständig Unruhe in den Sportage. In Kurven kämpft der SUV weniger erfolgreich gegen Wankbewegungen an.

Cruisen ist die bevorzugte Gangart der Koreaner. Zumal es fahrdynamisch eher mau aussieht. Klingt langweilig?
Eigenständiger Auftritt
Während die Koreaner äußerlich völlig selbständig und selbstbewusst designt auftreten, sind die Verwandtschaftsverhältnisse innen im Detail durchaus erkennbar. Qualitativ liegen beide auf klassenüblichem Niveau. Hyundai-Fans lockt die N Line mit sportlicheren Anreizen. Zumindest geben sich die Designer Mühe, mit roten Kontrastnähten an Lenkrad, Türtafeln, Armaturenbrett sowie aufpreispflichtigen Sitzen mit besserem Seitenhalt etwas sportliches Flair aufzunähen.
Seit dem Facelift prangt auf dem Hyundai-Lenkrad kein Firmenlogo mehr. Die Automatik bedienen Sie jetzt mit einem Wahldrehschalter hinter dem Lenkrad, den Sie aus den elektrischen Ioniq-Modellen kennen. Die Klimatemperaturregelung wurde von touchsensiblen Oberflächen auf Rädchen umgebaut, was die Bedienung deutlich verbessert. Der Infotainment-Screen wölbt sich dem Fahrer zu, wobei sich Inhalte mit haptischen Tasten direkt aufrufen lassen: Auf Druck erscheinen so Home-Menü, Karte oder Medienauswahl. Sogar einen frei konfigurierbaren Shortcut gibt es. Unser Tipp: Belegen Sie ihn mit der Fahrassistenz, um den Tempolimitwarner schneller zu deaktivieren. Denn wie gesetzlich vorgeschrieben, nehmen es die SUV mit Geschwindigkeitsübertretungen besonders genau. Das nervt, da beide Geschwindigkeitsbegrenzungen auf unserer Teststrecke oft fehldeuten.
Die Digitalanzeigen lassen sich wie beim Kia optisch leicht anpassen und sind in den meisten Konfigurationen gut ablesbar. Pluspunkt für den Hyundai: das Frontscheiben-Head-up-Display. Ansonsten steht im Innenraum Praktikabilität an oberster Stelle. So finden sich in der Mittelkonsole reichlich Ablagen genau wie auf der Beifahrerseite über dem Handschuhfach. Allerdings dürften die Türtaschen gerne größer dimensioniert sein.
Das gilt ebenfalls für den Kia, der geht ohnehin mit Ablagen sparsamer um. Auch hier neigt sich der Infotainment-Screen dem Fahrer zu. Allerdings haben die Entwickler hier Klima- und Infotainment-Bedienung kombiniert. Über die sogenannte Multi-Mode-Leiste müssen Sie zwischen den beiden Ebenen hin- und hertouchen, was deutlich mehr ablenkt – Gewöhnung hin oder her.
Davon abgesehen gelingt die Bedienung des Sportage dank vieler Tasten und Schalter am Lenkrad für Bordcomputer, Spurassistenz sowie Tempomat ebenso leicht wie im Hyundai. Auf der Mittelkonsole aktivieren Sie die Sitzklimatisierung ebenfalls mit Tasten sowie das Automatikwahlrad, die jedoch durch den hochglänzenden Klavierlack gerne geputzt werden wollen. Alternativ erteilen Sie Kia und Hyundai Sprachanweisungen. Im Test überzeugen beide online-basierten Systeme mit Worterkennungssicherheit, zumindest solange die Empfangslage stimmt und Sie die sperrigen Befehle für Funktionen wie die Radiosenderwahl auswendig gelernt haben.

Wo sich die 19 bis 29 Liter zusätzliches Kofferraumvolumen verstecken? Vielleicht im Ladeboden.
Funktional in Form
Die Kofferräume unterscheiden sich zwar leicht nach Litermaß (Hyundai: 616 bis 1.795 l; Kia: 587 bis 1.776), gleichen sich in der Realität aber wie ein Ei dem anderen. Einschränkungen durch den 1,5-kWh-Akku gibt es keine, da sich der unter der Rückbank versteckt. Sperriges einzuladen, gelingt beim Hyundai dank des größeren Quadermaßes besser. Der Laderaumboden lässt sich jeweils in der Höhe variieren und bietet Fächer für Kleinkram und eine Verstaumöglichkeit des Sichtschutzrollos, das ansonsten in einer Führung sanft zurückgleitet. Die Rücksitzlehne lässt sich fernentriegeln, sodass ein Laderaum mit nur leicht ansteigender Fläche entsteht. Alternativ verharrt die Lehne aufrecht in der Cargo-Stellung oder neigt sich für gehobenen Sitzkomfort in mehreren Stufen.
Die Fondbank des Kia bietet zwar die etwas längere Beinauflage, die Hyundai-Bank aber den höheren Abstand zum Fußboden. Hinzu kommt der größere Normsitzraum. Der lässt sich dank seitlicher Tasten am Beifahrersitz von hinten verstellen, was wiederum der Beinfreiheit hinten rechts zugutekommt. Praktisches Detail beim Kia-Sitz: An den Kopfstützen lassen sich Jacken aufhängen.
Am Ende bleiben die Unterschiede zwischen den Plattform-SUV überschaubar. Das ändert jedoch nichts daran, dass der Tucson nach Punkten klar das bessere Auto ist. Sie haben sich in den Kia verguckt, der mit sieben Jahren noch mal zwei Jahre mehr Garantie bietet? Das geht auch in Ordnung!
Hyundai Tucson 1.6 T-GDI Hybrid N Line | Kia Sportage 1.6 T-GDI Hybrid 4WD GT-Line | |
Grundpreis | 48.000 € | 48.990 € |
Außenmaße | 4520 x 1865 x 1650 mm | 4515 x 1865 x 1650 mm |
Kofferraumvolumen | 616 bis 1795 l | 587 bis 1776 l |
Hubraum / Motor | 1598 cm³ / 4-Zylinder | 1598 cm³ / 4-Zylinder |
Leistung | 118 kW / 160 PS bei 5500 U/min | 118 kW / 160 PS bei 5500 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 186 km/h | 186 km/h |
0-100 km/h | 8,0 s | 8,7 s |
Verbrauch | 4,9 l/100 km | 5,6 l/100 km |
Testverbrauch | 6,8 l/100 km | 7,2 l/100 km |