Besonders spannend wird’s beim Testen meist dann, wenn ein neues Auto in der Redaktionsgarage steht – und diesmal sind’s gleich zwei. Zwar war der VW Tiguan schon bei uns, aber noch fühlt er sich frisch und keineswegs altbekannt an. Ihm gegenüber steht der geliftete Hyundai Tucson, der sein Testdebüt gibt. Seine Tagfahrlampen sind fließender in den Grill integriert, doch den echten Gesprächsstoff liefert das stark überarbeitete Cockpit. Lenkrad, Armaturentafel sowie Mittelkonsole wurden ausgetauscht, zwei Monitore in ein höher positioniertes Gehäuse gesteckt und darüber hinaus ein Head-up-Display integriert.
Mehr Tasten und Drehregler
Über dem Handschuhfach gibt es nun eine (rutschige) Ablage und auf der Mittelkonsole eine gummierte Induktivladefläche, wo zuvor Getriebewähltasten waren. Seit dem Facelift dreht man für die Fahrstufen einen Schalter hinter dem Lenkrad, das nur noch drei statt vier Speichen und kein Logo mehr hat. Schade, denn an den unteren Streben konnte man die Daumen einhaken. Auf dem Lenkrad sind zwei der vier Wippschalter durch bequemer nutzbare Walzen ersetzt worden. Ärgerlich statt nur schade: Vorher gab es Tasten für Sitzklimatisierung und Lenkradheizung, jetzt muss man die Einstellung auf winzigen Touchfeldern zurechtfummeln.

Den linken Temperaturdrehregler drückt man, um zwischen drei Automatikstufen zu wechseln.
Alle anderen Änderungen stellen wiederum Verbesserungen dar: Bei der Temperatureinstellung entfällt die Toucherei, stattdessen dreht man an Schaltern, mit deren Drückfunktion drei Automatikstufen und die Synchronisierung der Klimazonen anwählbar sind. Darüber ersetzen Direktwahltasten die vorherigen Touchfelder, und Lautstärke und Kartenzoom werden mit zwei weiteren neuen Drehreglern geändert. Die umgestalteten Tasten auf der Mittelkonsole sind weiterhin mit Auto Hold, Start-Stopp-Automatik oder auch dem exzellenten Parkkamerasystem belegt – die (im VW fehlende) Ansicht auf beide Vorderräder plus Vogelperspektive kann an engen Stellen Gold wert sein. Und die Totwinkel-Videoanzeigen? Die ploppen beim Blinken im Tacho auf, sind aber nur bei hoher Lenkradpositionierung vollständig zu sehen, was auch an der hohen Sitzposition liegt.
Das geht ergonomischer
In der Prime-Ausführung sind die Sitze klimatisiert, beledert und fahrerseitig mit Speicherplätzen für die elektrische Verstellung ausgerüstet (VW: beidseitig). Insgesamt sitzt es sich hier bequem, nur drückt das Ende der Beinauflage leicht gegen die Oberschenkel, und bei sehr aufrecht justierter Lehne kommen die Kopfstützen zu nah. Noch dazu fehlen der Lenksäule einige Zentimeter in der Längsverstellung.

Bequeme Rückbank mit genug Abstand zwischen Sitzfläche und Boden. Dritter Gurt am Dachhimmel.
Hinten lassen sich die Außenplätze beheizen. Ihre Lehnen sind neigbar, der Abstand zum Boden ist groß genug, die Fußfreiheit top. Den guten Komfort ergänzt eine dritte Klimazone, der eine eigene Lüftereinstellung fehlt. Ansonsten gibt’s hier Seitenfenster-Rollos, zwei USB-Buchsen und ähnlich kleine Türtaschen wie vorn, in die keine großen Flaschen passen.
Insgesamt geht der Komfort für alle Insassen in Ordnung, auch weil das adaptivgedämpfte Fahrwerk nie hart und häufig sogar recht weich federt, ohne den Aufbau schaukeln zu lassen. Viele aufeinanderfolgende Unebenheiten bekommt es zwar nicht geglättet, aber Rumpeleien bleiben aus – nur manche Fahrwerksgeräusche dringen lauter nach innen.

Vier Punkte statt Markenlogo: Auf dem Lenkrad steht in Morse-Code ein H.
Auf einer Testfahrt ruinierte jedoch die Assistenz den Fahrkomfort mit einem fiesen Schreckmoment. Im Stadtgebiet stieg sie fest in die Eisen, weil sie offenbar eine Kollision mit einem Lkw befürchtete, der auf der Nachbarspur vor dem Tucson fuhr – Glück gehabt, dass uns da keiner die Heckklappe in den Kofferraum geschoben hat.
Die aktive Spurführung funktioniert auf der Autobahn ganz gut, wenngleich die Zentrierung innerhalb der Fahrbahnmarkierungen nicht ganz auf dem Niveau des VW-Systems liegt. Kapazitivsensorik für die Hände-am-Lenkrad-Prüfung steckt in beiden Autos.
Milde Hybridzugabe
Auch in beiden Maschinenräumen arbeitet ähnliche Technik: Vierzylinder-Benziner plus 48-Volt-Mildhybridisierung. Wenn du im Hyundai Tucson 1.6 T-GDI 48V beim Anfahren nur etwas zu viel Gas gibst, setzen E-Boost und Turbokraft eher unharmonisch nacheinander ein und überfallen dann gern die Vorderräder – erst mit Übung gelingt die Gaspedaldosierung so, dass es zügig und flüssig losgeht. Manchmal kommt es aber auch vor, dass der Tucson am Berg zurückrollt, wenn die eigentlich flotte und kultivierte Start-Stopp-Automatik zuvor den Motor abschaltet. Davon abgesehen arbeitet das Getriebe unauffällig, der 160-PS-Verbrenner zieht kräftig genug durch und hält bis 160 km/h das Sprinttempo seines Kontrahenten.
Der Tiguan lässt laufen

7,8 l/100 km verbrauchte der VW im Testmittel.
Vorteil VW: Der 150 PS starke eTSI verbraucht im Testmittel mit 7,6 statt 8,5 l/100 km deutlich weniger. Dafür rekuperiert er teils spürbar, deaktiviert gelegentlich zwei Zylinder und wechselt oft in den Freilauf, in dem der Motor meist abschaltet, per Gaspedal aber sofort wieder kultiviert anspringt. Innerorts kann das trotzdem nerven, wenn du bergab wegen des einsetzenden Freilaufs das Tempolimit überschreitest – immerhin lässt er sich per Schaltwippe abbrechen. Anfahren kann der eTSI gut, wenngleich das Doppelkupplungsgetriebe manchmal mit einem kleinen Ruck in den Zweiten schaltet. Dafür hält sich der aufgeladene Vierzylinder akustisch meist zurück.
Über Land beweist der VW Tiguan 1.5 ETSI auf geflickten Rumpelpisten, dass er noch kontrollierter und deshalb angenehmer (adaptiv) dämpft. In den Kurven übertrifft er die durchaus anständigen Querdynamik-Eigenschaften des Tucson mit etwas höheren Kurvengeschwindigkeiten sowie größerer Gelassenheit. Auf dem Testgelände erzielt hingegen der Hyundai die besseren Werte beim doppelten Spurwechsel und im 18-Meter-Slalom. Ordentliche Lenkungen haben beide, kräftig bremsen können sie auch – aus 100 km/h stehen die Kompakt-SUV nach 34,4 (VW) und 34,5 Metern.

In der Leiste stehen 15 Positionen für die Einstellung der DCC-Stoßdämpfer.
Beim Euro-NCAP-Test erreichen beide fünf Sterne: Der Hyundai Tucson schützt bei Frontalunfällen besser, der VW bei seitlichen. Zudem bietet der Wolfsburger das umfangreichere Assistenzarsenal und die technikstärkeren Matrixscheinwerfer, die ihren hellen Fernlichtkegel feiner an den Verkehr anpassen als die des Koreaners.
Doch während du beim Hyundai das Tempolimitgebimmel und den Spurhalter mit je einer Lenkradtaste abschaltest, musst du im VW Tiguan dafür über den Touchscreen gehen. Immerhin lässt sich das dafür zuständige Menü an die Schnellstartleiste pinnen, und auch viele andere Funktionen sind über individualisierbare Menüs in wenigen Schritten erreicht.

Mittelkonsole: Lautstärke und Fahrmodus sind mit dem Drehschalter anwählbar.
Im Vorgängermodell war der Spurhalter über eine Taste am Blinkerhebel schnell deaktiviert. Der übernimmt nun jedoch die Scheibenwischersteuerung, weil rechts ein Getriebewählhebel steckt (Prinzip: siehe Hyundai). Top am Blinkerhebel: Einmalwischen und Wischwasser bedient man über eine Taste. Nicht so gut: Das Wischertempo steuert man über einen Drehschalter, für den man die Hand vom Lenkrad nehmen muss. In dessen Speichen stecken unabhängig von der Ausstattung echte Tasten, und auf der Mittelkonsole liegt ein neuer Multifunktions-Drehschalter, dessen Potenzial mit Lautstärke- und Fahrmodussteuerung nicht ansatzweise ausgereizt wird. Unter dem 15-Zoll-Monitor steuert man mit den äußeren Touchslidern die Temperaturen, auf dem mittigen ebenfalls die Lautstärke und via Zweifingergeste den Kartenzoom, was selten (gut) klappt. Richtig nervig: Die Audiowiedergabe hält man über eine winzige Fläche daneben an.
Bass oder mehr Gepäck?
Dem gegenüber steht ein schnelles, verständlich sortiertes Infotainment-System mit beeindruckend großer und sehr gut ablesbarer Routenführung. Die Harman-Kardon-Anlage hebt den Spaß beim Musikhören, nur kann der Ladeboden wegen des Subwoofers nicht verstellt werden. Diese Funktion fehlt auch im Tucson wegen des 48-Volt-Akkus im Souterrain, wobei man im VW jedoch die Rückbank nach vorn schieben kann, um mehr Kofferraum zu gewinnen.

Außergewöhnlich gut positionierte Rückbank: Die Oberschenkel liegen fast vollständig auf der Sitzfläche auf.
Die beheizten Fondsitze im Tiguan 1.5 ETSI stechen die schon guten im Tucson mit noch besser nutzbarer Beinauflage und stärkerer Konturierung der ebenfalls neigbaren Lehnen aus. Das gilt auch für die Lehnen der vorderen Sitze, die mit Massage, ausziehbaren Beinauflagen sowie längsverstellbaren Kopfstützen aufwarten.
Die funktionale Überlegenheit des VW setzt sich mit großen Türtaschen ringsum fort, die 1,5-Liter-Flaschen locker fassen. Praktisch auch: die digitale Ölstandsanzeige. Hinzu kommen Stand- und Frontscheibenheizung (optional), zwei Ladepads sowie ein 230-Volt-Anschluss. Im B-Säulen-Bereich gibt es Trennnetz-Ösen und in der ersten Reihe eine in Länge und Höhe verstellbare Mittelarmlehne.

72 dB(A) beträgt der Geräuschpegel bei 180 km/h im VW, 1 dB(A) mehr im Hyundai. Bei 80, 100, 130 und 160 km/h sind die Messwerte hier wie dort gleich.
Vorn steht der VW Tiguan aber nicht nur im Karosseriekapitel, sondern auch fast überall sonst, weshalb er in seinem zweiten Vergleichstest einen starken Gegner souverän schlägt. Mal sehen, wann sich dem VW weitere Klassenkameraden stellen.
VW Tiguan 1.5 eTSI Elegance | Hyundai Tucson 1.6 T-GDI MHEV Prime | |
Grundpreis | 48.100 € | 45.640 € |
Außenmaße | 4539 x 1842 x 1660 mm | 4510 x 1865 x 1650 mm |
Kofferraumvolumen | 652 bis 1650 l | 577 bis 1756 l |
Hubraum / Motor | 1498 cm³ / 4-Zylinder | 1598 cm³ / 4-Zylinder |
Leistung | 110 kW / 150 PS bei 5000 U/min | 118 kW / 160 PS bei 5500 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 210 km/h | 192 km/h |
Verbrauch | 6,6 l/100 km | 7,2 l/100 km |