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Fahrassistenzsysteme
Wie viel ist schon autonom?

Von wegen Zukunftstechnik: Schon heute beherrschen Autos einige Fahrmanöver besser als der Mensch. Wir haben mit dem VW Passat als einem der begabtesten Selbstfahrer die Probe aufs Exempel gemacht und kräftig gestaunt.

Fahrassistenzsysteme, VW Passat 2.0 TDI 4Motion
Foto: Rossen Gargolov

Sie kennen den Gag: Prognosen sind ja bekanntlich schwierig – vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen. In einem Punkt sind sich Autoexperten jedoch einig: In einigen Jahren fahren uns unsere Autos automatisch von A nach B, während wir Zeitung lesen oder im Internet surfen. Ebenfalls Einigkeit herrscht über den Weg dorthin: So dürfte es nicht den einen Tag X geben, an dem der Schalter zum autonomen Fahren umgelegt wird. Die Technik wird vielmehr Schritt für Schritt eingeführt, Entwickler sprechen dabei von einzelnen Fahraufgaben, die nach und nach an die Technik delegiert werden.

Intelligente Mittelklässler

Doch was heißt "werden"? Schon heute sollen Autos viele Manöver genauso gut oder besser können als Menschen. Und zwar nicht nur Luxusliner wie die Mercedes S-Klasse, sondern schon Mittelklässler wie der VW Passat. Dessen Bedienungsanleitung listet nicht weniger als 15 elektronische Helfer auf, von denen wir uns die vier spannendsten Neuentwicklungen einmal näher ansehen wollen. Hierfür haben wir im normalen Straßenverkehr getestet, aber auch auf dem Bosch-Prüfgelände in Boxberg.

Die Assistenten nutzen dabei mehrere Sensortypen gleichzeitig. So hält der Stauassistent per Radar den Abstand zum Vordermann bis 60 km/h konstant. Stockt der Verkehr, hält der Passat sogar an und fährt innerhalb einer gewissen Zeitspanne wieder los. Im Unterschied zu einem reinen Abstandstempomaten (ACC) nutzt der Stauassistent eine Kamera hinter der Windschutzscheibe, die nach Fahrbahnmarkierungen Ausschau hält.

Damit kann sich der Passat auf seiner Fahrspur halten, indem er automatisch lenkt. Nicht nur das: Mithilfe seines Rechnerhirns lernt der VW sogar die bevorzugte Position innerhalb der Fahrbahn – je nachdem, ob sein Fahrer lieber etwas weiter rechts oder links fährt. Aus rechtlichen Gründen muss er allerdings die Hände am Lenkrad halten.

VW Passat bremst eigenständig

Registriert das System, dass der Fahrer freihändig fährt, erfolgt nach einigen Sekunden eine akustische Warnung. Wird die ignoriert, tritt der Notfallassistent in Aktion. Dieser geht davon aus, dass der Fahrer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr eingreifen kann. Auch hier sorgen Kamera und Radar dafür, dass weder die Spur verlassen noch auf ein Hindernis aufgefahren wird.

Nach mehreren Warnstufen bis hin zu kurzen Bremsrüttlern hält der Passat automatisch an und betätigt den Warnblinker. Auf der Autobahn den Seitenstreifen ansteuern kann das System nicht. Der Passat bleibt vielmehr auf der zuvor befahrenen Spur stehen, was in den meisten Fällen dennoch die bessere Alternative zum unkontrollierten Weiterfahren darstellen dürfte.

Einparkhilfe jetzt auch vorwärts

Doch es sind nicht nur die dramatischen Ereignisse, bei denen die Technik Hilfe anbietet: Auch beim Parken hat der Passat Fortschritte gemacht. So konnten die früheren Parklenkassistenten zwar quer und längs zur Fahrbahn rückwärts einparken. Die neueste Generation fährt jedoch Lücken auch vorwärts an. Der Assistent wird nach wie vor über eine Taste am Armaturenbrett aktiviert, worauf die Ultraschallsensoren in den Schürzen nach freien Plätzen entlang der Straße fahnden und gefundene Lücken im Bordcomputer-Display anzeigen.

Dabei schlägt das System schon die Art und Weise des Einparkens vor. Werden mehrere Parklücken erkannt, lässt sich durch erneutes Drücken der Parktaste der gewünschte Stellplatz anwählen. Gas und Bremse muss der Fahrer allerdings noch selbst betätigen, wobei das Display auch hier Hilfe anbietet.

Rückwärtsfahren mit Anhänger? Kein Problem

Wer schon beim normalen Parken Schweißausbrüche bekommt, für den dürfte Rückwärtsfahren mit Anhänger eine Grenzerfahrung darstellen – außer VWs Trailer-Assist ist an Bord. Wird mit Anhänger am Haken der Rückwärtsgang eingelegt, zeigt das Bordcomputer-Display die eingeschlagene Richtung und mögliche Kurvenradien an.

Über den Spiegeleinsteller lässt sich nun wie mit einem Joystick die gewünschte Richtung wählen. Dabei kann das System auch nur geradeaus rückwärts fahren, ohne einer Kurve zu folgen. Der Trailer-Assist arbeitet mit Daten der Rückfahrkamera, die Bewegungen der Deichsel beobachtet und so das Lenkverhalten des Anhängers voraussieht. Laut VW klappt dies mit allen gängigen Anhängerdeichseln am Markt.

So viel Computer-Intelligenz hat jedoch ihren Preis. Zur Anhängervorrichtung für 910 Euro kommen weitere 620 Euro für den Parklenkassistenten inklusive Trailer-Assist hinzu. Der reine Parklenkassistent ohne Anhängerhilfe kostet 320 Euro. Stau- und Notfallassistent wiederum sind im großen Fahrerassistenz-Paket Plus enthalten, das 2.850 Euro kostet und noch einige weitere Sicherheits- und Komfortextras wie die adaptiven LED-Scheinwerfer enthält.

Der Parklenkassistent trifft die Lücken (fast) immer

Ernüchterung im ersten Anlauf: Obwohl er nur einen Tick weiter hätte zurücksetzen müssen, versucht sich der Passat mit unzähligen kleinen Korrekturzügen in die Parklücke zu bugsieren. Wir können es irgendwann mal nicht mehr mit ansehen und übernehmen das Steuer. Doch es bleibt bei diesem Ausrutscher, der sich nicht reproduzieren lässt: In den folgenden Versuchen schlägt sich der Variant nämlich sehr ordentlich, obgleich ihm das Rückwärtsparken mehr zu liegen scheint. Für Parkphobiker dennoch ein lohnendes System.

Mit dem Anhängerassistent clever ums Eck lenken

Für den Hausfrauentest gibt es keinen besseren Kandidaten, schließlich bin ich noch nie mit Wohnwagen gefahren. Und wusste daher auch nicht, wie schwierig es ist, das Ferienhäuschen am Haken rückwärts einzuparken. Ohne Hilfselektronik breche ich nach drei Versuchen und wildem Geschlängel ab. Jetzt den Assistenten aktivieren, am Spiegelversteller, der wie ein Joystick bedient wird, die Richtung wählen, Gas geben – und staunen, dass der Hänger auf Anhieb da hinrollt, wo ich ihn haben wollte. Ganz klar der spektakulärste der vier Assistenten!

Entspannung auf der Autobahn mit dem Stauassistent

Bei aller Begeisterung fürs Autofahren: Das nervige Stop-and-go-Getrödel im abendlichen Berufsverkehr lasse ich mir gern abnehmen. Vor allem, wenn die Technik so gut funktioniert wie im VW, der präzise seinem Vordermann folgt und die Spur hält. Schon nach ein paar Minuten vertraue ich den Sensoren und finde es fast schade, dass das System bei einem Stopp nur rund zwei Sekunden anfahrbereit bleibt. Danach muss ich es per Gaspedalstoß aktivieren, weshalb der Eindruck entsteht, der Passat könnte noch viel mehr, wenn er denn nur dürfte.

Der Notfallassistent verhindert Schlimmeres

Wir drehen unsere Runden auf dem Bosch-Testgelände in Boxberg. Besser gesagt: Der Passat dreht, denn wir stellen uns bewusstlos und nehmen die Hände vom Lenkrad. Nach ein paar Sekunden piepst es aus Richtung Armaturenbrett, erst leise, dann immer lauter. Kurze, abrupte Bremsstöße sollen uns wachrütteln, doch wir bleiben passiv. Der Variant betätigt jetzt den Warnblinker und fährt leichte Schlangenlinien, um sein Umfeld zu warnen, dann hält er auf seiner Spur an. Obwohl das System toll funktioniert, hoffen wir, dass wir es nie brauchen.

Fazit

Macht Lust auf mehr

Mit ihren Radar-, Kamera- und Ultraschallsensoren haben viele Autos schon heute wesentliche Technikbausteine an Bord, die zum autonomen Fahren notwendig sind. Gerade beim Thema Parken schreitet die Entwicklung schnell voran: So werden unsere Autos in wenigen Jahren komplett eigenständig ihren Platz im Parkhaus ansteuern und auf Kommando einer Handy-App zum Ausgang vorfahren. Vom Stauassistenten, der dem Vordermann bis Tempo 60 folgt, ist es auch nicht mehr weit bis zum Autobahnassistenten, der bis 120 km/h Gas, Bremse und Lenkung komplett übernimmt und so den Fahrer entlastet. Die Technik hierfür wäre so weit – dies ist jedenfalls der Eindruck, den der Passat beim Test vermittelt.

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Erscheinungsdatum 03.07.2024

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