Der neue Tesla Model S Plaid im Test

Tesla Model S Plaid im Test
1.020 Elektro-PS! Und sonst so?

Veröffentlicht am 24.11.2024

Tesla hätte vor 50 Jahren Musikgeschichte schreiben können. Wenn es damals schon das Model S Plaid gegeben und Roger Hodgson von Supertramp diesen Apparat gekannt hätte – er hätte "Beamer" statt "Dreamer" komponiert. "Beamer, nothing but a beamer" oder so. Ob das beim Plaid so stimmt, klären wir in diesem Test, beamen also wieder vor von 1974 nach 2024. Passend zum 1.020-PS-Tesla, der einem das Raum-Zeit-Kontinuum ganz schön verstrubbeln kann. So viel vorweg. Denn: In welchem anderen Auto der 100.000-Euro-Klasse wird man so gnadenlos daherbeschleunigt? Der Blick tunnelt, die Brust krampft, der Atem stockt, der Magen kribbelt. Vorsicht beim Nachmachen, Volllast gefällt nicht jedem, Sensiblen drohen die Synapsen rauszuspringen.

Erst recht im sogenannten Drag-strip-Modus. Bei diesem konditioniert sich der Tesla Plaid kurz für die Aufgabe, bringt seine Batterie auf Optimaltemperatur und bereitet auch sonst alles vor. Nun hat der Fahrer ein paar Minuten Zeit, auf einem freien, möglichst etwas längeren Stück Asphalt mit links die Bremse und mit rechts das Fahrpedal durchzutreten. Sodann nimmt das Luftfahrwerk den "Gepard-Modus" ein, senkt sich vor allem vorn ab, um den Schwerpunkt und die Beschleunigungstraktion zu optimieren. Sobald im Display die Sonne über dem stilisierten Model S aufgeht, den Fuß von der Bremse, und S geht ab. Irre!

Wir dürfen Ausrufezeichen eigentlich nur bei der Landung der Marsianer verwenden, doch hier ist das völlig okay. 2,5 Sekunden auf 100 km/h und unter 10 auf 240 gibt es schließlich nicht alle Tage. Kleine Untertreibung. Auf 100 war nur der Taycan Turbo S schneller, 6,8 auf 200 ist dann Bugatti-Zone. Und das ohne Gebrüll, Geschalte und ein Gramm (lokale) Emission – außer Schweiß und schwerem Atem der Insassen. Nicht mal die Reifen quietschen, und auch sonst herrscht ziemliche Stille. Die drei Motoren powern erstaunlich leise, jedenfalls leiser als der Wind und die Abrollgeräusche, die sich bei höheren Tempos ins Gehör drängeln. Womit wir aus der Abteilung G-Force-Spaß in den Alltags-Ernst wechseln.

Power und Ausstattung satt

Doch keine Sorge, so richtig ernst wird’s im Plaid eh nie, es gibt fast immer irgendwas zum Schmunzeln, Wundern, Freuen. Versprochen. Doch was ist der Plaid eigentlich für ein Typ? Er ist das momentane Topmodell der S-Baureihe, liefert für vergleichsweise günstige 107.990 Euro Basispreis weitgehende Vollausstattung inklusive Leder und Carbon innen. Dazu ordentliche Assistenz, sehr umfassendes Infotainment mit Furzkissen und 960-Watt-Surround sowie Luftfederung und Matrixlicht (gutes Abblendlicht, grob regelndes, inhomogenes Fernlicht ohne Fremdblendung, jedoch mit störenden Streifen im oberen Bereich). Vor allem aber: 1.020 PS kurzfristige Maximalleistung aus einem Motor an der Vorder- und zweien an der Hinterachse, dazu 1.424 Newtonmeter Systemdrehmoment, das Ganze gespeist aus dem 100-kWh-Akku im Unterboden.

Obwohl das Model S als erster Großserien-Tesla bereits 2013 bei uns erschien, wirkt es optisch immer noch frisch. Die einen nennen das Design des 5,02 Meter langen Viertürers mit seiner Stahl-Alu-Karosserie langweilig, die anderen zeitlos. Auf jeden Fall ist es produktionseffizient und aerodynamisch. Zwei Kernkompetenzen von Tesla, denn erstens lässt sich das Auto relativ preiswert zusammenbauen, und zweitens bietet es viel Reichweite, denn E-Kompetenz ist der eigentliche Markenkern. Und Tesla liefert: von der gut gemachten App über das Netz der eigenen Ladesäulen bis zum Ladeerlebnis an Fremdsäulen. An Tesla-Säulen ist schnelles Andocken ohne Kartengefummel eh gesetzt, doch selbst an einen Alpitronic-HPC koppelt sich das Model S schneller als ein Großteil der Konkurrenz.

Kann es der Tesla ihr auch bei Verbrauch und Reichweite zeigen? Wie weit reicht der traditionell aus 1.8650-Rundzellen bestehende Akku mit 95 kWh netto? Die drei Motoren möchten ja versorgt sein. Wie immer hängt die Sache stark vom Fahrprofil ab. Topspeed- und Beschleunigungs-Einlagen oder gar Dragstrips saugen natürlich jede Menge Energie, aber das sind alles Fahrzustände, die beim akribischen Ermitteln des Testverbrauchs nicht auftreten. Dabei kommt der Plaid auf reproduzierbare 26,4 kWh pro 100 Kilometer, was eine Reichweite von 382 Kilometern ergibt. Buchstäblich lässig im entsprechenden Modus bedeutet unter 20 kWh Verbrauch und Reichweiten um 550 Kilometer, wovon auch die Prognose des Plaid nach jedem Laden ausgeht. Wer ins Menü steigt, bekommt dort Detailinformationen über den Einfluss verschiedener Verbraucher bis hin zu Wind und Topografie plus Tipps zum Sparen. Langsamer fahren zum Beispiel. Echt jetzt? Großartig!

Im Ernst, auch wenn der Tesla Model S Plaid mit Monsterkraft lockt: Entspannt und entspannend geht auch. Immer im Bewusstsein, stets ausreichend motorisiert zu sein, unmittelbar, ganz ohne Turboloch und Runterschalten. Aufs Fahrpedal und schwups. Läuft. Mit einem per App gekoppelten Mobilfunkgerät muss man weder extra aufschließen noch einschalten. Öffnen, reinsetzen, Bremse treten, Schieber nach oben und los.

Schieber? Ja, Bildschirm. Bei normalen Gangwahlhebeln purzelt Elon Musk gelangweilt von seinem Weltbeherrschungs-Thron. Tesla ist halt Zukunft. Zumindest so, wie einige sich die vorstellen. Selbst die grundsätzlich noch vorhandenen Tastfelder soll der Nutzer bitte ignorieren und die Fahrtrichtung nur noch per Wisch auf dem großen, hochauflösenden und schwenkbaren Screen (2.200 x 1.300 Pixel) kommandieren.

Noch blöder: Die Blinkertasten am Lenkrad, die logische Lenksäulenhebel ersetzen sollen. Sie sind in Kreisverkehren kaum bedienbar. An den Rest der Ergonomie kann man sich gewöhnen, was sie jedoch nicht besser macht. Etwa das teils nötige Zusammenspiel von Bildschirm und Lenkradwalzen. Billigen, fummeligen Lenkradwalzen, die etwa für die Justage von Spiegeln, Lenksäule und Co. zuständig sind. Das Handschuhfach verlangt ebenso nach Touch wie das Lichtmenü und weitere wesentliche Einstellungen bis hin zur Klimaanlage. Die hat zwar einen Abwehrmodus gegen Chemiewaffenangriffe, schafft es jedoch nicht immer, zugfrei zu arbeiten und im großzügigen Innenraum längere Zeit eine gleichmäßige Temperatur zu halten.

Insgesamt zeigt sich der Tesla routiniert verarbeitet mit teils einfachen Kunststoffen, mäßig seitenhaltigen Sitzen vorn und Detailschwächen bei einzelnen Passungen, aber durchweg klapperfrei ausgeführt. Große Türablagen und das clevere Mittelkonsolen-Arrangement samt Staufächern, Cupholdern und Induktionsladen überzeugen ebenso wie die große Heckklappe und der leicht nutzbare, üppige Laderaum, der ein Fahrrad ohne Vorderradausbau akzeptiert. Und dann wären da noch 1.600 Kilogramm Anhängelast, immerhin. Enttäuschend aber am Exterieur die Orangenhäute im Lack und die labberigen Kotflügelverkleidungen.

Aufmerksamkeit? Ja bitte!

Jetzt aber: ab auf eine flotte Landstraßenrunde! Schon beim Rangieren künden die rubbelnden Michelin Pilot Sport 4S in 21 Zoll (Option) von der kurvenfreudigen Vorderachsgeometrie. Speziell beim Langsamfahren rollt der Plaid hölzern ab, erreicht selbst in komfortabler Stellung der Luftfederung samt Adaptivdämpfern nie Limousinen-Flausch und läuft Spurrinnen deutlich nach. Er fordert jederzeit Aufmerksamkeit, überlässt Feinsinn anderen, ist eher der handfeste Typ.

Wer sich darauf einlässt und den Plaid mit der mäßig präzisen, eher synthetisch rückmeldenden, immer etwas unruhigen Lenkung (Unterstützung dreistufig) bewusst und aktiv fährt, erntet ein freudiges, druckvolles Fahrerlebnis mit überschaubarer Untersteuerneigung. Zumindest wenn man mit dem 2,2-Tonner nicht zu schnell in die Kurve rein-und ab Scheitel dafür mit Wucht wieder rausfährt. Die Regelelektronik gibt bei ESC-Vollschutz so viel Leistung frei, wie aktueller Lenkwinkel und Fahrbahn sicher zulassen, sodass das Lenkrad bisweilen wie ein zweites Fahrpedal wirkt.

Volllast und Eigenleben

Traktion an der Hinterachse ist jedenfalls kein Problem, eher schon die leichten Antriebseinflüsse vorn, wenn es volle Kraft voraus geht. Ist eh nur kurz möglich, da man sonst in der StVO verglüht. Der Antrieb beweist Kondition, verkraftet aufeinanderfolgende Volllast-Sprints und Ähnliches. Sportive dürfen – auf abgesperrter Strecke – im Track-Modus experimentieren, etwa mit Rekuperationslevels und Kraftverteilung, wodurch der Plaid seine Beweglichkeit noch mal deutlich Richtung Heckschwenk erweitert. Insgesamt bleibt er ein Typ, der Richtung Limit ein spürbares Eigenleben entwickelt.

Vorher kündet Ventilatorsausen jedoch bereits von Hitzewallungen der Elektroabteilung sowie eine Displaynachricht von solchen auch an der grundsätzlich trittfesten Stahlbremse, die ausreichend verzögert. Schnellfahrer sollten dennoch zu den optionalen Carbon-Keramik-Scheiben greifen. Sie dürften temperaturresistenter bleiben, zudem verzichtet Tesla dann auf den 280-km/h-Riegel, lässt volle 322 km/h Topspeed zu. Wobei schon 250 plus wegen der Abstimmung von Lenkung und Fahrwerk Konzentration fordern.

Was Mr. Hodgson (heute 74) von Supertramp aber nicht davon abhalten sollte, aus voller Brust "Beamer" zu schmettern.

Technische Daten
Tesla Model S Plaid Plaid
Grundpreis119.990 €
Außenmaße5021 x 1987 x 1431 mm
Kofferraumvolumen709 bis 1828 l
Höchstgeschwindigkeit322 km/h
Verbrauch0,0 kWh/100 km