Der neue Audi S6 e-Tron Sportback im Test

Audi S6 e-Tron Sportback im Test
Mit zwei E-Maschinen besser als der Diesel-Vorgänger?

Veröffentlicht am 22.03.2025

Beste Verarbeitung und Komfort, top Technik plus reichlich Fahrfreude: Nur so kann die Erwartungshaltung an den S6 e-tron Sportback lauten, für den sie in Ingolstadt mindestens 99.500 Euro verlangen. Dafür liefert Audi viel beeindruckende Technik, aber auch einige Schludrigkeiten – und in der Qualitätsanmutung sogar mehr als das.

Im Vorgängervergleich sind offensichtliche Differenzen sofort ausgemacht. Alu-Tasten sind solchen aus Glanzschwarzplastik gewichen. Der Kunststoff an den Türtafeln, den Einstiegsleisten und am Handschuhfach sieht nach Kompaktklasse aus. Die bedienfreundlichen Knubbel zur Luftausströmerjustierung erinnern an Kleinwagenplastik. So auch die mit Mikrofaser verkleidete Leiste unter den Monitoren, die teils billig anmutende Geräusche von sich gibt, wenn man die Finger für Toucheingaben darauf abstützt. Wie eine Sparmaßnahme wirkt auch die nicht mehr ausziehbare Mittelarmlehne, deren Höhenverstellung im Testwagen zudem nicht sauber funktionierte.

Audi S6 e-Tron Sportback, Cockpit
Rossen Gargolov

Hochwertige Bildschirme

Na gut, wenn du im S6 sitzt, die Tür mit sattem Klang schließt und dann nicht so genau unter die Handschuhfach-Linie schaust, dann steigt das Qualitätsempfinden. Die "Sportsitze plus" halten dich, ohne zu drücken, gut fest, sind sogar am ausziehbaren Ende der Sitzfläche beheizt, und auch nach fünf Stunden zwickt’s nirgends. Die Türtafelarmlehne ist jedoch etwas zu niedrig positioniert.

Extrageld gibt Audi für OLED-Technik im Fahrer- und im Zentralmonitor aus, die tiefes Schwarz ohne durchscheinende Hinterleuchtung darstellen – immer schön anzusehen und nachts ein Komfortplus. Der Beifahrerbildschirm basiert auf TFT-Technik. Sie erlaubt es, Videos per Privacy-Modus für den Fahrer zu sperren.

Das dritte Display ist Teil des im Testauto vorhandenen Tech-pro-Pakets, das nicht einzeln erhältliche Extras bündelt. Dazu gehören Einkammer-Luftfedern ringsum, OLED-Heckleuchten und fein lichtverteilende Matrix-Scheinwerfer inklusive einstellbarer Lichtsignaturen. Weiter geht’s mit Seitenairbags hinten sowie einem mittigen vorn. Ebenso dabei: Softclose-Türen, ein Schlüsselsystem für Smartgeräte (Uhren, Telefone), eine elektrische Lenksäulenverstellung sowie ein Bündel an Assistenzsystemen.

Audi S6 e-Tron Sportback
Rossen Gargolov

Beispielsweise eine aktive Spurführung, die präzise lenkt und sogar mit komplexen Mehrfachmarkierungen in Autobahnbaustellen souverän umgeht – selbst dann, wenn die linke Begrenzung eine Baustellenleitplanke ist. Unberechtigte Hände-ans-Lenkrad-Warnungen vermeidet die Kapazitivsensorik des Lenkrads.

Einen Komfort- und Sicherheitsgewinn stellt das Head-up-Display dar. Es lässt die große Darstellung so wirken, als würden die Inhalte etwa vier Meter vor der Motorhaube in die reale Umgebung projiziert, ergo wandert der Blick seltener nach innen. Neben Augmented-Reality-Navipfeilen zeigt es auch eine große rote Grafik bei zu geringem Abstand zum Vordermann. Diese Warnung schiebt sich auch ins Blickfeld, während man etwa in den rechten Außenspiegel schaut. Eher ablenkend: Bei starker Beschleunigung vergrößert sich die Tempoanzeige in einer Animation.

Ruhig und schnell, aber …

Klassische Komfortattribute ergeben sich aus der starken Kabinendämmung. Zwischen 80 und 180 km/h liegen alle Dezibel-Messwerte auf dem Niveau eines BMW i7 und Mercedes EQS. Im Oberklasse-Audi kannst du bei Tempo 180 entspannt telefonieren oder Podcasts hören. Ganz fleckenfrei bleibt der S6 bei der Akustik aber trotzdem nicht, denn manche Testfahrer hören beim Fahren ein Fiepen, das andere nur ganz leise vernehmen, wenn sie ein Ohr an die Dachkonsole halten. Unüberhörbar und schon vom Q6 bekannt: Zwischen 90 und 115 km/h brummt es im Innenraum tieftönig, vermutlich vom Antrieb. Maßvoll laute Musik übertönt das nervige Geräusch zwar, lenkt den Fokus jedoch auf die gleichzeitig im Sitz spürbaren Vibrationen. Hinzu kommen bei Stadttempo leise, aber klassenuntypische Fahrwerksgeräusche.

Auf der Habenseite bietet der S6 mit seiner Fahrwerksabstimmung einen Mix, der den Komfort zwar priorisiert, aber auch noch gut zur sportlichen Positionierung passt. Auf echten Rumpelpisten glättet er manche Unebenheit effektiv, andere verarbeitet er zumindest sehr anständig. Straßenverwerfungen sind jedoch verhalten zu spüren.

Audi S6 e-Tron Sportback
Rossen Gargolov

Sportlich gefahren, kommt es zu leichten Wankbewegungen, die je nach Fahrmodus und -stil aber hintergründig bleiben. Der Dynamic-Modus spielt Motorengeräusche per Lautsprecher ein, vor allem fährt der S6 darin mit aktivem Sport-ESP bei moderaten Seitenführungskräften freundlich heckbetont. Zumindest auf Winterreifen ist übermäßiges Tempo für vergnügliches Kurven unnötig. Wilde Drifts sind hier nicht das Thema, sondern die Positionierung der Hinterachse im Kurvenverlauf. Du kannst sie überwiegend reproduzierbar mit dem rechten Pedal beeinflussen und dabei auch mal eine Viertelumdrehung gegenlenken.

Am Kurvenausgang gibt der Antrieb sein Drehmoment liberal frei, was bei E-Autos nicht selbstverständlich ist. 580 Nm liefert der permanenterregte Motor hinten, 275 Nm die Asynchronmaschine vorn. Auch nicht selbstverständlich: Ab dem Scheitel reißt der Vorderachsmotor nie derart heftig an den Rädern, dass sie nicht mehr lenken können.

Und die Lenkung? Im Alltag unauffällig, direkt genug, insgesamt ganz okay, aber wenig kommunikativ. Im Dynamic-Modus sind die Widerstände beim Anlenken ziemlich groß, beim Zurücklenken dann unpassend gering. Im Komfort-Modus ist der Eindruck harmonischer, nur ist der im Individualprogramm nicht mit der hecklastigen Drehmomentverteilung kombinierbar. Das soll laut Audi später möglich sein.

Gewöhnungsbedürftig ist die bei sportlicher Kurvenfahrt oft hörbare Ventilschaltung des Bremssystems, das Räder teils unmerklich einzeln abbremst, um den 2.366 kg schweren Wagen möglichst neutral bis eben zart übersteuernd auszulegen. Bei unseren Fahrdynamiktests auf einem Flugfeld klappt das weniger überzeugend: "Überraschung" und "synthetisches Verhalten" schrieb unser Testfahrer aufs Messblatt. Speziell beim doppelten Spurwechsel fährt der S6 mal, vom ESP in die Schranken gewiesen, neutral, dann übersteuert er plötzlich doch recht stark. Ordentliche Messwerte verbucht er in den Hütchenkursen dennoch, und beim Verzögern erzielt er sogar spitzenmäßige: 100 auf 0 km/h in 32,7 Metern.

Audi S6 e-Tron Sportback
Rossen Gargolov

100 auf 200 km/h in 10,4 s

Ähnlich souverän arbeitet der ölgekühlte Doppelmotorantrieb: Er beschleunigt den S6 in sechs aufeinanderfolgenden Zyklen mit konstanten Werten. Launch-kontrolliert geht’s mit einer kurzzeitigen Leistungsspritze von 370 auf 405 kW in 3,9 Sekunden auf 100 km/h, gefolgt von 10,4 Sekunden von 100 auf 200 km/h. Den Vmax-Riegel schiebt die Elektronik im S6 e-tron bei 240 vor, 30 km/h später als bei den A6-e-tron-Modellen.

Das macht schon Spaß, wenn die Bahn mal frei ist und der S6 geräuscharm blitzsprintet. Und wenn du nur mal etappenweise drauftrittst, eskaliert der eher niedrige Testverbrauch (24,4 kWh/100 km) gar nicht so eklatant. Klar, die hohe Testreichweite von 409 Kilometern erreichst du auf diese Weise nicht, aber weil der 94,9 kWh große Akku mit seiner 800-Volt-Spannungslage schnell lädt, zwickt der Mehrverbrauch weniger.

Der S6 bietet fünf Rekuperationsmodi: automatisch, Freilauf, gering, normal und Einpedalmodus. Letzterer verzögert mit bis zu 2,5 m/s² stark genug, um oft ohne Bremspedaleinsatz fahren zu können. Dabei setzt die Rekuperation überwiegend synchron zur Fahrpedalbewegung ein, und meist kommt der e-tron so auch ruckfrei zum Stehen – das letzte bisschen übernimmt die Reibbremse. Künftig will Audi den ganzen Bremsweg per Rekuperation lösen.

Den Einpedalmodus setzt der Fahrer per Schaltknubbel, den automatischen via Touchscreen, die anderen Modi über Lenkradwippen. Die sonstige Bedienung erfolgt touchlastig, aber halbwegs ordentlich – jedoch stellen die Touchtasten auf dem Lenkrad einen signifikanten Rückschritt dar. Und was einen in der Praxis richtig nerven kann: Podcasts oder Musik können nur im passenden Touchscreen-Menü pausiert werden, denn die entsprechende Lenkradtaste und die Drückfunktion des Drehreglers schalten die Wiedergabe lediglich stumm, halten sie aber nicht an. 
Das gehört zu den erwähnten Schludrigkeiten, die irgendwie auch ein wenig nach Zeitdruck in der Entwicklung aussehen.

Zudem soll erst Ende 2025 eine Reifendruckanzeige folgen; derzeit wird nur bei Druckverlust gewarnt (laut Handbuch auch bei losen Felgen). Ein Wechselstrom-Onboard-Lader für 22 kW Leistung kommt ebenfalls später als Option. Und mit der konstant unflüssigen Übertragung der (überaus nützlichen) Parkkamera-Bilder kann Audi auch keineswegs zufrieden sein. Wenigstens stottert die Darstellung nicht so heftig wie zuletzt in einem A5-Testwagen.

Unterm Strich zeigt der Audi S6 e-Tron bei seinem Debüt viele starke Eigenschaften. Für ein Auto, das im Testwagengewand 112.720 Euro kostet, muss er dann aber doch ordentlich Kritik einstecken.

Technische Daten
Audi S6 e-tron
Grundpreis99.500 €
Außenmaße4928 x 1923 x 1465 mm
Kofferraumvolumen529 bis 1330 l
Höchstgeschwindigkeit240 km/h
0-100 km/h3,9 s
Verbrauch15,7 kWh/100 km
Testverbrauch24,4 kWh/100 km