Ach, könnte man sich nur aussuchen, womit man in Erinnerung bleiben wird. Nehmen wir Heinrich VIII.: Der parliert auf Latein und Französisch, schreibt zarte Gedichte, komponiert gefühlvolle Lieder. Weiß keiner mehr. Stattdessen trägt man es ihm noch ein halbes Jahrtausend später nach, dass ihm zwischendurch immer mal, also vier Mal, eine Gattin abhandenkommt. Da hat, so holterdipoltern wir in den Test, der Suzuki Vitara ein glücklicheres Händchen. Das heißt, eigentlich Hemdchen. Denn ist es für uns langsam ergrauende Freunde der Kraftfahrt nicht noch immer das "Bikini Top" (für die Jüngeren: ein knappes, flatterhaftes, in Neonfarben zu voller Pracht gelangendes Notverdeck), für das wir den Vitara seit dem Debüt 1988 und bis heute in seiner seit 2015 gebauten vierten Generation in bester Erinnerung behalten?
Obgleich der Testwagen die einst ausschweifende Freizügigkeit auf die Sittsamkeit eines Panorama-Glasdachs reduziert, sehen wir der Ankunft des jüngst zum zweiten Mal modellgepflegten Vitara freudig entgegen. 2022 hat Suzuki ihn teilelektrifiziert. Dass er seither zu den günstigen Hybrid-SUV zählt, bringt ihm die Rivalität mit dem günstigsten SUV ein, an den man sich seit 2010 erinnern kann: dem Dacia Duster .
Seit 2023 ist der in Generation drei auch als Vollhybrid unterwegs. Von der Preisbrecherei mag er auch da nicht lassen. Trotz größerer Leistung und Maße liegt der Testwagenpreis gut 6.500 Euro unter dem des Vitara. Der hat mehr Ausstattung und Allradvorderradgetrieben kostet er 1.850 Euro weniger, war aber so nicht verfügbar. Nun wären die Formalitäten geklärt, also los. Und wenn Sie sich entsinnen, dass da etwas mit Lego-Steinen war, erinnern Sie sich richtig.
915.103.765 Möglichkeiten
Zu den seltenen munteren Geschichten der jüngeren Automobilentwicklung zählt die über Nicolas Fremaud. In den Weihnachtsferien vor vielen Jahren habe ihr Ingenieur, wie Renault informiert, aus Lego-Steinen das Modell des Multi-Mode-Getriebes für ein Hybridsystem zusammengesteckt. Das Konstrukt bündelt zwei Getriebe, eines mit vier Gängen für den 1,6-Liter-Saugbenziner (94 PS/148 Nm) und zwei für den in die Box integrierten 35 kW/205 Nm starken E-Motor. Ein Hochvolt-Startergenerator mit 15 kW übernimmt auch die Betätigung des Getriebes. Das ermöglicht zum einen parallelen Hybridantrieb: Verbrenner und Elektro arbeiten abwechselnd oder gemeinsam, treiben dabei direkt die Räder an. Zum anderen funktioniert auch der serielle Betrieb: Dabei viertaktet der Benziner ohne Durchtrieb zu den Rädern als Generator, liefert die Energie für den E-Motor, der allein den Vortrieb erledigt. Bis Tempo 80 kann er das ganz allein – bis der 1,2-kWh-Pufferbatterie die per Rekuperation eingesammelten Energiereserven ausgehen. Insgesamt ergäben sich, so Renault, 14 unterschiedliche Antriebsvarianten. Gar nicht mal so viele, bedenkt man, dass sich sechs 2-x-4- Lego-Steine auf 915.103.765 Möglichkeiten zusammenstecken lassen.

59,7 km/h Werte unter 60 km/h im Slalom haben wir selten. Das grobe ESP bremst den Duster ein. Gewiss kein flinker Kurvenfeger, richtungswechselt der Vitara 3,5 km/h schneller.
Steckt also eine Menge drin im Duster. Der schafft – auf deutlich größeren Abmessungen – ein stattlicheres Raumangebot für Passagiere wie Gepäck. Seine Sitzmöbel mögen nun mit lederfreien Materialien bezogen sein, doch steigert das weder Halt noch Komfort. Ja selbst die Einsicht, dass der Duster die bequemsten Sitze hat, an die man sich bei ihm erinnern kann, bedeutet nicht, dass sie wirklich angenehm wären.
Sehr viel angenehmer gestaltet er nun die Atmosphäre im Cockpit. War der Stil dort früher von herber Rustikalität, steigert er sich nun auf nett dekorierte Rustikalität. Die Digitalisierung hat die Instrumente übernommen und die Bedienung dem Touchscreen größere Bedeutung zugewiesen. Doch zählt der Duster weiter zu den Autos, mit denen sich schnell und leicht zurechtkommen lässt – durchaus auch wegen der knappen Funktionsfülle. Beispielsweise gibt es keinen Abstandstempomaten. Die weitere, weder in Umfang noch Talent bemerkenswerte Assistenz lässt sich nach eigenen Präferenzen konfigurieren und per Doppeldruck auf eine Taste aktivieren.
Sportmodus steigert die Konfusität
Wir drücken nun mal den Startknopf, worauf zunächst das E-Werk hoch- und der Duster elektrisch losfährt. Mal früher, mal später schaltet sich der Verbrenner dazu. Die ganzen 14 Akte des Antriebsballetts mit dem Hin und Her, Zusammen und Getrennt, An und Aus der Antriebe bringt die Steuerung flüssig und komfortabel über die Bühne – solange die Fahrt nicht der Eile zuneigt. Wenn nämlich doch, dann gerät das System in Hektik, lässt den Verbrenner hoch drehen, ihm aber trotz Batteriereserven nicht immer zuboosten. Der Sportmodus steigert die Konfusität, bleibt aber neben der B-Stufe für stärkere Rekuperation die einzige Einflussmöglichkeit auf die Selbstverwirklichung des Antriebs.

Motorhaube auf, zu sehen ist ein 1.600er-Benziner, 35-kW-EMotor und 15-kW-Startergenerator.
Den kann der Duster nur nutzen, weil er in seiner neuen Generation wie das vielzählige Allerlei an Klein- bis Großkompaktwagen des Konzerns auf der für Teil-Elektrifizierung ausgelegten Plattform CMF-B basiert. Deren eher unausgeprägte Fähigkeiten im Bereich der Fahrdynamik finden beim Duster keine Zuspitzung. Er fährt, vom ESP streng und früh geregelt, mit dösigem Handling und verschwummerter Rückmeldung in der Lenkung, doch stets sicher. Dazu hat sein Fahrwerk den Aufbau ohne große Wankerei unter Kontrolle, bringt dennoch umgänglichen Komfort zusammen. Und der Duster bremst solide. Doch bleibt er weniger durch Vergnüglichkeit beim Fahren als vielmehr wegen des günstigen Test- (6,1 l/100 km) und des niedrigen Eco-Verbrauchs (5,0 l) in Erinnerung. Und auch mit dem Sieg?
Nach all den Jahren
Die japanische Höflichkeit gilt ja als eine der höflichsten überhaupt. Daher wollen wir gleich zu Beginn taktvoll feststellen, dass der Vitara vor zehn Jahren gewiss ein recht modernes Auto war. Seither lässt er die Jahre ziemlich unbeeindruckt an sich vorbeiziehen; größere Anstrengungen, mit ihrem Fortschreiten mitzuhalten, ergeben sich nur ein Mal: 2022 mit dem Einsatz des Vollhybrid-Systems. Für das kombinieren die Ingenieure den 1,5-Liter-Benziner (102 PS/138 Nm) mit der Anfahr- und Stützkraft einer E-Maschine (24,6kW/60 Nm), die ihre Energie aus einer 0,844 kWh kleinen Batterie zieht. Wobei der Vitara damit erstaunlich oft elektrisch zuarbeitet. Denn wenngleich der Akku schnell leer ist, hat er seine Kapazität durch Rekuperation selbst auf der Autobahn eilig wieder beisammen und kann dann erneut tapfer zuboosten.

35,0 Meter Warmbremsweg aus 100 km/h beim Duster sind okay. Der Vitara steht 1,1 m später. Das heißt: Nach 35 Metern hat er noch 17,5 km/h Resttempo drauf.
Das bringt dem Japaner gute Effizienz (6,3 l S/100 km Test-, 5,4 l Eco-Verbrauch) und erspart dem drehmomentschütteren Vierzylinder bei milder Fahrt kreischende Hochtourigkeit. Zu der treibt ihn das automatisierte Schaltgetriebe erst, wenn er den 1,3 Tonnen schweren Vitara allein oder eilfertiger vorantreiben muss. Wenngleich die Box manuelle Eingriffe per Schaltwippen nicht als Befehl, sondern bestenfalls als Diskussionsgrundlage für einen Schaltvorgang versteht, sortiert sie ihre sechs Gänge ganz geschickt. Wer es nicht besser weiß, mag gar meinen, ein mittelbegabtes Automatikgetriebe kümmere sich um den Antrieb – was wohl das größte Kompliment ist, das man einem automatisierten Schaltgetriebe aussprechen kann.
Ausgesprochen geräumig ist der Suzuki Vitara dagegen nicht. Zwar sitzen Pilot und Co im unglamourös eingerichteten Cockpit mit guter Aussicht und die Passagiere im Fond mit nettem Blick nach oben, doch alle gedrängter als im Duster. Das Kofferraumvolumen bescheidet sich mit – gut nutzbaren – 289 l. Was sich alles auch damit erklärt, dass der Suzuki auf nur 4.185 mm Länge nicht nur das Hybrid-E-Werk und das automatisierte Getriebe verräumen muss, sondern auch den Allradantrieb.

Hell, aber wegen des serienmäßigen Glasdachs wenig lichte Höhe auf der platten, schmalen Bank.
Der regelt die Kraftverteilung im Auto-Modus mit Präferenz auf Effizienz und leitet nach Möglichkeit alle Antriebskraft nach vorn. Mangelt es da an Grip, beteiligt die Steuerung die Hinterachse mit maximal 50 Prozent. Am Drehrad lässt sich die Verteilung auch auf 50 : 50 fixieren.
Auch weil es nie zu einem Leistungsübereifer des Motors kommt, fährt der Vitara immer trittfest und sicher. Eilfertiger zudem und weniger grob vom ESP geschurigelt zumindest bei Slalom und Spurwechsel auf der abgesperrten, ebenen Teststrecke. Draußen auf der Landstraße gerät die Souveränität jedoch ins Wanken, wie der ganze Suzuki mit seinem hohen Aufbau. Den hat er nicht fest im Griff, dabei lässt es das Fahrwerks-Set-up keineswegs an Straffheit fehlen und federt/dämpft rumpelig über Unebenheiten.
So der Suzuki mit etwas verwöhnt, dann mit Ausstattung. Der Comfort+ bringt neben Nettigkeiten wie dem Glasdach ein stattlicheres Assistenzteam mit, samt Abstandstempomat. Nur mag der sich im Test oft nicht aktivieren lassen, was seinen Nutzen nicht weniger mindert, als sich der Sinn von Tempolimit-Erkennung und -Warnung reduziert, die ihren Aufgaben mit schrillem Eifer, ansonsten aber viel mehr fantasievoll als akkurat nachgehen.
Fast fantastisch? Ist wie beim Dacia der Werterhalt beim Suzuki. Mit dem bleibt er, auch nach dem Besitz, gewiss lange in bester Erinnerung.
Dacia Duster 1.6 Hybrid 140 Extreme | Suzuki Vitara 1.5 Dualjet Hybrid Allgrip Comfort+ | |
Grundpreis | 27.390 € | 35.450 € |
Außenmaße | 4343 x 1813 x 1656 mm | 4185 x 1775 x 1595 mm |
Kofferraumvolumen | 430 bis 1545 l | 289 bis 1046 l |
Hubraum / Motor | 1598 cm³ / 4-Zylinder | 1462 cm³ / 4-Zylinder |
Leistung | 69 kW / 94 PS bei 5600 U/min | 75 kW / 102 PS bei 6000 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 160 km/h | 180 km/h |
0-100 km/h | 10,5 s | 13,5 s |
Verbrauch | 4,9 l/100 km | 5,6 l/100 km |
Testverbrauch | 5,9 l/100 km | 6,3 l/100 km |