Cupra Tavascan VZ und Kia EV6 GT-Line im Test

Cupra Tavascan VZ und Kia EV6 GT-Line im Test
Zwei E-SUV mit dem Mut zum Anderssein

Veröffentlicht am 25.12.2024

Als hätten die Designer des Kia EV6 Anfang der 2020er schon die Flut batteriebetriebener, meist sehr ähnlich gestalteter SUV aus China geahnt, verpassten sie ihrem Stromer eine tatsächlich unverwechselbare Linienführung. Nicht richtig SUV, nicht richtig Schrägheck oder Kombi. Eher eine moderne Form des Shooting Brake mit einem Heck, das sich durch sein grimmiges Leuchtenband unlöschbar ins Gedächtnis brennt. Dieses Heck wurde nun, dreieinhalb Jahre nach der Vorstellung, wie auch der Bug modernisiert. Sehr behutsam allerdings; die Folgen der Schönheitsoperation fallen speziell hinten nur im direkten Vergleich auf.

Hingucker-Material liefert auch Cupra: Die Designer des Tavascan , der technisch eng mit den eher biederen ID.4 und ID.5 von VW verwandt ist, ließen sich wohl von den wildesten Jungs im Volkswagen-Konzern inspirieren. Der zerklüftete Hai-Bug, das Heck, die kräftigen Linien in den Flanken: Sieht das nicht alles aus, als hätte der Lamborghini Urus Modell gestanden? Nun, vielleicht spielt uns da unsere Fantasie einen Streich. Fest steht allerdings, dass das jüngste Elektro-Produkt der Seat-Sportmarke Cupra ebenso unverwechselbar daherkommt wie der Kia EV6.

Kia EV6 GT-Line
Hans-Dieter Seufert

Einfach mal Danke sagen

Dafür kann man durchaus mal Danke sagen. Und im Falle des Kia auch für den Umstand, dass bei der Modellpflege nicht lediglich etwas Chichi hier und etwas Technik da und dort hinzugefügt oder optimiert wurden (dazu später), sondern dass die Preise in eine gänzlich unerwartete Richtung modellgepflegt wurden. Das Basismodell mit 170 PS kostet nun 44.990 statt 46.990 Euro, und der getestete Allradler, ausgerüstet mit der größten Batterie und der bestmöglichen Ausstattung namens GT-Line, wurde sogar um rund 3.000 Euro billiger. Er kostet nun 60.890 Euro und damit nur 110 Euro mehr als der VZ, der schärfste Tavascan, den die Preisliste momentan hergibt.

Beide liegen also in jenen finanziellen Sphären, die sie nicht zum typischen Zweitwagen machen. Sie verstehen sich als Vollwert-Erst- und Einzigautos, und das zu Recht. Auf knapp 4,70 Metern Länge bieten sowohl der EV6 als auch der Tavascan sehr gute Platzverhältnisse für vier Erwachsene, wobei der Kia mit immenser Beinfreiheit in der zweiten Reihe tatsächlich mehr bietet, als man nutzen kann. Lieber hätte man mehr Oberschenkelauflage – so wie im Cupra, doch dafür ist die Rückbank des EV6, der mit zweifarbigen Sitzbezügen auf jugendlich macht, einen Tick zu tief montiert.

Besser sitzt es sich also im Cupra, der allerdings mit schmaleren Fondtüren das Einsteigen etwas mühsamer macht als der Kia. Der wiederum verdreckt mit seinen wuchtigen Schwellern bei Schmuddelwetter schnell die Hosenbeine. Und vorn? Da sichert der Tavascan den Piloten und dessen Co. in haltstarken, sehr bequemen Sportsitzen und integriert sie auf sehr angenehme Weise ins Auto, während man im Kia auf durchaus komfortablen Polstern etwas von oben herab und fast schon entkoppelt auf das Cockpit schaut. Andererseits: Serienmäßig gibt es im GT-Line klimatisierte Vordersitze (Cupra bietet nur eine Sitzheizung) und eine komfortable Ruheposition, um etwaige Ladepausen entspannt für ein Nickerchen nutzen zu können.

Platz fürs Gepäck haben beide ausreichend, mit 502 statt 475 Kilogramm Zuladung ist der Cupra indes besser für den Familienurlaub gerüstet. Als Zugfahrzeug macht der Kia nach der Modellpflege indes die bessere Figur: 1,8 Tonnen beträgt nun die Anhängelast – und damit 400 Kilogramm mehr als beim Tavascan.

Cupra Tavascan VZ
Hans-Dieter Seufert

Da geht was: 600 PS plus x

Wie das Platzangebot ist auch die Ausstattung der zwei ziemlich üppig geraten, wobei der Cupra das Head-up-Display serienmäßig mitbringt, der Kia das seine nur gegen Aufpreis (1.890 Euro zusammen mit erweiterter Sicherheits- und Komfortassistenz wie dem ferngesteuerten Ein- und Ausparken). Man kann hier und da durch ein Kreuzchen bei der Konfiguration noch nachwürzen, doch beide Grundmenüs sind bekömmlich. Und auch bei der Motorleistung sparen die beiden nicht: Mit einem Elektromotor pro Achse knacken sie locker die 300-PS-Grenze und stürmen bei Vollgas energisch los, als seien mehr als zwei Tonnen Lebendgewicht nichts. Nullhundert geht hier wie da in weniger als 5,5 Sekunden, und bis zur Spitze von 180 (Cupra) respektive 188 km/h (Kia) wird es auch nicht langweilig.

Natürlich lassen sich diverse Fahrmodi wählen, wozu im Cupra der linke große Knopf im Lenkrad dient. Der fühlt sich klar besser an als die zwar glänzenden, aber billig knackenden Touchflächen im Lenkrad selbst. Im Kia-Lenkrad berührt man Walzen und einzeln ausgeführte Schalter, die sich metallen und solide anfühlen, und fühlt eine klar höhere Wertigkeit.

Und wer gern mit der Rekuperationsstärke spielt, kann dies hier wie da mittels der griffgünstig gelegenen Lenkradpaddel tun. Spielerei? Nein, ein nettes Angebot an Fahrer, die sich gern mit Technik beschäftigen – und praktischer als die verkopften Türöffner: Im Kia klappen nach dem Entriegeln (das nach der Modellpflege nun auch per Smartphone gelingt) klobige Metallstäbe aus, die man nicht ohne Verrenkungen des Arms packen kann. Und im Cupra muss man von unten in enge Schlitze fassen und einen Sensor auslösen. Alles für den cW-Wert und den niedrigen Verbrauch, schon klar. Doch dann muss man nicht wie Cupra den Sternenhimmel ins Auto – präziser: als LED-Gefunkel in die Türverkleidungen – holen. Denn auch kleine Lichtlein, vor allem wenn es viele sind, verbrauchen Strom. Und von dem konsumieren beide nicht eben wenig.

Cupra Tavascan VZ und Kia EV6 GT-Line
Hans-Dieter Seufert

Unter 20 kWh geht nichts

Selbst unsere Eco-Runde schaffen beide – bei spätherbstlich kühlem Wetter – nicht unter 20 kWh, und mit Testverbräuchen jenseits der 27 kWh übertreffen sie die WLTP-Angaben um rund zehn kWh. Das kann schon ins Geld gehen, wenn man an der Autobahn an einem Schnelllader stoppen muss.

Immerhin dauert das Laden nicht allzu lange. Vorteile hat dabei der Kia, dessen Batterie von 77,4 auf 84 kWh Nettokapazität zugelegt hat und dessen maximale Ladeleistung von 240 auf 258 kW gestiegen ist. Weitere praxisnahe Neuerung der Modellpflege: Der Akku lässt sich nun manuell vorheizen, um auch dann schnell und schonend laden zu können, wenn keine Routenführung mit empfohlenen Energie-Stopps und automatischer Vorkonditionierung aktiv ist. Über eine 230-Volt-Steckdose im Bereich der Rückbank und einen Adapter können externe Geräte auch aus dem Kia-Bordnetz mit Strom versorgt werden.

Beim wichtigen Thema Laden ist insgesamt also der Kia vorn. Dafür punktet der Cupra beim Fahren an und für sich stärker – und das ist ja für viele Käufer eine nicht nebensächliche Qualität eines Autos. So, wie es die engen Sitze verheißen, wirft sich der Tavascan sehr agil in die Kurven, nimmt seinen Fahrer gefangen und liefert, wenn man ihn fordert, einfach ab. Das serienmäßige Adaptivfahrwerk spricht zwar selbst im Super-Soft-Modus eher verbindlich an, spreizt sich aber für alle Straßenzustände passend zwischen Weich und Straff.

Cupra Tavascan VZ
Hans-Dieter Seufert

Mehr Fahrspaß im Cupra

Das Bergauf und Bergab auf kurvenreichen Straßen macht im Cupra jedenfalls mehr Spaß als im Kia, der auch wegen seiner weniger engagierten Lenkung und einer stärker wankenden Karosserie den gewünschten Kurs etwas beliebig einschlägt.

Er macht das alles brav, im Extrem mit einem etwas lebendigeren Heck als der Cupra, aber abgesichert durch ein sehr gut abgestimmtes ESP. Und ist dabei nicht bedeutend langsamer, wie die in Slalom und Ausweichtest erreichten Geschwindigkeiten zeigen. Er fühlt sich nur irgendwie unbeteiligt an und lässt spüren, dass er mit seinem Tag mindestens ebenso zufrieden wäre, wenn der Typ am Lenkrad seine Dynamik-Ambitionen weniger oft ausleben wollte. Und wie federt er? Nun, Kia hat zwar auch die Fahrwerksabstimmung überarbeitet, doch der EV6 rollt häufig eher herb ab und wirkt auf kurzen Unebenheiten bockiger als der Cupra.

Welchen nehmen? Die Punktetabelle spricht für den Cupra – und das nicht nur, weil der Testwagen inklusive aller wertungsrelevanten Extras etwas günstiger ist als der in der Vollkasko erschreckend teure Kia. Denn der Tavascan ist nicht nur im Design sportlich, sondern löst dieses Versprechen auch im Fahrgefühl ein. Der Kia bringt dafür serienmäßig mehr Ausstattung und Ladekompetenz mit und lässt mehr Freiraum bei den Extras. Ganz serienmäßig bei beiden: ein erfrischend eigenständiger Auftritt als Kontrast zur angesagten Rundlichkeit.

Technische Daten
Cupra Tavascan VZ VZKia EV6 84 kWh 4WD GT-Line
Grundpreis60.780 €60.890 €
Außenmaße4644 x 1861 x 1597 mm4695 x 1890 x 1575 mm
Kofferraumvolumen540 bis 1550 l510 bis 1320 l
Höchstgeschwindigkeit180 km/h188 km/h
0-100 km/h5,4 s5,2 s
Verbrauch16,5 kWh/100 km0,0 kWh/100 km
Testverbrauch27,7 kWh/100 km27,5 kWh/100 km