Cupra Leon VZ und Honda Civic Type R im Test

Cupra Leon VZ und Honda Civic Type R im Test
Spanien gegen Japan im Frontkratzer-Duell

Veröffentlicht am 23.11.2024

Warum wir Ihnen die Heckansicht im Aufmacherbild präsentieren, fragen Sie sich? Nun, die meisten werden den frisch facegelifteten Cupra Leon VZ Extreme und den Dauerbrenner Honda Civic Type R ohnehin nur von hinten zu sehen bekommen. Für den Wiedererkennungswert der beiden 300-plus-PS-Hot-Hatches ist diese Optik also sicher sinnvoller.

Cupra hat für die Modellpflege des Leon jedenfalls eine Extreme-Version aufgelegt, die unter anderem eine serienmäßige Brembo-Bremsanlage und die exklusiven Supersport-Schalensitze mitbringt. Der Begriff "Facelift" ist angesichts der äußerlichen Überarbeitung angebracht, denn optisch hebt sich der Leon vom direkten Vorgänger sichtbar ab. Ob der Auftritt, auch wenn er im Vergleich zum Honda noch brav wirkt, ein Hinweis auf die dynamischen Fähigkeiten ist, werden wir noch aufdröseln.

Die heißen Kompakten sind ja auch deshalb so heiß begehrt, weil sie nicht nur schnell, sondern auch praktisch sind. Der Blick auf diese Softskills ist also ebenso wichtig. Und die Papierform verrät schon, wer es mit der Alltagstauglichkeit ernster meint. Anhängerkupplung? Gibt’s – optional – nur beim Cupra. Zuladung? Cupra 522 kg, Honda 375 kg. Da muss man sich bei Letzterem schon zweimal überlegen, ob man die volle Kapazität der vier Sitzplätze ausnutzt oder ob die vierte Person zugunsten der Gepäckbeförderung nicht doch lieber den Zug nimmt. Der Leon steckt vier Leute plus Koffer locker weg und kann sogar fünf erwachsene Menschen von A nach B bringen, falls man nicht so lange in B bleiben will, dass man größeres Gepäck mitnehmen müsste. Der Kofferraum fällt beim Spanier zwar minimal kleiner aus als beim Japaner, ist jedoch besser nutzbar und hat neben Haken und Ösen – wie im Honda – zusätzlich eine 230-Volt-Steckdose sowie einen doppelten Ladeboden, der bei Bedarf sogar die Hutablage schluckt. Mit umgeklappten Rücksitzen – wodurch nur im Leon ein flacher Ladeboden entsteht – passt dann etwas mehr rein als in den Civic. Dem fehlt jedoch eine Durchreiche für die Fahrt in den Skiurlaub oder für den gelegentlichen Dachlatten-Transport.

Im Karosserie-Kapitel bietet der Nippon-Vertreter vor allem einen großen Pluspunkt: Praktisch alle relevanten Fahrzeugfunktionen sind nicht in Untermenüs versteckt, sondern über frei zugängliche Knöpfe und Tasten intuitiv bedienbar.Beispiel? Die Fahrmodi lassen sich im Spanier nur übers Infotainment, wenngleich zumindest über ein Schnellwahl-Icon erreichen. Der Civic bietet hier einen Kippschalter und für den direkten Weg zum schärfsten Modus (+R) sogar eine eigene Taste.

Honda Civic Type R: der "Kompakt-GT3"

In Sachen Sicherheitsausstattung liegen beide auf Augenhöhe, den kleinen Unterschied macht die im Honda fehlende Unfallvorbereitung vorn. Die Verkehrszeichenerkennung ist hüben wie drüben mangelhaft, weil nicht immer verlässlich. Deshalb taugt sie auch nicht als Notnagel, falls man mal ein Schild übersieht, sobald man sich auf gewundenen Straßen der zweckmäßigen Verwendung eines sportlichen Autos annähert. Tatsächlich machen nämlich beide querdynamisch richtig Spaß. Man muss schon den direkten Vergleich haben und mehrfach hin und her wechseln, ehe der persönliche Favorit endgültig feststeht.

Honda Civic Type R
Achim Hartmann

Der spanische Plattform-Bruder des Golf benötigt ein paar schnelle Biegungen, bis sich die ausdrücklich auf Performance ausgelegte Reifenmischung der Bridgestones aufgeheizt hat und ihr Grip-Potenzial entfaltet. Beim latenten Untersteuern und einer minimalen Einlenkverzögerung aus der Mittellage heraus bleibt es aber auch dann.

Im Honda packen nicht nur die 30 mm breiteren Vorderreifen, sondern auch die mechanische Torsen-Quersperre (Cupra: elektronisch geregelte Lamellenkupplung) immer und überall sofort zu (und die nochmals etwas agilere Lenkung packt den Fahrer, dazu später noch mehr). Wer diese genial ansprechende Vorderachse selbst erlebt hat, versteht, warum der Type R auch als "GT3 des kleinen Mannes" bezeichnet wird. Unterm Strich bleibt noch festzuhalten, dass weder im einen noch im anderen Auto Stress entsteht.

Cupra Leon VZ: Spanischer Alleskönner

Ja, der Civic ist lebhafter, aber speziell mit eingeschalteter Regelelektronik kann hier wie im Leon fast nichts verrutschen. Dennoch: Cupra liefert neben der bereits erwähnten Unfallvorbereitung auch Abbiege-, Kurven- sowie blendfreies Dauerfernlicht.

All das sucht man beim Kontrahenten vergebens. Durch die alltagstauglichere Reifenmischung und das bessere Bremsgefühl – im Cupra beißen die Stopper schon am Anfang des Pedalwegs übermotiviert zu – macht der Honda zwar wieder ein paar Punkte gut, doch auch in der Kategorie Sicherheit kann sich der Spanier letztlich durchsetzen. Dass auch der Fahrkomfort im VZ besser ist, wird auf schlechten Straßen schnell klar. Die Adaptivdämpfer bieten hier eine enorme Spreizung, können per Schieberegler noch nachgiebiger eingestellt werden als in der "Comfort"-Stellung. Auf der anderen Seite der Fahrwerkshärte-Skala hört’s erst da auf, wo es im Type R mit dem Komfort-Modus anfängt.

Cupra Leon VZ
Achim Hartmann

Die elektrisch einstellbaren und perfekt geschnittenen Integralsitze vergrößern den Vorsprung des Cupra auf den Honda, dessen rote Sportsessel nicht nur manuell verstellt werden, sondern auch ohne Lordosenstütze auskommen müssen. Zumindest die Fond-Passagiere hätten die Qual der Wahl: Im Cupra sind die Rücksitze weicher gepolstert, und die Kopffreiheit ist größer. Der Honda bietet mehr Beinauflage – trotzdem würde man angesichts der Fahrwerksauslegung für längere Reisen immer in den Leon einsteigen. Zumal, weiterer Pluspunkt, im Cupra auch hinten klimatisiert wird. Der Civic hat dort nicht mal Ausströmer. Die sinnvollere Infotainment-Bedienung des Honda – im Cupra vermisst man eine "Zurück"-Taste – und die niedrigeren Windgeräusche verkürzen zwar den Abstand, dennoch geht auch das Komfort-Kapitel an den Alleskönner aus Spanien.

Na, geht denn für den blauen Platzhirsch gar nichts? Vielleicht beim Antrieb? Bitte schön: Der K 20-Vierzylinderturbo, 329 PS und 420 Nm stark, ist ein echtes Urviech. Er faucht, er zischt, und sein Wastegate-Geräusch würde man sich am liebsten als Benachrichtigungston aufs Smartphone spielen. Dazu diese Leistungsentfaltung: Okay, untenrum ziemlich tot. Aber obenrum drückt’s dafür umso mehr im Rücken. Ja, hallo!

Der EA 888 gleicher Machart im Cupra produziert seine 300 PS und 400 Nm unaufgeregter, schiebt aus jeder Lebenslage, faucht auch ganz nett, aber durch das langhubigere Layout und den höheren Ladedruck fühlt sich das in den oberen Drehzahlregionen weniger emotional an. Der Motor ist zudem an ein Doppelkupplungsgetriebe geflanscht, das zwar ruck- und quasi zugkraftunterbrechungsfrei für Vortrieb sorgt, aber aus diesem für die Performance sicherlich förderlichen Grund nicht viel zum Fahrerlebnis beiträgt. Immerhin: Im "S+"-Modus hat der Fahrer jetzt mehr Rechte; er bleibt beim Kick-down von automatischem Runterschalten verschont und darf den Motor sogar bis in den Begrenzer drehen, wenn er will.

Mit Getriebemodi hat der Type R nichts am Hut. Je nach Einstellung gibt er zwar mal mehr und mal weniger vehement Zwischengas beim Runterschalten, den Rest hat man beim herkömmlichen Sechsgangschalter aber wortwörtlich selbst in der Hand. Und so präzise, sauber und satt, wie das hier alles rastet, ist er wohl der beste Botschafter für den Hashtag #savethemanuals.

Das Herz sagt also ganz klar Honda, doch die Punkte sprechen eine andere Sprache. Die breite Kraftentfaltung, die höhere Laufruhe und das gut funktionierende DSG, das mit sieben Gängen auch noch den Verbrauch drückt und so die Reichweite steigert, sind wieder objektive Argumente pro Cupra.

Vollkasko als Kostenkiller

Auch das Fahrverhalten bringt dem Leon nach den Testkriterien mehr Punkte. Der individuelle Fahrspaß ist jedoch im Civic größer. Schon aus der Mittellage heraus spricht seine Lenkung bestens an. Das geht zu Lasten des Geradeauslaufs auf der Autobahn und bringt in der Tabelle Abzüge. Speziell wenn dann unter Last noch die Sperre mit reinspielt und am Lenkrad zerrt, sollte man also genau wissen, was man tut. Das bockharte Fahrwerk mit seiner geringeren Spreizung und dem relativ schmalen Grenzbereich verstärkt diesen Effekt noch.

Bei den Umweltaspekten hat der Honda allein schon wegen seines höheren Verbrauchs und seiner CO2-intensiven Anlieferung aus Japan keine Chance. Dazu ist der Reifenverschleiß gravierender. Positiv hervorzuheben ist jedoch die höhere Recyclingquote im Civic.

Bleibt das Thema Kosten. Ja, Spaß kostet, auch in diesen beiden Fällen. In beiden? Tatsächlich: Der Cupra ist mit seinem Grundpreis fast schon bedenklich nah an den Rivalen herangerückt. Aber eben doch noch beinahe 4000 Euro darunter, bei von Haus aus üppigerer Serienausstattung. Sein zahmerer Charakter beschert ihm darüber hinaus eine deutlich günstigere Prämie bei den Versicherern.

Es müssen wohl doch schon einige Type R im Unterholz gelandet sein, anders lässt sich dessen ziemlich happige Vollkasko-Einstufung kaum erklären. Die bricht ihm bei den Festkosten das Genick. Weil er aber nun mal so emotional aufgeladen ist, fällt zumindest seine Werterhaltprognose besser aus.

Und genau das ist es, was hängen bleibt. Für circa 98 Prozent aller Anwendungsfälle würde man lieber den Cupra aus der Garage oder sonst woher holen, was so auch die Punkte widerspiegeln. Aber wenn es um die großen Gefühle geht, ist der Honda, sorry, geiler! Nicht, dass man mit dem Cupra keine Gaudi haben könnte, das kann man sogar mehr als je zuvor.

Das spaßigere Auto in diesem Vergleich kommt jedoch aus Japan. Ein Motor mit Charakter und spürbarer Leistungskurve, eine sensationell gute Vorderachse, ein traumhaftes Schaltgetriebe. Und irgendwie ja auch diese unkonventionelle Form mit der Pommestheke am Heck. Ein paar Kanten, optische wie charakterliche, sind dem FL5 gegenüber der FK8-Generation zwar weggeschliffen worden. Die Herzen der Sportfahrer erobert er aber weiterhin.

Technische Daten
Cupra Leon 2.0 TSI VZ EXTREMEHonda Civic Type R 2.0 VTEC-Turbo Type R
Grundpreis56.155 €58.900 €
Außenmaße4398 x 1799 x 1444 mm4594 x 1890 x 1401 mm
Kofferraumvolumen380 bis 1301 l410 bis 1212 l
Hubraum / Motor1984 cm³ / 4-Zylinder1996 cm³ / 4-Zylinder
Leistung221 kW / 300 PS bei 5300 U/min242 kW / 329 PS bei 6500 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h275 km/h
0-100 km/h5,6 s5,8 s
Verbrauch6,7 l/100 km8,1 l/100 km
Testverbrauch8,9 l/100 km9,5 l/100 km