Den Knalleffekt hebt sich der Cupra Leon ST bis ganz zum Schluss auf. Nein, nicht der Motor oder das Getriebe platzt, sondern die Beifahrerscheibe. Nachts, bei Autobahntempo, ohne Vorwarnung. Die Ursache? Ein Vogel, ein Steinschlag, gar ein Schuss? Sie bleibt bis heute ungeklärt. Nur technisches Versagen können wir an dieser Stelle ausschließen. So endet der Dauertest des Kombi – so viel sei zu Beginn verraten – so aufregend, wie es die zwei Jahre im Redaktionsalltag waren.
Dabei spulte DA-RE 6066 die ersten 30.000 km bis zum Inspektions-Boxenstopp noch unauffällig ab. Im Begleitbuch findet sich lediglich Ärger über das digitale Cockpit. Nicht etwa, weil es vollvariabel für jeden die richtige Anzeige bietet, sondern weil diese nach dem Deaktivieren des Spurhalters wieder in den vorab gewählten Modus gedrückt werden will. Zum Glück ein überschaubarer Aufwand, denn Cupra offeriert echte, beleuchtete Lenkradtasten und den Alternativweg über das Infotainment. Beim Slider für den Touchscreen samt Klimaregelung patschen die Kollegen dagegen im Dunkeln herum. Immerhin läuft das System im Cupra zum Ende des Dauertests stabiler als noch beim Kollegen Golf.
Nur kleinere E-Probleme
Kleinere Elektronik-Bugs sind dennoch an der Tagesordnung – da hilft selbst ein Over-the-Air-Update nicht. So landet die Navi-Anzeige im Cockpit-Display beim Booten ab und zu in einer Endlos-Ladeschleife, die oft nur ein Neustart beendet. Bei der an sich souverän agierenden Fahrassistenz steigt der Travel Assist leider immer wieder ohne ersichtlichen Grund aus – um nach dem Neustart wieder tadellos zu funktionieren. Dafür kann man sich auf die integrierte Navigation durchaus verlassen. Alternativ nutzten viele Redakteure Android Auto oder Apple CarPlay, da die Koppelung kabel- und anstandslos funktioniert, während jedoch das Smartphone in der induktiven Ladeschale schnell heiß wird.

Mitreißendes Handling und kräftiger Antrieb täuschen nicht darüber hinweg, dass die Zeit nicht spurlos an den Materialien vorübergeht.
Parallelen zum VW-Kombi lassen sich bei der Robustheit und Qualität im Innenraum ziehen: Auch hier gibt es nur wenig zu mäkeln. Okay, die Geräuschdämmung ist nicht so gut wie beim Golf, und der Lenkradkranz wirkt schnell speckig. Aber das ist auch kein Wunder, denn wenn der Cupra eines kann, sind es freudige Landstraßentrips. Kein leuchtendes Beispiel für die Materialqualität sind allerdings die Ausstiegsleuchten, die anfangs noch mit einem Cupra-Symbol den Boden erhellten, sich mit der Zeit und unzähligen Waschvorgängen jedoch langsam auflösten.
Blöd auch, dass die Öffnungssensoren an Fahrer- und Beifahrergriff zum Ende des Dauerlaufs gesponnen haben. Sie erkannten vor allem bei kühlen Temperaturen nicht mehr zuverlässig, ob die Hand am Griff war. Wir hatten zunächst die Schlüsselbatterie im Verdacht, doch ihr Austausch brachte kaum Besserung.
Schade, schließlich ist der Cupra Sportstourer als 2.0 TSI mit 47.325 Euro kein ganz billiger Testwagen. Dafür hat er fast alles Wichtige mit an Bord. Dazu zählen bequeme Integralsitze. Sie bieten zwar wenig Lordosenunterstützung, aber auch nach zwei Jahren immer noch guten Seitenhalt ohne zerknautschte Wangen. Einzig eine Rückfahrkamera wäre noch wünschenswert. Denn der Übersichtlichste – vor allem nach hinten – ist der Leon ST nicht, weil seine schräge Heckscheibe schnell verschmutzt. Immerhin: Der Wischer mit den integrierten Wischdüsen säubert sie zuverlässig. Leider ist der Scheibenreiniger oft Mangelware. Der Behälter ist mit drei Litern zwar ausreichend bemessen, aber Cupra hat sich einen Füllstandsmelder gespart.

Auch nach dem OTA-Update bleiben kleinere Elektronikprobleme. Der ST hat mehr als genug Platz für lange Reisen zu viert. Fürs Alltägliche ohnehin.
Schwamm drüber, denn das sind alles Kleinigkeiten. Dabei ist der ST ein ganz Großer: Im Fond reist es sich auch zu dritt noch ordentlich, und der Kofferraum verpackt einen ganzen Familienurlaub locker auf den tiefergelegten, weil höhenverstellbaren Ladeboden unter das Gepäckrollo. Letzteres gleitet nach 100.000 km nicht mehr ganz so reibungslos zurück, da sich die Führungsschienen stark abgenutzt haben.
Ablagen sind zahlreich vorhanden und ausreichend dimensioniert. Noch großartiger wäre das Beladen nur mit einer elektrisch öffnenden Klappe, einem Trennnetz und einem Dachgepäckträger – all diese Extras hatte der Testwagen jedoch nicht an Bord.

Der Cupra glänzt durch sein gut nutzbares Ladevolumen samt großem Unterbodenfach.
Sparsam geht Cupra hinten mit der Beleuchtung um: Die kleine Leuchte an der Seitenwand reicht kaum aus, um den Gepäckraum zu erhellen. Mehr Licht ins Dunkel bringen die adaptiven LED-Scheinwerfer, die jedoch oft den Gegenverkehr blenden, da die Abblendautomatik etwas träge reagiert.
Die wichtigsten Stationen zu 100.000 km
2.145 km:
Im Dezember 2022 tritt der Cupra Leon zum Dauertest an
29.439 km:
Inspektion mit Ölwechsel und Material 549,59 Euro
43.901 km:
Wischerblätter vorn und hinten erneuert 73,27 Euro; Motorabdeckung durch neue Ausführung ersetzt (Service-Aktion)
54.168 km:
Inspektion mit Ölwechsel, Zündkerzen, Pollenfilter und Material 876,34 Euro
58.558 km:
Geräusche an Vorderachse/ Lenkung beim Rangieren
69.281 km:
Bremsscheiben und -beläge vorn erneuert 1.299,74 Euro Faltenbälge an Federbeinen vorn nachgearbeitet
70.880 km:
Schlüsselbatterie erneuert (Eigenleistung)
83.203 km:
Inspektion mit Ölwechsel, Luftfilter und Material. Öl für Achsantrieb gewechselt und Bremsflüssigkeit erneuert 873,56 Euro; Wischerblätter vorn und hinten erneuert 75,35 Euro
102.190 km:
Nach genau 100.045 gefahrenen Kilometern beendet der Sportstourer den Dienst in der Redaktion
Kräftig und etwas durstig
Das kann man vom Antrieb nicht behaupten: Der Cupra Leon ST sieht nicht nur aus wie ein Sportkombi, er fährt auch so. Der durchzugsstarke 2.0 TSI aus dem VW Golf GTI erntet jedenfalls viel Lob. Allerdings gönnte sich der Turbobenziner im Testschnitt fast neun Liter Super pro 100 km.

„Der kraftvoll zubeißende Vierzylinder passt zum Sportkombi. Leider ist er nicht so sparsam“.
Was im ersten Moment so stattlich klingt, werten wir jedoch als okay. Denn während des Dauertests werden lange Distanzen mit so einem 245 PS starken Kombi oft auch mal flotter zurückgelegt. Zumal der Verbrauch kaum über zwölf Liter pro 100 km steigt und der Vierzylinder auch Sparpotenzial beweist: Kollegen, die ihn im Eco-Modus bewegten, drückten den Verbrauch unter die Sieben-Liter-Marke. Hier entkoppelt das Getriebe den Antriebsstrang im Schubbetrieb; der Leon rollt so phasenweise im Leerlauf. In Stop-and-go-Phasen schaltet sich der Motor schnell aus und wieder ein. Selbst in die Schaltstrategie des Siebengang-DKG einzugreifen, ist kaum notwendig, denn der Doppelkuppler wechselt die Gänge nur selten ruckelig, meist dagegen abhängig vom Modus einfach, komfortabel oder schnell.
Unnötig straffes Fahrwerk
Seine sportliche Ader lebt der Cupra vor allem auf der Landstraße aus. Viel Lob bekommen hier die direkte Lenkung und das agile Fahrverhalten. Doch dafür opfert Cupra den Federungskomfort: Trotz der Adaptivdämpfer wie im eng verwandten Golf Variant Alltrack federt der Leon ST deutlich straffer. Zudem wirkt das Fahrwerk bereits zur Halbzeit mitgenommen. Ein Grund sind zu lange Faltenbälge an den vorderen Federbeinen, die die Werkstatt beim Tausch der vorderen Bremsscheiben und -beläge nacharbeitete. Gullydeckel umfährt man aber wegen der optionalen 19-Zöller besser weiträumig, anstatt sie polternd zu überrumpeln. Klare Empfehlung deshalb: Lieber die serienmäßigen 18-Zöller nehmen!

„Die 19-Zöller in Verbindung mit der taffen Fahrwerksabstimmung sind etwas zu sportlich“.
Steine in den Weg gelegt bekam der Cupra bei einer Dienstfahrt in Italien, und zwar im wortwörtlichen Sinne. Beim Überfahren von Geröll auf der Fahrbahn ging ein Reifen kaputt. Zum Glück hat der Kombi ein Ersatznotrad an Bord. Aber zwei neue auftun, mitten in Italien? Das ist aufwendig, auch weil die Cupra-Assistenz nicht weiterhelfen konnte. Aus der Spur brachte den Dauertester vorher schon das Überfahren eines großen Schlaglochs. Passiert leider, doch die Korrektur der Lenkradstellung sowie der Spur an der Hinterachse erwies sich als aufwendig. Da beide Schäden ebenso wie der Scheibenplatzer jedoch fremdverursacht sind, finden sie in der abschließenden Mängelwertung keine Berücksichtigung.
Und so verabschiedet sich der Leon ST zwar nicht ganz fehlerfrei, jedoch ohne größere Ausfälle. Und damit leistet der Cupra tatsächlich Wiedergutmachung.
Nur die Optik hat etwas gelitten
Zum Abschluss des Dauertests inspiziert der Experte der GTÜ den Cupra, prüft, ob etwa außergewöhnlicher Verschleiß erkennbar ist, und bestimmt den Wiederbeschaffungswert.

Völlig von der Rolle? Im Gegenteil: Die Bremswerte passen.
In puncto Materialqualität kann der Cupra Leon ST nach zwei Jahren nicht ganz mit dem VW Golf Variant mithalten. GTÜ-Ingenieur Richard Stoll moniert Abnutzungsspuren innen sowie das speckige Lenkrad. Dagegen glänzt der Lack wie am ersten Tag. Doch auf der Bühne zeigt sich, dass die tief heruntergezogene Frontschürze genauso wie die kupferfarbenen Räder des Öfteren Bordsteinkontakt hatten. Optische Mängel, die sich mit Smart Repair beheben lassen. Gute Nachrichten auch aus der Grube: Motor und Getriebe sind trocken, und an den Fahrwerksteilen zeigt sich kaum Flugrost. Lediglich eine Spurstangenmanschette ist leicht rissig. Am Ende steht ein DAT-Schätzwert von 22.750 Euro – akzeptabel bei einem Testwagenpreis zum Start von 47.325 Euro. Der Wertverlust ist mit 52 Prozent höher als beim Golf Variant (47 Prozent).