Cadillac Lyriq im Test: Preiswert und reichweitenstark – doch es gibt auch Schwächen

Cadillac Lyriq im Test
Sanfte Power, viel Stil – aber auch Schwächen

Veröffentlicht am 03.08.2025

Die Erwartungen an den ersten E-SUV von Cadillac sind durchaus hochgesteckt. Schließlich schreiben sich die Amis seit Jahrzehnten Luxus auf das Wappen respektive in den Kühlergrill – auch wenn dieser beim elektrischen Lyriq nur Show ist.

Damit steigen wir gleich voll ein. Denn innen wirkt der Elektro-SUV nicht nur edel, sondern auch progressiv, ohne Marken-Neulinge durch ungewöhnliche Bedienlösungen zu verschrecken. Vielmehr mixt Cadillac die besten Ideen von etablierten Premiumherstellern zusammen. Das beginnt bei der Einstellung der elektrischen Sitze – ganz "Mercedes-like" mit Tasten in den Türtafeln inklusive Klima- und Massagefunktionen. In der Mittelkonsole dreht und drückt sich der Fahrer BMW-mäßig durchs Android-basierte Infotainment, das die Vertrautheit der Google-Navigation und das Verständigungsgeschick des Google Assistant mitbringt. Schade nur, dass Cadillac den Zugriff auf einige Fahrzeugfunktionen vereitelt. So müssen die Fenster ohne Sprachbefehl geöffnet werden.

Weiter geht’s im "Best-of" der Bedienideen mit einer Audi-liken haptischen Schalterleiste für die Drei-Zonen-Klimaanlage samt feinen digitalen Animationen. Auch die gebogenen Infotainment- und Instrumentenanzeigen lösen gestochen scharf auf. Für die Lautstärkeregelung findet sich in der Mittelkonsole die einst Volvo-typische Walze, für den Tempomaten gibt es kleine Wippen auf den Lenkradstegen. Einzelne Funktionen werden über drucksensitive Oberflächen auf dem unteren Lenkradsteg verwaltet oder am linken Rand des Digital-Cockpits ertoucht.

Feine Nummer

Da berührt man doch viel lieber die belederten Oberflächen, die chromierten Schalter und Regler und das offenporige Holz. Ablagen sind – wie es bei einem Amerikaner sein soll – großzügig und zahlreich vorhanden. Das eigene Smartphone thront aufrecht stehend in einer induktiven Ladeschale der frei schwebenden Mittelkonsole. Die Sitze sind SUV-typisch hoch platziert und angenehm straff gepolstert. Lediglich Seitenhalt vermisst der Pilot – aber hätte man den in einem Cadillac überhaupt ernsthaft erwartet?

An den Materialien selbst gibt’s also kaum etwas zu mäkeln – schon eher an der Art und Weise, wie sie an einzelnen Stellen zusammengesetzt werden. Zwar ist der Lyriq gut gedämmt und arbeitet mit Noise-Canceling, trotzdem stören Nebengeräusche, vor allem aus den Belüftungsschächten. Da ist dann auch die für einen Testwagen eher hohe Laufleistung von 20.000 km keine akzeptable Entschuldigung.

Besondere Funktionalitätstricks hat der Lyriq zwar nicht drauf, dafür gelingt das Beladen über eine schmale Ladekante gut. Wenn die Fondlehnen per Knopfdruck federvorgespannt umklappen, steigt die ebene Ladefläche leicht an. Im großen Kellerfach ist zwar Platz für Ladekabel, allerdings nicht für das Rollo.

Womit wir endlich losrollen. Das Fahrerlebnis unterscheidet sich im Lyriq kaum von anderen E-SUV der Fünf-Meter-Klasse – was durchaus als Kompliment zu verstehen ist. Auf der Langstrecke gefällt der Ami mit ausgewogenem Federungskomfort. Allerdings holpert der Lyriq als Sport-Modell mit seinen großen Rädern über Querfugen. Die Rekuperation kann der Fahrer im One-Pedal-Modus regeln; er kann den Antrieb auch frei segeln lassen oder eine Rekuperationswippe nutzen. Die reagiert jedoch nicht auf Klicks, sondern erhöht die Intensität der Verzögerung abhängig von der Stärke des Zugs. Ein überraschend intuitives Feature.

Fahrassistenztechnisch bietet der Lyriq ansonsten eher Hausmannskost: Den Durchblick bei Nacht zu behalten, gelingt trotz adaptiver LED-Scheinwerfer nur bedingt, und ein Head-up-Display gibt es erst gar nicht. Der adaptive Tempomat sowie der Spurhalter agieren zwar sicher, die Verkehrszeichenerkennung ist aber unzuverlässig und die "Super Cruise" genannte Level-2-Plus-Funktion bislang nur in den USA verfügbar. Apropos unbegrenzte Möglichkeiten: Dank des 102-kWh-Akkus (netto) kommt der Lyriq im Test 423 km weit, auf der E-Runde schafft er sogar 512 km. Allerdings gibt der Bordcomputer Verbräuche im ungewohnten Format "km pro kWh" an, und der Testwagen steht, recht lang an der Ladesäule. Zum Glück beherrscht das Navi dank Googles Planungsintelligenz flotte Routenführung inklusive Ladestoppplanung.

Sanfter Riese

Für Vortrieb sorgt im Lyriq jeweils ein Elektromotor an Front und Heck. Zusammen zeigt der digitale Bordcomputer beim Beschleunigen 388 kW – das entspricht 528 PS. Vorschlaghammerartig wirkt der Schub jedoch nicht – trotz 610 Nm Drehmoment und des 0–100-km/h-Sprintwerts von 5,5 Sekunden sowie 210 km/h Vmax. Der Lyriq setzt auf sanfte Leistungsentfaltung und Traktion. Leider bleibt der 2,7-Tonner auch beim Bremsen eher zögerlich: 38,6 Meter Weg mit warmer Anlage sind einfach zu viel.

Und wie steht’s um die Querdynamik? Nun, Kurvenambitionen scheitern an der sehr gefühllosen sowie indirekten Lenkung. Schon beim Einbiegen in einen Kreisverkehr muss der Fahrer umgreifen – von Anschlag zu Anschlag braucht er mehr als drei Lenkradumdrehungen. Wer zügig fährt, den zügelt früh das ESP, das auch bei den Fahrdynamik-Messungen spürbar eingreift. Mangels mitlenkender Hinterachse zieht der SUV zudem große Wendekreise von rund 12,5 Metern. Und besonders übersichtlich ist er auch nicht – trotz der 360-Grad-Kamera inklusive Perspektivwahl und hoher Auflösung.

Überschaubarer ist da die Preisgestaltung: Beim Grundpreis von 81.000 Euro ist schon fast alles an Bord. Hätten Sie das erwartet?

Technische Daten
Cadillac Lyriq Sport
Grundpreis81.000 €
Außenmaße5005 x 1977 x 1623 mm
Kofferraumvolumen793 bis 1722 l
Höchstgeschwindigkeit210 km/h
0-100 km/h5,5 s
Verbrauch0,0 kWh/100 km
Testverbrauch27,6 kWh/100 km