Ihre Meinung bezüglich des BMW M5 ist divers? Sie wissen noch nicht, ob Sie sich gedanklich in die anschmiegsamen Leistungswerte von 727 PS beziehungsweise 1.000 Nm kuscheln oder die sperrigen 2,4 Tonnen Leergewicht verdammen sollen? Ob Sie die Möglichkeit, im Allradler rein hinterradgetrieben herumzuturnen, albern oder unterhaltsam finden? Und dann wäre da ja noch die Hybridisierung des Antriebs.
An BMWs neuer Power-Limousine lässt es sich reiben. Die Reibfläche setzt sich unter anderem aus den Folgen der Elektrifizierung sowie des Größenwachstums zusammen: Um fast 500 Kilogramm übertrifft der aktuelle M5 den Vorgänger (Competition) auf der Waage. 267 Kilogramm davon resultieren aus den Plug-in-Komponenten. Sportfahrer empört das, Achselzucker verweisen dagegen auf den Lauf der Zeit – jener verlange eben mindestens die teilweise Ergrünung des Antriebs. Und damit gehe nun mal mehr Gewicht einher. "Is’ halt heute so!"

Obwohl den M5 keine aktive Wankstabilisierung unterstützt, bleibt er selbst im Drift sehr zentriert.
Über fünf Meter ist die Karosserie lang, fast zwei Meter breit, wobei der M5 zum Fünfer nochmals auftrainiert hat: Widebody-Radläufe decken die breitere Spur ab und benötigen zusätzlich Platz. Gut, dass es fürs Rangieren hilfreiche Kameras gibt. Schlecht aber, dass die Landstraßen nicht mitwachsen.
Positiv betrachtet hilft die Breitbau-Spurweite beim Abstützen gegen die Querkräfte. Und abzustützen gibt es beim M5 reichlich. Weshalb BMW beim Testwagen auf die optionalen Pirelli P Zero R setzt – Sportreifen mit so weichem Profil, dass sich der Fingernagel selbst bei Kälte hineinbohren lässt. Weiche Mischung, viel Drehmoment, hohes Gewicht – richtig vermutet: Auf Betriebstemperatur gebracht buttert der Sportfünfer die Pneus streichzart in den Asphalt.

Die Sportsitze haben den Fahrer jederzeit bei Slalom- und Querfahrten fest im Griff.
Fetzengaudi mal anders
Zwischen 20 und 35 Grad Reifentemperatur glühen die Profilblöcke für ihre Aufgabe und das Herumschlenzen um die Pylonen wird zur Fetzengaudi, wie man im Alpenraum sagt. Ergebnis: Beim Slalom ist der gewichtigere Neue etwas langsamer als sein Vorgänger M5 Competition, beimdoppelten Spurwechsel dagegen dank der breiteren Spur schneller. Dabei reibt er sich auf; nach den Fahrversuchen auf der Teststrecke hängen grobe Fetzen von den Reifen weg – Fetzengaudi mal anders.
Was noch stärker gegen die optionalen Pirelli P Zero R spricht als der hohe Verschleiß: Man bekommt sie im Alltag nur schwer ins Temperaturfenster ihrer Griffigkeit. Doch diesseits davon dräut ein latentes Gefühl der Unsicherheit. Sie addiert sich zum Zweifel, den die Lenkung umgibt: Einer ersten Anlenk-Euphorie folgt die Erkenntnis, dass die Unterstützung nicht durchgängig homogen arbeitet, dass man teilweise eine Art Losbrechmoment spürt. Speziell beim Umsetzen rund um die Mittellage fallen irritierende Sprünge im Handmoment auf. Das erschwert den sauberen Strich, die Königsdisziplin der fahraktiven Modelle. Wobei die Hinterachslenkung hier eine weitere Variable zuspielt. Und das lässt in Summe die Reaktion des Gesamtsystems auf den vorgegebenen Lenkwinkel indifferent erscheinen.
Zudem suchen feinsensorische Handflächen beim Annähern an die Grenzen des Möglichen vergeblich nach feinmotorischer Rückmeldung. Jene stellt erst die Radaufhängung durch – fast schon überschwänglich; das mit diversen Streben abgestützte Fahrwerk liefert genau jene Form der Erdverbundenheit, welche die Lenkung vermissen lässt, rapportiert zur anliegenden Haftung, prognostiziert Eventualitäten. Hilfreich angesichts der gelieferten Antriebsmacht.

Doppelquerlenker führen die Vorderräder, hinten arbeitet eine Fünflenkerachse. Die Batterie steckt im Fahrzeugboden.
Rund und blickgeführt
Bei günstigen Landstraßen-Parametern – breit, trocken und griffig – schnappt sich der BMW die Ideallinie, stützen sich die Reifen seitlich ab und es walzt der 2,4-Tonner satt herum. Spürt man dabei die zusätzlichen Pfunde? Antwort: Erst dann, wenn man bei ungünstigen Bedingungen die Vorderachse überfährt. Um das zu verhindern, muss man besonders weich einlenken, rund und blickgeführt; ganz so, wie es die Sportfahrer-Lehrgänge propagieren.
Daraufhin kann man früh ans Gas. Wie früh und wie stark, das bestimmt das angewählte Set-up: Zwei favorisierte Konfigurationen lassen sich auf die roten Lenkradtasten M1 und M2 speichern. Man könnte nun erst das ESP deaktivieren und dann 2WD abspeichern – damit wären beim Allradler die beiden vorderen Antriebswellen abgehängt und der M5 rein hinterradgetrieben. Wofür? Um auf der Rennstrecke popometerkitzelnde Fahrzustände wie auf den Fotos zu erzielen.
Das mechanische M-Differenzial kann die Hinterachse driftfreundlich bis zu 100 Prozent sperren. Auf diese Weise kommt garantiert alles an den angetriebenen Rädern an, was die Achtgangautomatik durchstellt. Alleine schon deshalb will die Urgewalt, die aus den 1000 Nm resultiert, wohldosiert in den Asphalt eingewirkt werden. Denn es gibt mehr zu verteilen als umzusetzen – praktisch immer, weshalb Powerslides bei nahezu jedem Kurvenradius möglich wären. Dreher natürlich auch.
Weniger heikel, aber auch weniger spektakulär driftet man im Allradmodus 4WD Sport. Dort zupft ein Teil der Kraft an der Vorderachse, was am Kurvenausgang beim Geradestellen hilft. Kombiniert man dagegen 4WD Sport mit MDM, dem Sport-ESP, so darf sich das Drehmoment immer noch als leichter Überschuss im Kurvenausgang zeigen – sogar jenseits der Rennstrecke. Und hier ist er dann, der Moment, in dem sich der M5 wie ein M anfühlt und nicht nur wie ein starker Fünfer.

Wer gerne Set-ups konfiguriert, kann sich im M5 austoben. Zugriff hat man auch auf die Verteilung des Drehmoments und auf die Ansprache des Bremspedals.
Wer nun die Parameter optimal sortiert, findet in den Kurven-Flow. Wer sich also Überschwang beim Hineinbremsen verkneift, damit Untersteuern vermeidet, den breiten M5 optimal im Scheitelpunkt platziert und den Sweetspot am Gaspedal erkitzelt, der kann tatsächlich minimal übersteuernd hinausbeschleunigen – falls der Kurvenausgang den nötigen Platz dafür bereithält.
Die groben Leistungsdaten verlangen nach feiner Dosierung. In vielerlei Hinsicht. Immerhin unterstützt das Fahrwerk nach Kräften, denn es bietet so viel Ansprechverhalten, Federweg und dank adaptiver Stoßdämpfer auch Nachgiebigkeit, dass die Räder wunderbar den Unebenheiten folgen und Traktion sicherstellen. Ohne die läuft bei 1000 Nm gar nichts. Nebeneffekt: ein mehr als brauchbarer Komfort auf der Autobahn, und die ist das eigentliche Revier des neuen M5.
Auf der Landstraße hingegen genießt man die direkten Reaktionen des Antriebs; sie sind großteils der Hybridisierung zu verdanken. Der 4,4-Liter-V8 wuchtet aus jeder Lage und in jedem Gang einfach los. Biturbo ohne Bedenkzeit, denn jene überbrückt die E-Maschine, die mithilfe einer Vorübersetzung bis zu 450 Nm am Getriebeeingang beisteuert. Und für diesen E-Boost hält der Akku immer einen Bodensatz an Elektronen vor, erforderlichenfalls lädt ihn der V8 über eine Verschiebung des Lastpunkts nach.
Angenehm, dass sich der M5 beim Losstieben die Abruptheit vieler reiner E-Boliden verkneift. Er schiebt zwar auch vom Fleck weg an, dennoch weich und geschmeidig, steigert sich, lässt einen Nackenschlag bei 4.000/min folgen, wenn die Turbolader alles geben und ihr Niveau bis 6.500/min halten. Dann verdampft ein Teil der 2,4 Tonnen scheinbar im Äther und die Power-Limousine schnalzt auf ein beliebiges Tempo.
Der V8 schmettert dazu ein kehliges Ansaug-Trommeln, ohne zu bollern – obwohl seine Bauform mit 90-Grad-Kurbelwelle diese Klangfärbung eigentlich mit sich bringt. Nicht aber im M5, weil die im V liegenden Twinscroll-Turbos speziell angesteuert sind: Beide wurden nicht jeweils nur einer einzigen Bank zugeordnet, sondern arbeiten übergreifend, was die normalerweise charakteristischen Unregelmäßigkeiten in den Auspuff-Pulsen teilweise bereinigt und den Sound beeinflusst. Er wirkt cleaner.

2,5 Liter Sprit plus 21,7 kWh Strom verbraucht der M5 auf 100 Kilometer im Test nach ams-Profil. Rein elektrisch sind es 28,4 kWh, hybridisch mit leerer Batterie 10,7 l/100 km.
Über die Brandung surfen
Man könnte nun mit dem Gasfuß zumindest die rennwagenähnlichen Frequenzen bis 7.200/min weiter hervorkitzeln. Das bringt aber im Schubgefühl wenig, denn Richtung Begrenzer sinkt die Leistungskurve schon wieder leicht. Besser den nächsten Gang reinschnippen und wieder über die Brandung surfen. Und noch mal, weil es so eindrucksvoll ist und so homogen und so organisch.
Eindrucksvoll ist auch das reine E-Fahren, das bis 140 km/h wunderbar funktioniert und von einem vielzylindrischen Verbrenner-Murmeln aus der HiFi-Anlage glaubhaft untermalt wird. Auf unserer Elektrorunde lieferte der 18,6 kWh große Akku (netto) Kraft für 74 Kilometer. Typischerweise würde man ihn über Nacht an der Wallbox wiederauffüllen (drei Stunden Ladezeit) und beim nächsten Start vorrangig wieder die Elektronen wegfahren, bevor sich der V8 selbständig zuschaltet. Dank der Ähnlichkeit im Geräusch fiele dies kaum auf – wenn es dabei nicht immer wieder leicht im Antriebsstrang ruckeln würde.
In der Komfortzone
Rein elektrisch betrieben beherrscht der Plug-in-M5 die Besorgungen des Alltags und das Pendeln so reibungsarm wie noch keiner seiner Vorgänger. Sturm-und-Drang-Phasen dagegen dürfte der Neue allenfalls auf der freien Autobahn ausleben. Nur dort ist Raum, um die Drehmomentwelle wirklich wirken zu lassen – etwa nach einer Baustelle.
Auf der Landstraße wird sich der M5 nur selten verlustieren, auf der Rennstrecke wohl nie. Denn mehr noch als seine Vorgänger ist er den Lustkurven entwachsen. Man könnte es auch so formulieren: Die Power-Limousine ist nun ganz in ihrer GT-Komfortzone angekommen.
BMW M5 M5 | |
Grundpreis | 144.600 € |
Außenmaße | 5096 x 1970 x 1510 mm |
Kofferraumvolumen | 466 l |
Hubraum / Motor | 4395 cm³ / 8-Zylinder |
Leistung | 430 kW / 585 PS bei 5600 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 250 km/h |
0-100 km/h | 3,6 s |
Verbrauch | 1,6 kWh/100 km |
Testverbrauch | 10,7 kWh/100 km |