BMW M3 Competition Touring im Supertest: Der nimmt sogar echte Trackttools hops

BMW M3 Competition Touring im Supertest
Der nimmt sogar echte Tracktools hops

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Veröffentlicht am 02.02.2025

Wenn Nachwuchs ins Haus steht, muss häufig der Sportwagen einem rationalen Pampersmobil weichen. Gut für Sportfahrer: "Rational" ist ein durchaus dehnbarer Begriff. Wie dehnbar, beweist seit Langem die M GmbH. Per se sind Sportler à la M3 und M4 schon wesentlich alltagstauglicher als reinrassige Sportwagen. Mit dem M3 Touring ist jetzt ein noch alltagstauglicherer Leckerbissen gelungen, der heiß begehrt ist, wie Maß und Hendl am Oktoberfest.

Mit muskulösen Kotflügelbacken, satt in den Radhäusern sitzenden Rädern und nicht zuletzt packenden Carbon-Schalensitzen (optional) ist bereits optisch Anarchie in der Kombi-Welt angesagt. Spätestens wenn sich der M3 Touring hoch motiviert in die Sabine-Schmitz-Kurve stürzt, vergisst du die Touring-Karosse und die bis zu 1.510 Liter Kofferraumvolumen.

Ganz neu ist die Idee eines M3-Kombi nicht, auch wenn der G81, wie der M3 Touring intern genannt wird, offiziell der erste seiner Art ist. Das E46 M3 Touring Concept kam 2000 nicht über das Prototyp-Stadium hinaus. In den 2000er-Jahren war die Zeit für M-Kombis scheinbar noch nicht reif, wie auch der Absatz von lediglich 1.025 Exemplaren des E61 M5 Touring zeigt.

Der agilste Power-Kombi

Heute boomen Power-Kombis. Bevor 2024 der neue M5 wieder als Touring kam, startete der M3 Touring durch. Für die M3 Limousine und den Touring wurde die Produktionskapazität im Werk München stark gesteigert. Zwischenzeitlich lag die Wartezeit auf einen M3 bei zwölf Monaten.

510 Biturbo-PS feiern jetzt die Nordschleife. Dritter, vierter, fünfter Gang – auch im G81 jubelt der bereits aus seinen Brüdern bekannte S58-Reihensechser. Die im M3 Touring serienmäßige Achtgangautomatik überspielt im Alltag gekonnt die leichte Drehmomentdelle bei niedrigen Drehzahlen. Besonders auf der Rennstrecke fasziniert der S58 mit Druck bis in ein für Turbotriebwerke recht hohes Drehzahlniveau von maximal 7.200/min.

Mit 221 km/h stürmt der M3 Touring über die Quiddelbacher Höhe, nimmt kurz die Streckenpassage Flugplatz mit 162 km/h Volley, bevor er mit 264 km/h gen Schwedenkreuz sprintet. Traktion, Fahrstabilität, Lenkpräzision – diese Gene hat der M3 Touring von seinen M3/M4-Brüdern vererbt bekommen. Trotz höherer Alltagstauglichkeit mit dem besten Fahrkomfort aller aktuellen M3/M4 ist die Fahrdynamik-DNA unverkennbar BMW M. Er kann Alltag herausragend, brilliert aber auch mit Querdynamik.

Bereits nach dem ersten Nordschleifen-Sektor ist klar: Der M3 Touring, den es ausschließlich mit Allradantrieb gibt, ist derzeit der perfekte Kombi, auch wenn er mit seinen 1.843 kg nicht der leichteste unter den Mittelklasse-Power-Kombis ist. Das Mehrgewicht zwischen einer vergleichbaren M3 Limo mit Allrad und dem Touring beziffert BMW M mit einem Wert von 85 kg.

Auch wenn uns bei sport auto hohe Fahrzeuggewichte immer wieder die Zornesröte ins Sportfahrergesicht treiben, muss man im Falle des M-Kombi anerkennen: Die Fahrdynamikentwickler haben beim M3 Touring das Mehrgewicht aus querdynamischer Sicht derart gut unter Kontrolle, dass es auf der Nordschleife im Grenzbereich im Vergleich zu den bereits im Supertest gemessenen und deutlich leichteren M4 Competition (1.702 kg) und M4 Competition M xDrive (1.755 kg) kaum auffällt.

BMW M3 Competition Touring
Hans-Dieter Seufert

Beeindruckende Fahrstabilität

Wer einen stumpf über die Vorderachse schiebenden Allradkombi erwartet, den verzaubert der M3 Touring schon am Kurveneingang mit präzisem Einlenkverhalten. Vom Einlenken gen Scheitelpunkt bis zum anschließenden Öffnen der Lenkung unter Last präsentiert der M3 Touring ein weitgehend neutrales Fahrverhalten. Wer es noch etwas stürmischer mag, der kann von der Fahrprogrammkonfiguration "DSC off 4WD" noch in den Modus "DSC off 4WD Sport" wechseln.

Mit dieser Allradeinstellung drückt der M3 Touring unter Last aufgeweckt sein Heck mit leichtem Leistungsübersteuern aus den Kurven. "4WD Sport" und besonders der 2WD-Modus (reiner Hinterradantrieb) sind eher Fahrspaßmodi. Die schnellste Rundenzeit gelingt mit der traktionsstärksten Allradabstimmung, und die bietet die 4WD-Einstellung.

Noch nie zuvor stürmte ein M-Kombi mit einem GPS-Speed von 252 km/h durch die Fuchsröhre. Auch dieser Wert dokumentiert die Fahrstabilität bei hohem Tempo, von der Kunden auf Autobahnen mit Berg-und-Tal-Layout profitieren ("Hashtag Kasseler Berge"). Der M4 Competition mit Hinterradantrieb (252 km/h), der M4 Competition M xDrive (253 km/h) und auch der Hardcore-Held M4 CSL (255 km/h) knöpften sich die Fuchsröhre mit ähnlichem Geschwindigkeitsniveau vor wie jetzt der M3 Touring.

Wie zu erwarten, verändert sich durch die neue Karosserieform nicht nur das Gewicht, sondern auch der Schwerpunkt. Anders als die Limo- und Coupé-Modelle der M3-/M4-Baureihe trägt der M3 Touring übrigens kein Carbondach, was bei der Schwerpunktverlagerung ebenfalls eine Rolle spielt. Das Touring-Dach konnte nicht aus Carbon gefertigt werden, da es mit seiner Größe nicht in den Autoklav passte.

"Die Dämpferkennlinien sind nicht softer als die der Limousine. Die Dämpfung wurde nicht explizit weicher ausgelegt. Die höhere Fahrzeugmasse wie auch der etwas höhere Schwerpunkt bedingen sogar eine etwas höhere Dämpfung. Applikativ wurde der Fokus beim M3 Touring leicht in Richtung Landstraßenkomfort und Fondkomfort verschoben, ohne dabei die klare Zielrichtung und das Fahrgefühl eines M3 wie auch die Rennstreckentauglichkeit zu vernachlässigen", erklärt Fahrdynamikentwickler Frank Weishar, der hauptverantwortlich für die Entwicklung der Fahrdynamik des M3 Touring war.

Im Vergleich zur M3 Limousine wanderte der Schwerpunkt beim Touring acht Zentimeter nach hinten und 21 Millimeter nach oben. Nicht nur in der Fuchsröhre, sondern in den meisten schnellen Nordschleifen-Kurven bietet der M3 Touring seinen M4-Brüdern trotzdem Paroli. Der Hauptgrund dafür? Die nahezu ausgeglichene Gewichtsverteilung des Power-Kombi.

BMW M3 Competition Touring
Hans-Dieter Seufert

Beste Balance aller M3/M4

Mit 50,7 zu 49,3 Prozent punktet der M3 Touring mit der besten Gewichtsverteilung aller bisher gemessenen M3- und M4-Modelle der Baureihe G80 und G82. Blick in unsere Datenbank: M4 Competition: 52,9 zu 47,1 Prozent, M4 Competition M xDrive 53,8 zu 46,2 Prozent, M4 CSL 54,6 zu 45,4 Prozent, M3 Competition 52,5 zu 47,5 Prozent, M3 CS 53,7 zu 46,3 Prozent.

Fahrwerkseitig wurden nicht nur die Hinterachsfedern und die Stoßdämpfer an der Vorder- und Hinterachse modifiziert, sondern die Fahrdynamikentwickler konnten sogar noch ein Fahrwerksbauteil aus dem G83 genannten M4 Cabrio nutzen. "Dabei handelt es sich um eine sogenannte V-Strebe, die die Anbindung der Hinterachse über eine Verbindung zum jeweils linken und rechten Schweller versteift. Diese Streben werden eingesetzt, um die fehlende Verbindung zwischen den beiden oberen Anbindungspunkten der Stoßdämpfer an der Hinterachse zu kompensieren. Somit bleibt beim M3 Touring die Durchlademöglichkeit gewährleistet, und es besteht keine Einschränkung im Gepäckraum. Die Variabilität und Flexibilität des Touring-Konzeptes bleibt damit vollumfänglich bestehen", erklärt Frank Weishar, der bei der M GmbH auch für die Reifenentwicklung zuständig ist.

Apropos Bereifung: Dem M3 Touring gelingt seine Querdynamik-Performance nicht ausschließlich dank seiner optionalen Sportbereifung vom Typ Michelin Pilot Sport Cup 2 mit BMW-typischer Stern-Kennung. Auch mit der Serienbereifung Michelin Pilot Sport 4S ist das Gripniveau bereits erstaunlich hoch.

Neben Federung und Dämpfung wurden außerdem die Lenkungs- und Allradabstimmung sowie die Applikation des geregelten Hinterachs-Sperrdifferenzials auf das Touring-Konzept angepasst. Wie bei allen M-Modellen üblich, ist auch hier der Dämpfermodus "Sport" speziell für den Nordschleifen-Einsatz abgestimmt worden. Nicht nur der Feder-Dämpfer-Einheit merkt man an, dass der M3 Touring zahlreiche Entwicklungskilometer auf der Nordschleife verbracht hat, sondern auch der Bremsanlage mit ihrer passend abgestimmten ABS-Regelung im Bremsprogramm "Sport".

Wer nicht zu viel auf der Bremse und am Kurveneingang attackiert, den belohnt der M3 Touring am Limit mit seinem neutralen Fahrverhalten. Vor allem in schnellen Wechselkurven oder in Nordschleifen-Passagen, an denen der Wagen auch mal über Kuppen oder Bodenwellen aus den Federn geht und spürbar entlastet, gibt die sehr gute Balance des M3 Touring ein hohes Maß an Vertrauen im Grenzbereich. Auch beim Überfahren von Curbs bleibt der Garchinger Kombi erstaunlich gelassen.

Nicht nur auf der Radlastwaage beeindruckt der M3 Touring mit der besten Balance aller M3-/M4-Modelle aus der G-Baureihe, sondern auch auf der Rennstrecke mit der besten Fahrbarkeit aller genannten M-Modelle. So einfach und entspannt ließ sich noch mit keiner M3-/M4-Version in den Grenzbereich vorstoßen.

Im Falle des Supertests auf der Nordschleife reichten zwei Aufwärmründchen, und anschließend stanzte der M3 Touring seine Rundenzeit von 7.34 Minuten in den Asphalt. Für das Niveau dieser Kombi-Rekordzeit von heute musste man früher echte Tracktools à la Porsche 997.2 GT3 RS auffahren (7.33 min in Supertest 5/2010). Respekt, BMW M!