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BMW M3 im Test
Alltagstaugliche Sport-Limousine

Ein fader Tag im Büro, ein BMW M3 in der Garage – warum also nicht den Feierabend mit einem Besuch der Nordschleife aufhellen? Kaum ein Auto eignet sich besser sowohl für eine schnelle Runde auf dem Nürburgring wie auch für eine angenehme Anreise als die 431 PS starke Limousine.

BMW M3, Frontansicht
Foto: Rossen Gargolov

Irgendwo auf der A 61 gen Norden, vermutlich zwischen den Anschlussstellen Rheinböllen und Boppard, ist Schluss. Westlich fläzt sich der Hunsrück sonnenbeschienen, östlich schlängelt sich der Rhein entlang, der Verkehr plätschert tempolimitiert dahin. Hier ist endgültig Schluss mit dem Redaktionswahnsinn. Der liegt geografisch 263 Kilometer weit zurück, gedanklich allerdings schon Lichtjahre. Es war ein zäher Tag mit langatmigen Konferenzen, in denen immer irgendjemand irgendetwas besser wusste – wo man doch selbst eigentlich alles am allerbesten weiß. Egal.

BMW M3 bietet komfortable Sitzposition

Nun gibt der doppelt aufgeladene Reihensechszylinder den Ton an, brummt friedlich bei Tacho 140 mit 2.500 Umdrehungen im siebten Gang vor sich hin, gurgelt dabei schlimmstenfalls 9,0 l/100km weg. Das Navigationssystem des BMW M3 weist den Weg zur Nordschleife. Ob ich den nicht alleine finde? Natürlich. Doch die Echtzeit-Verkehrsinformation sorgt für die Gewissheit, rechtzeitig anzukommen. Ab 17.30 Uhr öffnen sich die Schranken für die sogenannten Touristenfahrten, das wird eh schon knapp. Aber Stress? Nein, damit ist nun wirklich Schluss.

Selbst der BMW M3 wirkt entspannt, federt sogar die mäßig geflickte Autobahn gut weg und bietet eine komfortable, angemessen tiefe Sitzposition. Nur, warum fehlt ausgerechnet den Sportsitzen im Topmodell die ausziehbare Oberschenkelauflage, wie sie BMW üblicherweise liefert?

Ebenso merkwürdig: die Akustik des BMW-M3-Motors mit dem Closed-Deck-Block, also aufwendig mit nach oben geschlossenem Wasserkreislauf gegossen. Beim Ausdrehen liefert das Dreiliter-Aggregat zwar ein herrliches Klang-Inferno, irrlichtert dabei aber zwischen V8 und Reihensechser umher. Erst grollt er tief, brüllt dann heiser, aber noch immer tief und arg gedämpft, irgendwie künstlich. Der metallische Tourenwagen-Unterton kommt nur bei geöffneten Seitenscheiben zur Geltung. Wo bleibt die Zubehör-Abgasanlage des Moto-GP-Safety-Cars?

Doch die Scheiben des BMW M3 sind nun zu, der Direkteinspritzer brummt gleichmäßig dumpf vor sich hin, die beinahe unendlich umfangreiche Musikbibliothek des optionalen Online-Entertainments liefert den Soundtrack, der eines solchen Feierabends würdig ist.

Das Ziel naht, Autobahnabfahrt Wehr, eine schöne, weite Rechtskurve, die in die B 412 mündet. Noch 23,5 Kilometer. Bekommt die Limousine noch eine Wäsche spendiert für das Schaulaufen auf dem Parkplatz an der Nordschleifen-Zufahrt? Na klar. Eine gute Investition, denn der BMW M3 sorgt für Aufsehen – noch, schließlich findet sich bisher kaum einer in Kundenhand. Umringt von einigen E46-M3 und deren Fahrern, kommen sofort Fragen, natürlich zur Qualität des Turbomotors. Die Antwort? Sicher, ihm mag der ausgeprägte Motorsport-Charakter der Sauger abgehen. Aber Leistung und Drehvermögen? Reichlich vorhanden, plus ein dicker Batzen Drehmoment. Maximal 550 Newtonmeter können bei 1.850 Umdrehungen abgerufen werden, dennoch jubelt das mit 10,2:1 verdichtete Aggregat bis 7.600/min.

Kaum Unterschiede zum M4

Jedenfalls wütet die 1.625 Kilogramm schwere Limousine (33 kg mehr als das M4 Coupé bei identischer Gewichtsverteilung) in 4,2 Sekunden von null auf 100 km/h, in 13,2 Sekunden auf 200 km/h. Übrigens: Die fahrdynamischen Unterschiede zwischen BMW M3 und M4 halten sich in engen, sehr engen Grenzen. Noch Fragen? Ach ja: Das zuletzt gemessene M3 Coupé (E92) wog zwar 48 kg weniger, beschleunigte allerdings trotz weitaus niedrigerer Temperaturen drei Zehntel und 1,6 Sekunden langsamer. Eines änderte sich allerdings nicht: die gnadenlose Gewalt, mit der das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe die Gänge durchlädt.

Es geht aber auch anders, denn eben gerade noch, auf der A 61, huschte das Getriebe beinahe unmerklich durch die Übersetzungen. Nur beim Rangieren hapert’s noch mit der Dosierbarkeit. „Endlich mal vernünftige Bremsen“, ruft ein E46-Pilot, der bei seinem Coupé eine amtliche Sechskolben-Festsattel-Anlage nachgerüstet hat. Stimmt, doch die Carbon-Keramik-Scheiben kosten mal eben 7.300 Euro extra. Dagegen wirken die 100 Euro für vier Runden Nordschleife im BMW M3 wie ein Schnäppchen – gemessen an den Unterhaltskosten für die 20,832 Kilometer lange, einzig wahre Achterbahn in der Eifel sind sie das vermutlich auch.

Im Preis inbegriffen: Die alberne Ring Card. Wir werden sie für nichts anderes verwenden als für die Einfahrt zur Nordschleife – weder heute noch in Zukunft. Eine anständige Schnitzelsemmel an der Tankstelle Döttinger Höhe gibt’s jedenfalls noch gegen echtes Geld, bestes Super Plus sowieso, und viel mehr braucht’s ohnehin nicht. Wie auch immer, die Schranke öffnet sich. Ungeachtet der blendenden Bedingungen und des Tumults auf dem Parkplatz hält sich der Verkehr in Grenzen, bleibt also mehr Zeit, sich eingehend mit dem BMW M3 zu beschäftigen. Wie die Kollegen von sport auto in Heft 7/2014 herausfanden, donnert der M4 mit DKG in 7.52 Minuten um die Strecke – das ist heute absolut illusorisch, was nicht so sehr am Auto, auch nicht am Verkehr, sondern eher am Fahrer liegt.

Der lässt sicherheitshalber das ESP im sogenannten MDM-Modus arbeiten, der eine gute Portion Schlupf an den Hinterrädern (tritt übrigens auch bei forschen Gangwechseln auf) zulässt, aber das Fangnetz nicht ganz beiseitelegt. So stürzt sich der BMW M3 den Hatzenbachbogen hinab, kommt auf den teils herben Bodenwellen in Bewegung, setzt sich aber schnell, so schnell, dass der Grip erst gar nicht abreißt. Quiddelbacher Höhe, vor der Kuppe kurz die Bremse antippen, den Flugplatz mit einem konstanten Lenkwinkel bezwingen, die Vorderräder haften bestens, raus in Richtung Schwedenkreuz, beschleunigen bis auf Tempo zweihundertpaarunddreißig.

Noch immer ist die Bahn frei, vor der Arembergkurve kann die Bremse erstmals richtig zeigen, was sie draufhat. Sie staucht den BMW M3 ordentlich zusammen, hilft dem Fahrer mit einem klar definierten Druckpunkt. Einzig der etwas zu lange Pedalweg irritiert kurz, aber wirklich nur kurz, denn jetzt folgt die Fuchsröhre, mein aus unerklärlichen Gründen liebster Streckenabschnitt. Vielleicht weil er das beste Panorama bietet? Vielleicht weil sich hier ein grüner Schlund mit elf Prozent Gefälle auftut, an dessen Ende dich eine tierische Kompression wieder gen Horizont katapultiert? Vielleicht.

BMW M3 mit exakter Lenkung

Jedenfalls stürzt sich dort nun der BMW hinunter, formt den Zickzack des Streckenverlaufs zu einer Geraden, wird unten zusammengestaucht, feuert hoch zum Adenauer Forst, nimmt dabei den linken Curb vor der ersten Rechts volley, federt gelassen an, bleibt frei von Hektik. Metzgesfeld und Kallenhard sind bald Geschichte, die enge Passage im Wehrseifen schnell erzählt, denn obwohl BMW nun eine elektromechanische Lenkung nutzt, lässt sich der BMW M3 damit exakt dorthin positionieren, wo er hinsoll. Einzig die Haltekräfte im Sport-Plus-Modus wirken übertrieben hoch.

Sturzflug auf die Brücke Breidscheid, rechts liegt friedlich jener Hügel, der beim 24-Stunden-Rennen von Fans bevölkert im Schein der nächtlichen Lagerfeuer glüht. Hier ist mit einem Plastikbecher Bier in der Hand dann auch diesseits der Rennstrecke die Nordschleifen-Welt in Ordnung. Jetzt folgt der lange Anstieg bis zur Hohen Acht, beginnt mit der Ex-Mühle, das Heck drückt. Der BMW M3 liefert beste Traktion, das aktive Differenzial arbeitet, das ESP nicht – weil es nicht muss. Leicht schwänzelt die Limousine, das üppige Drehmoment meldet sich, will dosiert werden, denn es kommt früh, aber wenigstens halbwegs sanft.

BMW-Turbo bügelt 18-Prozent-Steigung locker weg

Überhaupt das Ansprechverhaltendes BMW M3: Hier zeigt die M GmbH schon die hohe Kunst des Turbomotorenbaus. Vollvariable Ventil- und Nockenwellenverstellung helfen überdies, die Gewalt des Antriebs je nach Anforderung präzise zu portionieren. Bergwerk, Kesselchen, Klostertal, Karussell und Hohe Acht – ach, wie herrlich, hier mit einem Fahrzeug unterwegs zu sein, dessen schiere Leistung die Steigung von bis zu 18 Prozent einfach wegbügelt.

Na, und die Mutkurve im Klostertal? Kurz angebremst natürlich. Habe nie behauptet, mutig zu sein. Stattdessen freue ich mich, einen ordentlichen Rhythmus für Hedwigshöhe, Wippermann und Eschbach gefunden zu haben, hoffe auf Beifall im Brünnchen, registriere, wie der BMW M3 in der Eiskurve kurz mit der Haftung ringt. Im Pflanzgarten endet dann die Euphorie, irgendwie passt hier gar nichts, außer dem Bremspunkt vor der Kuppe vielleicht. Doch der BMW verzeiht, fasst sich schnell wieder, lässt mich im Glauben, Nur korrekt, wenn sich der nachfolgende erweiterte Infinitiv auf den Fahrer bezieht. Soll dagegen ausgedrückt werden, dass der BMW die Kontrolle nicht aus der Hand zu geben. Bei der Anfahrt auf den Schwalbenschwanz nimmt das sonst praktisch nicht vorhandene Einlenkuntersteuern zu, mahnt dringend, gleich den Luftdruck anzupassen.

Einlenken zum Galgenkopf, ein Porsche will noch vorbei, soll er doch. Die hängende Rechtskurve pariert der BMW mit leichtem Wippen, sicher, schnell, souverän, fliegt dann auf die Döttinger Höhe hinaus. Jetzt ließe er sich bis 280 km/h auswringen, das „N“ von der Bilstein-Reklame an der Tiergarten-Brücke im Visier, dann der schnelle Linksknick, ab in Richtung Hocheichen. Bei den Touristenfahrten ist das allerdings nicht drin, schade. Hier muss jeder nach einer Runde raus, also darf der BMW M3 auf der Döttinger Höhe zwecks Kühlung auslaufen. Doch bis hin zur letzten, schnell gefahrenen Passage signalisiert der BMW: Da geht noch was, Leistung, Traktion und Präzision sind längst nicht ausgereizt. Mein Poloshirt sagt was anderes, denn die Klimaanlage ist natürlich abgeschaltet, weil ich mir einbilde, dass das so gehört. Gut, dass Hemd und Anzug im Büro geblieben sind.

Kurze Pause, Luftdruck absenken. Und dann doch wieder raus. Tatsächlich: Spätestens als der BMW M3 erneut vor der Arembergkurve den Anker wirft, stellt sich keine Frage mehr nach seiner Leistungsfähigkeit. Schluss? Schluss ist hier noch lange nicht.

Fazit

Alles, was den BMW M3 bislang auszeichnete, kann der Neue noch besser. Er fährt ungeheuer agil, auch auf der Rennstrecke, und bleibt dabei alltagstauglich. Einzig die Emotionen kommen nicht mehr so überzeugend rüber.

Technische Daten
BMW M3 M3
Grundpreis79.900 €
Außenmaße4671 x 1877 x 1424 mm
Kofferraumvolumen480 l
Hubraum / Motor2979 cm³ / 6-Zylinder
Leistung317 kW / 431 PS bei 5500 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h
0-100 km/h4,2 s
Verbrauch8,3 l/100 km
Testverbrauch11,1 l/100 km
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Erscheinungsdatum 03.07.2024

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