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BMW 116d und VW Golf 1.6 TDI im Test
Unikum gegen Universaltalent

In seiner zweiten Auflage gibt sich der hinterradgetriebene BMW 1er alltagstauglicher, ohne dafür Fahrspaß zu opfern. Reicht das, um mit dem 116 PS starken Basisdieselmotor am VW Golf vorbeizukurven?

BMW 116d, VW Golf 1.6 TDI
Foto: Hans-Dieter Seufert

Ginge es nach den Lesern von auto motor und sport, dann wäre der BMW 1er am VW Golf schon locker vorbeigezogen. Rüttelte der kompakte BMW im vergangenen Jahr noch vergleichsweise zart am Thron des Klassenpatriarchen, setzten ihn 2012 fast 25 Prozent der Teilnehmer der Leserwahl "Die besten Autos" auf Platz eins in der Kompaktklasse.

Der König ist tot, es lebe der König - BMW 1er, hinterradgetrieben, dynamisch, modern. Aber nicht zwingend unvernünftig, wie der Diesel-Einsteiger BMW 116d zeigt. In der Basis gibt ihn der Händler für weniger als 26.000 Euro raus, der vergleichbare Golf 1.6 TDI Comfortline rollt allerdings schon ab 23.865 Euro vom Hof. Und das auf Alurädern, mit Lederlenkrad, Komfortsitzen und Parkhilfe. Dinge, für die BMW 1er-Fahrer extra zahlen müssen, und die den Preis ratzfatz auf über 30.000 Euro hochdrücken.

BMW 1er als einziger Hecktriebler in der Kompaktklasse

Als Gegenwert bekommen sie immerhin ein Unikum in der Kompaktklasse. Wir sagen nur: Hinterradantrieb. Hat hier sonst keiner, nicht einmal mehr der nächste BMW 1er, der sich die Plattform mit dem Mini teilen wird. Also noch mal ran an den aktuellen 1er und genießen.

Etwa seine Lenkung. Nur eine ohne Antriebsaufgaben arbeitet auch tatsächlich autonom. Beim BMW dürfen sich die Vorderräder ganz aufs Lenken konzentrieren. Das spürt man, woran auch die elektromechanische Lenkung, beim Testwagen als aufpreispflichtige Sportversion mit unterschiedlicher Übersetzung, je nach Lenkwinkel, ihren Anteil hat. In Kurven nimmt sie Befehle willig entgegen, setzt sie eins zu eins um, ohne übertrieben gierig, nervös oder stößig zu wirken.

Damit fällt es leicht, den 1.430 Kilogramm schweren BMW 116d selbst in kniffligen Passagen auf Kurs zu bringen, zumal er auch die passende Servounterstützung bereithält. Weniger passend verhält sich die Sache bei Geradeausfahrt. Hier fehlt eine ausreichende Ruhezone um die Mittellage (Lenkungsgraben), was zusammen mit einer leichten Zähigkeit beim Ansprechen hin und wieder Korrekturen verlangt.

Zweite BMW 1er-Auflage bietet spürbar mehr Komfort

Das kann der VW Golf besser. Er läuft entspannt geradeaus, lenkt leichtgängig, gelassen und präzise ohne alle Auffälligkeiten, durcheilt Kurven jeder Art unaufgeregt. Selbst beim mutwilligen Auswringen des 1,6-Liter-TDI bleiben zerrige Antriebseinflüsse aus. Trotzdem: Eine solche Maxiportion Kurvenanimation und Lebendigkeit wie der BMW 1er bekommt der VW Golf nicht hin.

"Aber der Komfort", mahnen die Skeptiker und ziehen die Stirn kraus. Der Handling-Spaß kostet sicher massig Abrollkomfort und Dämpfer-Flausch, oder? Eben nicht. BMW hat beim Komfort der zweiten 1er-Auflage spürbar nachgelegt. Vorbei die manchmal etwas knuffige Abstimmung des Vorgängers, der Neue nimmt die Strecken, wie sie kommen. Egal, ob kurze Absätze oder lange Wellen - fast alles verebbt im aufwendigen Fahrwerk.

Fast - denn der BMW 1er dämpft immer noch eine Spur straffer als der Golf, bewegt sich etwas weniger, dafür trockener als sein geschmeidigerer Widersacher, der wie der BMW mit Multilenker-Hinterachse (Serie) sowie Adaptivdämpfern (Option) antritt. Insgesamt vermitteln beide Kompaktklässler einen Komfort, den man früher mindestens eine halbe Klasse höher suchen musste. Bei den Dieselmotoren sieht das schon anders aus. Sie bilden die Basis und fühlen sich auch so an. Natürlich schaffen BMW 116d und VW Golf 1.6 TDI selbst mit voller Beladung jede Steigung, sind auf der Autobahn gut dabei, doch wahrer Fahrspaß kommt dabei nicht auf. Dazu sind die 116 PS und 260 Newtonmeter beim BMW sowie 105 PS und 250 Nm beim VW einfach zu sehr mit dem Wagengewicht beschäftigt.

VW Golf 1.6 TDI mit sehr langer Übersetzung

Für ordentliche Messwerte reicht es trotzdem, wobei der Zweiliter des BMW 1er saftiger anschiebt als der um fast einen halben Liter hubraumschwächere TDI. Überdies beschneidet diesen sein Fünfganggetriebe mit langer Übersetzung und großen Schaltsprüngen. So ist man mit dem VW Golf speziell auf anspruchsvollen und/oder hügeligen Strecken des Öfteren einen Gang niedriger unterwegs, als einem eigentlich lieb ist.

Für die NEFZ-Verbrauchsmessung mag eine solche Stufung ja passend sein, in der Praxis ist sie Murks. Im letzten Gang fährt der BMW 1er überdies mit rund 500 Umdrehungen weniger durch die Gegend. Was ihm komfortseitig allerdings wenig Vorteile bringt, denn sein Zweiliter ist insgesamt etwas vorlauter und vibrationsfreudiger als der kultivierte TDI.

Im übrigen Umgang benehmen sich beide wohlerzogen. Der Einstieg läuft hier wie dort problemlos, allerdings genießt der BMW 1er-Pilot auf seinen Sportsitzen (580 Euro) die deutlich fahrerorientiertere Cockpit-Atmosphäre. Im VW Golf geht es auf weicheren Komfort-Polstern einen Tick geräumiger zu.

Innenraumanmutung und Verarbeitung überzeugen bei beiden

Wobei - schmerzfreies Reisen im Fond kann der BMW 1er inzwischen auch, inklusive ausreichendem Gepäckraum. Mehr als ausreichend bei beiden: Innenraumanmutung und Verarbeitung mit sauberen Passungen, hochwertigen Kunststoffen und akkuraten Dekors. Bei der Bedienung kann der BMW leicht davonziehen. Wer das Dreh-Drück-Stellen einmal raus hat, flitzt wie von selbst durch die Menüs. Der VW Golf mit seiner Kombination aus Berührungsbildschirm und Tasten erfordert in den Untermenüs manchmal etwas mehr Aufmerksamkeit.

Apropos Menü: Der BMW 1er besitzt serienmäßig einen so genannten Fahrerlebnisschalter, der Motor, Getriebe, Lenkung und Fahrwerk nach Wunsch konditioniert. Ein Öko-Modus ist dabei ebenso serienmäßig wie das Start-Stopp-System - beim VW Golf nur mit Blue Motion Technology zu haben. Doch trotz günstigeren Verbrauchs und positiveren Leservotums: Am Ende muss sich der neue BMW 1er wieder hinter dem ausgewogenen VW Golf einreihen.

Fazit

1. VW Golf 1.6 TDI Comfortline
507 von 1000 Punkte

Auch mit dem Einstiegsdiesel verliert der VW Golf nichts von seinem ausgewogenen Universaltalent. Er fährt kultiviert und sparsam, bietet allerdings weniger Spaßfaktor und Fahrerassistenz als der BMW 1er.

2. BMW 116 d Urban Line
484 von 1000 Punkte

Seinen Elan lässt sich der hinterradgetriebene BMW 1er auch vom Basis-Diesel nicht nehmen. Er verbindet geringen Verbrauch mit hohem Fahrspaß und guter Alltagstauglichkeit - allerdings zu stattlichem Preis.

Technische Daten
VW Golf 1.6 TDI ComfortlineBMW 116d
Grundpreis23.660 €26.100 €
Außenmaße4199 x 1779 x 1479 mm4324 x 1765 x 1440 mm
Kofferraumvolumen350 bis 1305 l360 bis 1200 l
Hubraum / Motor1598 cm³ / 4-Zylinder1995 cm³ / 4-Zylinder
Leistung77 kW / 105 PS bei 4400 U/min85 kW / 116 PS bei 4000 U/min
Höchstgeschwindigkeit189 km/h200 km/h
0-100 km/h10,5 s10,2 s
Verbrauch4,5 l/100 km4,1 l/100 km
Testverbrauch6,5 l/100 km6,2 l/100 km
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Erscheinungsdatum 03.07.2024

148 Seiten