Bentley Continental GT Speed First Edition im Test: Lautlos auf 140 – dann hämmert der V8

Bentley Continental GT Speed im Test
Lautlos auf 140 – dann hämmert der V8

Veröffentlicht am 07.07.2025

Einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig, und zupp! Ziemlich genau drei Sekunden verstreichen nach dem Druck auf den schwarzen Start-Knopf in der Mittelkonsole, bis das Touchscreen-Display leise surrend aus dem Dashboard herausrotiert. Drei Sekunden – wirklich nicht viel Zeit.

Und doch eine Ewigkeit. Der ganze Wagen stürmt doch mitsamt dem dreiseitigen Anzeige-Kubus in 3,2 Sekunden auf 100 km/h. Auf 200 in knapp elf, auf 300 in 29,4 Sekunden. Du fragst dich, wie abstrus das denn ist, und realisierst: Der Continental GT Speed hier ist unfassbar schnell. Besser noch: Er entfaltet seine Kraft mit famoser Lässigkeit, wirkt noch souveräner als der zwölfzylindrige Vorgänger. Maßgeblich involviert –und damit herzlich willkommen in der Welt der Hybridisierung – ist eine 190 kW und 450 Nm starke E-Maschine, integriert in ein Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe. Der Biturbo-V8 steht mit 600 PS und 800 Nm gleichfalls gut im Futter. Beide Motoren zusammen kommen auf 782 PS und 1.000 Nm Systemleistung – für Bentley bis dato der stärkste Antrieb.

Noch beeindruckender als diese Zahlen ist für uns die grandiose Motorcharakteristik. Der Bentley startet immer elektrisch, fährt leise surrend bis 140, der Verbrenner hält sich lange zurück. Springt er an, erkennst du es nur am Tourenzähler. Ist Schub gefordert, tönt er immer wärmer, mit bassigem Grummeln. Ab 4.500/min ändern sich Tonlage und Leistungsentfaltung. Der V8 brummelt nicht mehr, nein, er hämmert, dreht ungeniert ans Limit, geht noch druckvoller voran, das Doppelkupplungsgetriebe legt erst weit über 250 km/h den letzten Gang ein. Es agiert nicht nur schnell, sondern auch nahezu frei von Schaltrucken, ganz im Stil einer Wandlerautomatik. Großartig, zumal der luftgefederte und allradgelenkte GT auch bei hohen Geschwindigkeiten tief am Asphalt schnuppert und seine Linie extrem spurstabil hält.

Bentley Continental GT Speed, Motor
Hans-Dieter Seufert

Kaum einer kommt weiter

Speed kann er also, aber zählt er auch zu den glaubwürdigen Plug-in-Hybriden? Aber ja doch. Rein elektrisch sanft gefahren fordert der Bentley nur 22,6 kWh. Die Batterie im Heck fasst 25,9 kW – entsprechend fällt die E-Reichweite im Test mit 103 Kilometern großzügig aus. Und der V8 konsumiert mit 11,1 l/100 km angemessen wenig Benzin. All dies sind für einen derart starken Plug-in geradezu glanzvolle Werte. Dazu sei angemerkt, wenn auch als persönlicher Eindruck: Das Stromern harmoniert prächtig mit dem gediegenen Auftritt dieses dezent lackierten Briten, der überaus komfortabel federt. Ein Gefühl, das im technisch eng verwandten Antriebsspender Porsche Panamera Turbo S E-Hybrid eher selten aufkommen dürfte. Wie auch immer: Der EV-Mode lässt sich ganz einfach per Taste aktivieren. Zudem kann der Fahrer den Energiespeicher auf Stand halten oder auffüllen – zügig über den Verbrenner oder extern mit Strom aus dem Netz, den das Ladesystem mit 11 kW zieht. Gut möglich aber, dass viele Bentley-Boys lieber den aus Alu gefrästen Tankdeckel aufdrehen und 80 Liter reinfüllen, statt sich mit Ladekabeln abzugeben.

Bentley Continental GT Speed
Hans-Dieter Seufert

Aber zurück ans Lenkrad, runter von der schnellen Bahn, hinein ins Land. Einige Power-Coupés würden ihren Motor jetzt gern mit Eiswürfeln kühlen. Der Bentley knipst seinen Verbrenner aus und fährt elektrisch. Ganz leise, als wäre nichts gewesen. Die rundum laufende Akustikverglasung senkt das Geräuschlevel weiter ab. Zu ruhig? Kein Problem. Im Testwagen macht das Naim-Soundsystem mit 18 Lautsprechern inklusive aktiver Basswandler in den Vordersitzen gern fetzigen Alarm, oder es zelebriert klassische Musik in den höchsten Tönen.

Ansonsten kommt die von uns getestete Speed-Version im Vergleich zu anderen Autos aus Crewe ziemlich kühl daher. Also kein offenporiges Holzfurnier vom nordamerikanischen Schwarznussbaum (Juglans nigra) und kein knallrotes Leder, sondern Alu-Blenden in 3D-Rautenoptik und graue Lederbezüge mit beigen Einsätzen. Die Materialqualität und die gewissenhafte Verarbeitung sind wie gewohnt vorzüglich, gut zu sehen an den Alcantara-Elementen in Türen und Konsolen oder handschmeichlerisch eingebracht in den Wählhebel. Die Lüftungsdüsen mit ihren metallischen Klappen oder der rotierende Kubus mit seinen drei analogen Instrumenten zählen ohnehin zu den feineren Lösungen im Automobilbau. Und über den Komfort der belüfteten, beheizten und massagefreudigen Sessel brauchen wir ebenfalls nicht zu reden.

Bentley Continental GT Speed, Cockpit
Hans-Dieter Seufert

Ein paar Schwächen fallen dennoch auf. Beispielsweise das nüchterne Infotainment-Design. Icons, Schrif ten, Menüführung – alles gehalten im Audi-Look alter Schule ohne speziellen Bentley-Glamour. Geht das nicht schöner? Auch keine Glanzleistung: Unter der Armauflage, die sich nur ungern verschieben lässt, findet sich eine schlanke induktive Ladefläche. Ist die Auflage wieder zu, bedeckt sie das Handy fast plan, sodass das Gerät schon mal schwitzen kann.

Wohin des Weges?

Ideale Lösungen sind jedoch der Dreh-Drück-Steller für die Fahrmodi und der Drehregler unter dem Screen für das Zoomen der großflächig gezeigten Karten. Doch sobald es um große Touren geht, die eigentliche Profession eines GT, verliert der Bentley an Sinn. Bei allem Verständnis für den hybriden Antrieb und den Akkublock im Heck – der Kofferraum fällt mit 260 Litern Volumen schon sehr dürftig aus. Die Ladekabeltasche liegt somit schneller in der Garage, als der Weekender gefüllt ist. Der Vorgänger erlaubte mit rund 360 Litern mindestens eine Tasche mehr.

Bentley Continental GT Speed, Kofferraum
Hans-Dieter Seufert

Großes Gepäck in den Fond zu verräumen, wäre die logische Konsequenz. Das aber wäre bedauerlich, denn auch dort – wenn er einmal geentert ist – reisen Passagiere bis 1,80 Meter bequem auf einer angenehm ausgeformten Sitzanlage. Für den Nachwuchs wäre ohnehin Platz. Selbst USB-C-Buchsen und einen 12-Volt-Anschluss, versteckt in einem Fach unter der Mittelkonsole, hält das Coupé hier parat.

Na ja, vielleicht fährt ja der Rest der Familie in einem zweiten Continental hinterher? Es muss ja nicht gleich die luxuriöse First Edition sein. Nur so als Idee.

Der Reiz des Reisens ist dennoch enorm. Nicht nur auf der Geraden gemütlich ans Ziel. Auch über Land als Stromer, stressfrei im hybriden Betrieb, möglichst im Allround-Fahrmodus namens Bentley. Hier zeigt die erstmals eingesetzte Zweikammer-Luftfederung im Verbund mit neuen adaptiven Zweiventildämpfern, wie gelassen dieser schwere PHEV auf Straßenschäden reagieren kann. Die bekannte Wankstabilisierung beruhigt die Karosserie zusätzlich, während die mitlenkenden Hinterräder für eine ordentliche Zusatzportion Agilität sorgen.

Bentley Continental GT Speed
Hans-Dieter Seufert

Die unaufgeregte Lenkung selbst spricht feinfühlig an und punktet mit verlässlicher Rückmeldung. Präzise durch lange, schmale Kurven zu eilen, ist ein Vergnügen und kein Drama, trotz des wuchtigen Aufbaus. Wer zu schnell in eine von ihnen reinsticht, erlebt einen 2+2-Tourer, der gemäßigt untersteuert und die Durchfahrt mit variabler Momentenverteilung und Bremseingriffen sorgsam absichert. Zudem steigert ein elektronisch gesteuertes Hinterachsdifferenzial die Traktion.

Da kommt Freude auf

Im Sport-Modus, laut Bordbuch empfohlen für einen ambitionierten Fahrstil, gibt sich der Continental verbindlicher, kopiert kleine Wellen. Und der Biturbo-V8 ist immer on hold, füllt beständig den Akku. Entsprechend brachial springt der Zweitürer voran, und das toleranter eingestellte ESP erlaubt auch mal einen Drift. Die Systeme komplett stilllegen? Möglich mit einem längeren Tastendruck, trotz Sperre und mächtigen Walzen an der Hinterachse aber nur Könnern empfohlen. Zur Erinnerung: Im Sport-Betrieb ist der Vierliter scharf gestellt, 1.000 Nm Drehmoment sind nach einem Wimpernschlag sofort zur Stelle.

Bentley Continental GT Speed
Hans-Dieter Seufert

Geruhsames Cruisen oder Sturm und Drang auf der Autobahn – der Speed beherrscht also beides. Gefühlvolles Verzögern zählt hingegen nicht zu seinen Stärken. Die Bremse reagiert auf sanften Pedaldruck zögerlich, und das Brake-Blending gen Stillstand klappt alles andere als geschmeidig. So richtig eins mit der Anlage fühlt sich nur, wer beherzter beschleunigt und kräftig aufs Pedal drückt. Nicht eben der Fahrstil für alle Tage und schon gar nicht die geeignete Gangart in der City.

Auch die Bremswege überzeugen mit 36,4 und 35,2 Metern nach zehn Vollbremsungen (kalt/warm) nicht, obwohl der Testwagen Carbon-Siliziumkarbid-Scheiben besitzt. Die vorderen haben 440 Millimeter Durchmesser und werden von Zehnkolben Festsätteln angepackt, das ganze Paket kostet 14.115 Euro extra. Die adaptive Rekuperation ist dagegen Serie und klappt gut. Unser Tipp für die City: Im EV-Mode fahren, die Schubkraft der E-Maschine auskosten und den Bentley-Style genießen.

That’s all. Ein Druck noch auf den gern benutzten Button in der Mittelkonsole. Wieder einmal rotiert der Kubus. Drei, zwei, eins. Schluss.

Technische Daten
Bentley Continental GT Speed
Grundpreis246.387 €
Außenmaße4895 x 1966 x 1397 mm
Kofferraumvolumen260 l
Hubraum / Motor3966 cm³ / 8-Zylinder
Leistung441 kW / 600 PS bei 6000 U/min
Höchstgeschwindigkeit335 km/h
0-100 km/h3,2 s
Testverbrauch11,1 l/100 km