Die Qualität hat ja so ihre eigenen Gesetze. Sie sei, so postulierte Robert M. Pirsig in seinem Kultbuch "Zen und die Kunst, ein Motorrad zu warten" nicht eine Sache, sondern ein Ereignis.
Klingt fast so, als wäre der Philosoph und Motorrad-Liebhaber nicht seine Honda CB77 Superhawk gefahren, die er in dem Buch beschreibt, sondern einen Q8 . Zu dem Schluss könnte man jedenfalls kommen, wenn man unseren drachengoldenen Audi nach knapp über 100.000 strapaziösen Kilometern im Redaktionsdienst unter die Lupe nimmt. Denn die sicht- und fühlbare Qualität, die der Q8 50 TDI während der gesamten Dauertestdistanz an den Tag legte, ist selbst unter kostspieligen Premium-Automobilen nicht alltäglich.
Doch von Anfang an: Genau 4.135 km zeigt der Kilometerzähler an, als der Audi kurz vor Weihnachten 2022 zum Dienst antritt. Mit all seinen Sonderausstattungen stellt er einen Gegenwert von 114.825 Euro dar, womit er zu den teureren Kandidaten im Dauertest-Fuhrpark zählt. Zu den Ausstattungsfeatures unseres Q8 gehören unter anderem die Luftfederung Sport (1.250 Euro), die Individual-Kontursitze (2.300 Euro) samt Sitzheizung vorn und hinten sowie Massagefunktion plus Belüftung vorn (noch mal 850 Euro), das Assistenzpaket Plus (3.910 Euro) oder das Head-up-Display für 1.390 Euro.

Schnellfahrer aus der Redaktion fanden nette Worte zur Handlichkeit und Agilität des 2,3-Tonnen-Geräts.
Lauter Beigaben also, die den Umgang mit dem großen Audi erleichtern und sehr viel angenehmer gestalten. Der dickste Posten in der langen Liste: die 22-Zoll-Sporträder für 4.250 Euro. Ebenfalls teuer und verzichtbar: das S-line-Exterieur-Paket für 1.950 Euro extra. Der Grundpreis bei Testbeginn betrug 81.400 Euro.
Die wichtigsten Stationen zu 100.000 km
4.135 km:
Der drachengoldene Audi Q8 50 TDI tritt zum Dauertest an
23.394 km:
Ölwechsel-Service 473,39 Euro
30.003 km:
Inspektion ohne Ölwechsel 441,49 Euro
54.462 km:
Ölwechsel-Service 471,91 Euro; Bremsbeläge vorn/hinten erneuert 1.434,37 Euro; Wischerblätter vorn/hinten ersetzt 86,28 Euro
60.537 km:
Inspektion ohne Ölwechsel, mit Pollenfilter, Kraftstofffilter und Material 663,54 Euro
67.220 km:
Schlüsselbatterie erneuert (Eigenleistung)
78.441 km:
Ölwechsel-Service und Bremsflüssigkeit gewechselt 561,87 Euro
91.013 km:
Inspektion ohne Ölwechsel, mit Luftfilter, Kraftstofffilter und Material 666,40 Euro
104.200 km:
Nach genau 100.065 gefahrenen Kilometern beendet der Q8 den Dienst in der Redaktion
Ein Happen Wertverlust
Heute wäre ein Q8 50 TDI Quattro genau 10.000 Euro teurer – die Preisliste beginnt bei 91.400 Euro. Mit allen Sonderausstattungen stünden 122.370 Euro auf der Rechnung, was den auf den ersten Blick happigen Wertverlust etwas weniger happig erscheinen lässt. Die GTÜ schätzte unseren Q8 nach etwas mehr als 100.000 Kilometern auf 65.000 Euro, womit der Testwagen rund 50.000 Euro an Wert verloren hat.
Demnach wäre unser Q8 vermutlich kein so schlechter Kauf. Zumal die vielen fordernden Kilometer im Redaktionseinsatz fast spurlos an dem großen Wagen abperlten. Der auffällige Lack glänzt nach geschätzten 50 Maschinenwäschen noch wie zu Beginn des Dauertests, selbst die großen Räder weisen kaum Bordsteinspuren auf.

Am Interieur des Q8 hinterließ der anstrengende Dauertest kaum sichtbare Spuren – ein Beleg für die hochwertige Verarbeitung.
Sogar mit den Reifen ging der Audi trotz seines Leergewichts (2.314 kg) und der guten Fahrleistungen recht pfleglich um. Je zwei Sätze Sommer- und Winterreifen kamen zum Einsatz, wobei das zweite Set Continental SportContact 6 im Format 285/40 R 22 beim letzten Wechsel auf Winter-Pneus noch etwa 70 Prozent Restprofil aufwies. In der Wintersaison lief der Audi auf 21 Zoll großen WinterContact TS850P, deren zweiter Satz bei Dauertest-Ende mit 85 Prozent Profiltiefe fast neuwertig schien. Ein Satz Continental-Pneus (Erstausrüstung des Testwagens) ist mit rund 1.600 Euro anzusetzen, mithin ein nicht unerheblicher Kostenfaktor.
Das gilt noch mehr für den Treibstoffkonsum. 9,6 Liter Diesel je 100 km verstoffwechselte der V6-TDI im Dauertest-Mittel. Womit der Durchschnittsverbrauch genau einen Liter über der WLTP-Angabe von 8,6 Litern pro 100 km lag. Dabei gilt es freilich zu beachten, dass der Audi besonders häufig für eilige Dienstfahrten mit entsprechend hohen Autobahnschnitten ausgefasst wurde. Oder wie es Test-Ressortleiter Jens Dralle so treffend ausdrückte: "Mal g’schwind in dreieinhalb Tagen dreieinhalbtausend Kilometer abreißen? Dabei Gebiete mit bruchstückhafter Ladesäulen-Infrastruktur durchstreifen? Bei derartigen Reiseaufträgen schiebt sich gern der Audi Q8 ins Bild."
Und zwar völlig zu Recht. Denn mit seinem 85 Liter großen Tank bietet der Luxus-SUV selbst bei schneller Fahrweise beinahe 1.000 km Reichweite, bevor er wieder an den Diesel-Zapfhahn muss. Das begeisterte den Testkollegen Sebastian Renz, der den Q8 von unserer alljährlichen Dauertest-Ausfahrt aus Italien heimchauffierte: "Sehr schön, gerade im Vergleich zu unseren Elektro-Dauertestwagen, ist die immense Reichweite. Gardasee–Esslingen, das geht in einem Rutsch", notierte Seb auf der Begleitkarte.

„Selbst im Anhängerbetrieb arbeitet das Fahrwerk sehr souverän – ein prächtiger Reisewagen!“
Maximalwerte über 12 Liter wurden allenfalls im Anhängerbetrieb erreicht, etwa wenn der Q8 den Kollegen der Zeitschrift Caravaning als Zugwagen für gewichtige Wohnanhänger aushalf. Da schreckt der Audi übrigens vor kaum einer Last zurück; mit der adaptiven Luftfederung ausgerüstet, darf er 3.500 kg an den Haken nehmen. Zu den 9,576 Litern Diesel, die der Q8 während des Dauertests zu sich nahm, genehmigte er sich ergänzend 104,6 Liter AdBlue. Die kosteten 174,68 Euro, womit sie nur etwas mehr als ein Prozent der Treibstoffrechnung ausmachten (16.471 Euro).
Was ebenfalls auffiel: Ganz ohne Öl-Nachkippen zwischen den Wechselintervallen kam der Sechszylinder-Diesel nicht über die Runden. 4,7 Liter Schmierstoff erhielt der Motor über die Distanz nachgefüllt. Was deshalb Erwähnung findet, weil bei vielen Dauertestern mittlerweile gar kein Öl-Auffüllen zwischen den Wartungsterminen erforderlich ist. Ansonsten bekam die Antriebseinheit viel Lob für den kultivierten Lauf und die entspannte Ruhe, die sie an die Besatzung weiterreicht.
Doch gab es auch Kritik: Eine situationsabhängig deutlich spürbare Antrittsschwäche blieb dem V6 erhalten. "Der orgelt bei jedem Gasgeben erst mal sekundenlang im Wandler herum", monierte etwa Test- kollege Marcus Peters bei rund 90.000 km. Mit anderen Worten: Ein Dreiliter-V6 mit 286 PS und 600 Nm darf auch etwas souveräner auftreten.
Von Störungen oder gar Defekten blieb unser Q8 verschont, auch Elektronikausfälle, wie sie bei einigen Autos unserer Leser auftraten, waren nicht zu verzeichnen. So blieb es bei Kleinkram, der entweder in Eigenregie (Wechsel der Schlüsselbatterie) oder stillschweigend von der Werkstatt (Verkleidung am Fahrersitz) erledigt wurde.
Ein handliches Trumm
Dass der Audi dennoch vergleichsweise hohe Wartungs- und Reparaturkosten aufweist, liegt auch an den aufgerufenen Werkstattpreisen. Den dicksten Batzen bildet dabei der Austausch der Bremsbeläge vorn und hinten, der etwa zur Mitte der Dauertest-Distanz erforderlich wurde: 1.434 Euro standen auf der Rechnung.

Der Q8 50 TDI mit Allradantrieb sprintet von Tempo 0 auf 100 in 6,4s.
Dass es etwas teurer würde, ein Automobil dieser Größe und Qualität zu bewegen, scheint kaum überraschend. Es passt zudem bei unserem Audi, weil der Gegenwert stimmt. Denn zu all den guten Eigenschaften, von denen bereits die Rede war, wurde der Q8 mit Lob überhäuft und mit vergleichsweise wenig Kritik konfrontiert. So hob man die Reisequalitäten hervor, ebenso den Komfort der Luftfederung und die Bequemlichkeit der hochwertigen Sitze. Und selbst einige notorische Schnellfahrer aus der Redaktion fanden nette Worte zu Handlichkeit und Agilität des 2,3-Tonnen-Geräts.
Weshalb wir mit einem weiteren passenden Zitat aus Robert M. Pirsigs lesenswertem Buch schließen: "Der Maßstab für eine Maschine ist die Zufriedenheit, die sie dir bringt. Wenn die Maschine Gelassenheit erzeugt, ist sie richtig."
Auf der Bühne so gut wie auf der Straße?
So grundsolide er auch ist, muss der Q8 dennoch zum finalen Check auf die Hebebühne. Und siehe da, selbst Autos für weit über 100.000 Euro sind anfällig für Flugrost.

Beim Blick unter die Motorhaube ist alles top und der Lack strahlt wie am ersten Tag. Der Marder hielt sich übrigens vom Motor fern.
Einen Dauerlauf so fix und zuverlässig zu überstehen, das schafften zuletzt nur SUV aus Japan. Nun also rollt der blitzsaubere Audi auf die blitzeblanke Bühne bei GTÜ-Ingenieur Struck in Pforzheim. Auch der lobt schnell den erstklassigen Zustand. Dass der Q8 technisch top dasteht, verwundert da schon weniger, selbst der Fehlerspeicher meldet nur harmlose Ausfälle. Erst ein gründlicher Check der Hinterachse trübt den guten Eindruck. Im Gegensatz zur Vorderachse macht sich hier Flugrost (auf den Schweißnähten) an den Traggelenken schon so breit, dass man gerne zum Rostumwandler greifen möchte. Aber darum muss sich bald der nächste Besitzer kümmern. Rund 65.000 Euro, schätzt die GTÜ, könnte Audi noch aufrufen. Der Wertverlust hält sich also in Grenzen. Kein Wunder bei einem so zuverlässigen Reisewagen.