Wie jetzt – schon wieder ein A6 im Test? Aber ja doch. Audi drückt sich (doch) nicht und baut zwei Varianten. Einen reinen PPE-Stromer – den e-tron – und einen A6 auf Basis der Verbrenner-Plattform PPC, entweder als Diesel, als Plug-in oder als Mildhybrid wie auf diesen Seiten. Dennoch ähneln sich der PPE und der PPC. In Design und Interieur, aber auch viel tiefgründiger: Zentralrechner, Steuergeräte, Elektronikarchitektur, Software. Nur so rechnet sich die Konstellation.
Aktuell ist es gewiss eine gute Entscheidung, hier weiterhin ein Verbrennermodell anzubieten. So wie bei BMW und Mercedes, die ja für die Freunde großer Premium-Kombis auch mehrere Antriebe bereithalten. Audi setzt zum A6-Einstand auf Hubraum und schickt das MHEV-Topmodell samt Quattro-Antrieb zum Test. Sein Dreiliter-V6 ist wohlbekannt, schon seit zehn Jahren im Einsatz. Frisch gestärkt mit neuem variablem Turbolader, Miller-Verbrennung und optimiertem Einspritzsystem bringt er es auf 367 PS und stolze 550 Nm ab 1.700/min.
Hinzu kommt (dank der neuen Plattform) ein reichlich komplexes 48-Volt-System. Herzstück ist der TSG genannte Triebstranggenerator. Im Prinzip eine 18 kW starke E-Maschine im Verbund mit Einganggetriebe und Klauenkupplung, platziert auf der Ausgangswelle des Doppelkupplungsgetriebes. Wichtigster Job: den Kombi beim Rangieren, bei langsamer Fahrt in der Stadt oder über Land alleine anzutreiben. Der Verbrenner bleibt derweil aus. Ist die Batterie unter dem Kofferraum gut gefüllt (1,7 kWh), klappt das meist geschmeidig, bei sachter Fahrweise und ebener Strecke durchaus bis 30 km/h. Nervig nur, dass der TSG beständig in hellen Tönen sirrt.

Der bekannte Dreiliter-V6 bringt 367 PS auf alle vier Räder und wird vom Mildhybrid-System feinfühlig unterstützt – für kräftigen, kultivierten Vortrieb.
Geht der Energievorrat zur Neige, springt unmerklich der Benziner hinzu, übertönt den TSG und versöhnt ab 2.000 Touren mit seinem warmen, leicht kernigen Sound. Übrigens ganz frei jeglicher Lautsprecher. Und natürlich macht der V6 bei Bedarf mächtig Druck, vibriert dezent, dreht gierig hoch, unter Volllast spürbar unterstützt vom TSG, der 230 Nm zuliefert. Schön, wie das DKG verschliffen die Gänge wechselt, im Dynamik-Modus auch etwas härter. Schaltwippen erlauben manuelle Eingriffe, beispielsweise um einfach nur im Drehmoment zu bummeln. Der TSG rekuperiert adaptiv, und je nach Fahrstil nimmt sich der Verbrenner gern eine Auszeit. Kurzum: Die Kraftentfaltung ist ein Genuss. Ein zusätzlicher Riemenstartergenerator wirft den Motor an und füttert die Batterie für den nächsten Stint.
Wahrlich ein Hammer ist die Verzögerungsleistung der konventionellen Reibbremse. Mit warmer Anlage aus 100 km/h nur 32,7 Meter – das sind Werte auf dem Level eines RS 6. Und die Bremse ist keineswegs bissig, sondern lässt sich fein dosieren. Beruhigend, denn auch der A6 zählt mit 2,11 Tonnen nun zu den gewichtigen Kombis. Der Vorgänger, sechs Zentimeter kürzer, war locker über 150 Kilogramm leichter.
Sobald es jedoch um sanfte Verzögerung geht, knapp bei Schritttempo runter zum Stillstand, ist es oftmals vorbei mit der Harmonie. Da erlaubt sich der A6 bei Gaswegnahme einige Ruckler im Antriebsstrang, oft mit einem Knacken verbunden. Es ist vernehmlich zu hören, als Fahrer sitzt man ja am Mitteltunnel und damit nahe an Getriebe und Triebstrang. Ähnlich verhielt sich übrigens der zuletzt getestete Plattform-Bruder Q5 als 2.0 TFSI. Etwas Feinschliff kann da gewiss nicht schaden.
Immerhin lohnt sich der ganze Aufwand im Alltag. Der Testverbrauch fällt mit 8,5 l/100 km vergleichsweise niedrig aus. Wer auf der Autobahn gern forscher fährt, sollte sich aber auf Werte um die zehn Liter einstellen. So viel Masse zu bewegen, erfordert nun mal viel Energie.

2,1 Tonnen schwere Hänger kann der 2,11 Tonnen schwere Audi an den Haken nehmen. Der kostet 1.245 Euro und ist mechanisch schwenkbar. Ein Anhängerassistent hilft beim Rangieren.
Genau hier und ebenso in langen Kurven ist der luftgefederte und allradgelenkte Quattro voll in seinem Element. Jeder Kollege steigt zufrieden wieder aus, lobt den ausgewogenen Federungskomfort, die innere Ruhe (dank Akustikverglasung) und die enorme Spurtreue, gepaart mit hoher Wendigkeit in der City. Klar, die Hinterräder lenken bis 60 km/h um bis zu fünf Grad entgegengesetzt, ein optionales Feature.
Hinzu kommt noch die breite Spreizung der wenigen Fahrmodi. Im Komfortbetrieb reist man sehr kommod, fast schon wogend. Ist Schub gefordert, reckt der Audi sichtbar seine Haube gen Himmel. Steht eine kräftige Bremsung an, taucht er im Gegenzug tief ein, gut zu erkennen auf dem Foto oben.
Zu viel Bewegung? Dann lohnt sich der Dynamic-Modus. Der Avant ändert seine Trimmlage um zehn Millimeter, informiert mehr über den Straßenzustand und ob das Test-Schlagloch nahe dem Stuttgarter Schlossplatz noch lädierter ist als tags zuvor. Zugleich steigert der A6 das Handmoment seiner präzisen Lenkung und dreht gieriger ein, und zudem kommandiert der Rechner mehr Newtonmeter an die Hinterachse. Darüber freut sich das aufpreispflichtige vollvariable Sportdifferenzial, das je nach Fahrstil, Nässe und ESP-Status für ein lebhaftes Heck und eine zügig ausgefranste Sportbereifung sorgt. Kann man so ordern, ist aber teuer und wirkt für einen gemütlichen Kombi etwas übertrieben.
Als gut austarierter Mix für alle Tage erweist sich meist der Balanced-Modus. Vielen Dank dafür an die Fahrwerksingenieure in Ingolstadt. Oder der Fahrer richtet sich den A6 selbst ein und konfiguriert die zig verschiedenen Einstellmöglichkeiten nach seinem Geschmack. Erstmals lassen sich die Fahrmodi via Sprachbedienung ändern, und mit der Ansage "Fahrzeug anheben" pumpt sich der Audi um zwei Zentimeter hoch.
Als Avant an Wert verloren
Kombis dieser Klasse bieten meist ein großes Heckabteil. Also dann: Klappe auf, per Fingertipp oder – nach etwas Übung – mit kleiner Fußgeste. Und dann? Traurige Gesichter. Viel mehr als rund 470 Liter Volumen, ein flaches Unterbodenfach und ein Schienensystem kann dieser Avant nicht bieten. Der Vorgänger packte fast 100 Liter mehr ein. Und der neue S5 Avant (identisch motorisiert) ist dem A6 mit rund 450 Litern fast ebenbürtig. Der wassergekühlte Akkublock und ein Konverter verlangen ihren Raum. Variabilitätstricks im Stil einer Cargo-Stellung der Lehne beherrscht der Audi auch nicht. Also: Klappe wieder zu.

Volumenarmer Laderaum mit Klappboden und einem Fach darunter.
Ein idealer Reise-Kombi im Stil des E-Klasse-T-Modells ist der A6 damit nicht. Und qualitativ verfehlt er das hohe Level seines Vorgängers. Im Cockpit mussten handschmeichlerische Aluelemente silbern eingefärbten Kunststoffteilen weichen, die inneren Ränder der Türfächer sind fast schon scharfkantig, und im Fond gönnt Audi seinen Passagieren nicht einmal weiche Gummieinlagen in den zu kleinen Türfächern. Hölzerne Einlagen kosten 210 Euro, elektrisch verstellbare Vordersitze sind im Grundpreis ebenfalls nicht mit drin. Schon tough bei 72.500 Euro. Für den IN A-6711, einen exklusiven Edition one plus Extras, gilt es nochmals gut 32.000 Euro mehr zu kalkulieren.
Extras in Hülle und Fülle
So, der Zettel mit all den kritischen Anmerkungen ist abgearbeitet. Wenden wir uns der Schokoladenseite des dunkelbraun lackierten Audi zu. Also bitte Platz nehmen. Wo? Zunächst im Fond auf der bequemen Bank. Hier passt alles. Beinauflage, Lehnenwinkel, gut zugängliche Isofix-Bügel und ein durchaus nutzbarer Mittelsitz, trotz gut ausgeformter Plätze für die äußeren Passagiere. Die genießen eher den Ausblick durch das trendige Panoramadach, bei dem sich per Tastendruck neun Segmente auf freie Sicht oder in den schattigen Privacy-Modus schalten lassen. Derweil kümmert sich eine Vierzonen-Klimaautomatik um die richtige Temperatur, und an Fußraum fehlt es ohnehin nicht. Viel angenehmer kann man kaum reisen.
Eine Tür weiter – die sich leichter öffnet, als die versenkten Griffe vermuten lassen – punktet der Kombi mit akkurat ausgeformten und tief montierten Sportsitzen. Viel zu verstellen gibt es nicht. Macht aber nix: einfach reinsetzen, Beinauflage anpassen und gut ist.

Die Bedieneinheit in der Tür ist alles andere als Premium. Dort stimmen auch nicht alle Passungen.
Komplexer geraten ist das Bedienfeld in der Tür für Spiegelverstellung, Kindersicherung und LED-Matrix-Scheinwerfer. Die wiederum zählen zu den vielseitigsten Leuchten, die es derzeit gibt. Also fast volle Punktzahl. Bemerkenswert zudem die digitalen OLED-Heckleuchten, die ihre beleuchteten Flächen automatisch vergrößern, sobald sich andere Wagen von hinten nähern.
Lob verdient der Audi zudem für sein vielseitiges, einfach konfigurierbares Head-up-Display und die große Kartendarstellung auf dem serienmäßigen Touchdisplay. Das braucht es auch, denn die digitalen Instrumente bieten diese Einstellung nicht und zeigen dem Fahrer lediglich Pfeile an. Auch einen übersichtlichen Drehzahlmesser oder zumindest eine Info, was nun gerade für Vortrieb sorgt, würde man schon erwarten.
Sicherheitstechnisch ist der Audi dagegen bestens aufgestellt; viele Systeme sind immer an Bord. Meist arbeiten Sensoren, Radare, Kameras und Bordrechner zuverlässig zusammen. Selbst automatisierte Spurwechsel auf der Autobahn klappen in der Regel problemlos. Dann aber patzt der Audi trotz aller Kompetenz bei der Verkehrszeichenerkennung – und das nicht nur auf unseren üblichen Teststrecken.

Das Tableau an Assistenten ist schneller entdeckt und gut sortiert.
Wie gewohnt gut: Die bimmelige Tempowarnung ist mit einem Klick am Lenkrad ruhig und der sachte eingreifende Spurhalter per Taste am Blinkerhebel ebenso fix ausgestellt. Oder der Fahrer holt sich alle Assistenten auf den Screen. Der Audi drapiert sie dann sehr übersichtlich in Form kleiner Icons auf dem Monitor.
Am Betriebssystem gibt’s trotz Touchbedienung sowieso kaum etwas zu meckern, trotz seiner Fülle an Funktionen. Zur Not hilft die lernfähige Sprachassistenz gerne weiter. Wie gut der neue A6 wirklich ist, konnte sie uns trotz ChatGPT noch nicht sagen. Macht nichts. Denn das, liebe Leser, haben wir wie immer selbst für Sie herausgefunden.
Audi A6 Avant TFSI 270 kW Quattro edition one | |
Grundpreis | 81.370 € |
Außenmaße | 4999 x 1875 x 1472 mm |
Kofferraumvolumen | 466 bis 1497 l |
Hubraum / Motor | 2995 cm³ / 6-Zylinder |
Leistung | 270 kW / 367 PS bei 5500 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 250 km/h |
0-100 km/h | 4,8 s |
Testverbrauch | 8,5 l/100 km |