In 6,8 Sekunden von 0 bis 50 km/h. Klingt nach keinem wirklich beeindruckenden Beschleunigungswert, oder? Und doch ist das der Benchmark in dieser Klasse. Denn keiner entblättert sein auf Knopfdruck schneller als der Aston Martin Vantage Roadster. Damit fallen nicht nur die Hüllen, sondern auch ganz schnell alle Hemmungen. Denn sobald sich das achtlagige Webasto-Verdeck leise wispernd Z-förmig in der Versenkung zusammenfaltet, flutet die Sonne den Doppelsitzigen Innenraum.
Okay, die Inhalte des neu strukturierten Infotainment-Touchscreens kann der Fahrer wegen der Reflektionen jetzt nur noch erahnen. Nicht tragisch zumal der Fahrer die wichtigsten Infos auch via Sprachkommando oder alternativ auf dem Digital-Cockpit serviert bekommt. Letzteres hat die hauseigne Software-Abteilung nach der Kritik beim Coupé mal eben auf bessere Ablesbarkeit getrimmt. Noch cooler wäre ein Head-up-Display – doch das gibt‘s weder für Geld noch gute Worte. Serienmäßig sind dafür allerlei Tasten, Schalter und Regler, die die Bedienung des Sportwagens zu einer der Besten in dieser Klasse erheben.
Doch das sind ziemlich weltliche Kategorien für einen Roadster, der nach dem Facelift bezaubernder dasteht als zuvor. Dafür knackt er nun die 200.000-Euro-Marke – eine Summe, die nach einem Aufenthalt in der Q-Styling-Abteilung weiter entrückt. Dabei zieht Gaydon die Qualitätsschraube beim Facelift des Roadsters kräftig an sortiert die alte Mercedes-Software aus und behält nur noch die kleinen Touchpads am Lenkrad aus den schwäbischen Regalen.

Nicht mehr so chic, dafür besser ablesbar: Das neue Layout der digitalen Instrumente.
Ansonsten breitet Aston weiches Alcantara, schickes Carbon und edles Leder samt perfekt sitzender Nähte aus. Lediglich ein sichtbarer Imbusschraubenkopf auf der Beifahrerseite passt nicht ganz zum ansonsten sehr hochwertigen Interieur mit im wahren Wortsinn herausragenden Bowers & Wilkins-Boxen. Davon versammeln sich 15 an der Zahl, die in Summe mit 1.700 Watt auf die Ohren drücken. Ein verzichtbares Extra, wenn Sie mich fragen, schließlich spielt die Musik hier ganz wo anders.
Mehr Leistung, mehr Spaß!
Richtig: hinten. Und zwar besonders laut. Denn die vier Endrohre randalieren derart, als hätten sie in England die OPFs vergessen. Der Musikproduzent sitzt dagegen vorn unter der langen Haube. Der V8 ist im Grunde ein alter Bekannter den weiterhin AMG zuliefert. Allerdings darf man ihn in Gaydon nach dem Umzug des Halbbruders AMG GT auf die SL-Plattform nun endlich nach eigenem Gusto abschmecken. Nix mit E-Boost. Stattdessen: größere Turbos, frische Nockenwellen und krassere Abgasanlage. Resultat: 30 Prozent mehr Leistung und 15 Prozent mehr Drehmoment. In Zahlen: 665 PS und 800 Nm – allein auf der Hinterachse.

Höchstgeschwindigkeit und Sprintwerte? 325 km/h und 0-100 km/h in 3,6 s.
Überforderung? Wo denken Sie hin. Traktionsprobleme sind trotz gewaltiger 800 Nm Drehmoment während der Testfahrt durchs Alpenland überhaupt kein Thema. Anders als im DB12 fällt das Triebwerk beim Gasgeben nicht erst in ein Turboloch, sondern schiebt kräftig aus jeder Drehzahllage. Klar, 4,0-Liter-Biturbo-Motoren gibt es so einige auf dem Markt, doch der Vantage trägt wohl eines der besten hinter der Vorderachse. So verteilen sich rund 1,8 Tonnen dank Trans-Axle-Bauweise fifty-fifty. Kleiner Funfact am Rande: Während sich das Stoffverdeck erhebt, wandert der Schwerpunkt beim 60 kg schwereren Roadster um einem Prozent-Punkt nach hinten.
Klar, der Vantage versteht sich natürlich mehr als offener Sportwagen, denn GT; und so startet der Roadster stets im Sport-Modus. On top kommen Sport Plus und Track, die vor allem die Motor- und Lenkungskennlinien weiter zuspitzen. Aston Martin selbst betont fahrdynamisch nichts gegenüber dem Coupé verwässert zu haben. Und tatsächlich stellen wir das heute keinesfalls in Zweifel, zumal sich das Fahrdynamik-Menü mit wenigen Tastendrückern ESP, Auspuffsound, Dämpfung sowie die Fahrerassistenzsysteme abschmecken lässt.
Der Reiz des Unperfekten
Highlight neben dem Antrieb: Die Lenkung. Anders als bei den GT- Modellen lenkt der Vantage nicht entspannt, sondern direkt ein und erfordert dabei kräftiges Zupacken. In Verbindung mit dem kurzen Radstand empfiehlt sich der Vantage so als fast perfekter Bergstraßen-Kumpel. Endlich scheint er am Gipfel des Open-Air-Sportwagenolymps angekommen zu sein.

Wie beim Coupé trägt der Roadster Einzelradaufhängung mit doppelten Querlenkern vorn und hinten eine Mehrlenkeraufhängung. Die mit Spiralfedern und Stabilisator sind speziell für den Roadster abgestimmt. Dazu ein adaptives Bilstein-Dämpfungssystem (ADS) mit Skyhook-Technologie.
Alles perfekt also? Nein, eine Komponente spielt nicht so richtig mit: die Achtgang-Automatik. Anders als gewohnt, arbeiten V8 und Getriebe, die eine Karbon-Welle verbindet, nicht völlig reibungslos Zusammenarbeit. Im Sportmodus wechselt die ZF-Automatik noch komfortabel-zügig die Gänge – so weit, so bekannt. Bei forcierterer Gangart bergauf jedoch fehlt plötzlich das Engagement: Vor Spitzkehren schaltet das Getriebe selbst im schärfsten Modus zu spät runter und irritiert beim Beschleunigen durch verfrühtes Hochschalten. Ein kleiner Dämpfer, der die offene Kurven-Party ein wenig trübt.
Na gut, dann zupft der Fahrer eben selbst an den Karbon-Schaltwippen und räumt mit einem zwei-Sekunden-Druck auf die ESP-Taste dem Heck noch mehr Freiheit ein. Ein noch längerer Druck, und das Fahrmodi-Rad wird zum Freiheitsgradregler, wobei die letzte ESP-Regelstufe tatsächlich den vollständigen Rückzug der Regieassistenz bedeutet.
Spätestens jetzt wird der Ausflug im Vantage Roadster zu einem ganz besonderen Fahrerlebnis.