Die Zahl ist nicht nur absolut überwältigend, sondern auch relativ beeindruckend: 665 PS! Das ist ein Nachschlag von deren 155 gegenüber dem bisherigen Vantage und 26 mehr, als AMG – der eigentliche Urheber dieses Biturbomotors – aus den vier Litern kitzelt. Und die 155 PS sind ohne Mithilfe irgendwelcher E-Zusätze entstanden. Dickere Lader, modifizierte Nockenwellen, erweiterte Kühlung – das Wille-Weg-Prinzip.
Die Ad-hoc-Begeisterung wird jedoch von schlackernden Ohren begleitet. Schließlich waren weder der 510 PS starke direkte Vorgänger noch dessen um 25 PS angejazzte F1-Edition der Untermotorisierung verdächtig gewesen. Der Neue, dessen Hinterräder nun neben dem 30-prozentigen Leistungszuwachs auch die Kleinigkeit von 800 Nm bewältigen dürfen, verspricht also eine Herausforderung zu werden. Sowie: ein echtes Erlebnis. Doch bevor wir uns da reinstürzen, soll es noch kurz um die Hintergründe gehen. Besser gesagt: um die Beweggründe, die Power so radikal hochzuschrauben. Die Geschichte beginnt vor acht Jahren, als der Vantage von den hohen Herren offiziell zum "Predator" (Raubtier) auserkoren wurde. Ex-CEO Palmer sagte damals sinngemäß, die Konkurrenz solle sich warm anziehen, denn Aston mache Ernst.
Leider hatte die progressive Ausrichtung auch das Design erwischt: Den charakteristischen Gesichtszügen fehlte plötzlich die Unterlippe; gleichzeitig erinnerten die zusammengekniffenen Scheinwerfer weniger an ein Raubtier als vielmehr an den überaus friedfertigen Mazda MX-5. Und als wäre dem Weltkulturerbe der Sportwagen-Ästhetik damit nicht schon genug Unheil widerfahren, brach auch noch der Innenraum mit dem Markenstil. Ursächlich: die Kooperation mit Mercedes. Sie lieferte zwar das motorische Rüstzeug für die Attacke auf die Arrivierten, bahnte sich aber auch ungeniert einen Weg an die Oberfläche. Sicher, im Gegensatz zum Vorgänger begannen Essentials wie die Zielführung der Navigation plötzlich zuverlässig zu funktionieren, jedoch mischte sich auch das Lederaroma im feinen Briten mit dem Duft ausgemusterter C-Klassen.
Frischer Cockpit-Look
Damit ist jetzt Schluss! Das schwäbisch-britische Joint Venture äußert sich nur noch in vereinzelten Bedienlogik-Details, der große Rest des Cockpits wirkt frisch und clean. Hauptverantwortlich dafür: das neue Touch- screen-Infotainment, das sich in eine stämmige Mittelkonsole bettet, höher auflöst als die betagte Daimler-Lösung, je nach Sonneneinstrahlung ein bisschen fahl im Kontrast wirkt, aber durchweg schlüssig gegliedert ist.

„Entbenztes“ Cockpit mit charmanten Details, schlüssigem Touchscreen-Infotainment und Schaltpaddeln am Lenkrad.
Den Getriebewählhebel schrumpft auch Aston nun zum Kippschalter, die Schaltpaddel des Automatikgetriebes sind vom Lenkstock ans Lenkrad umgezogen, also nicht mehr fest stehend, sondern mitdrehend. Die Klima-Temperatur, das Gebläse und die Lautstärke der fulminanten Bowers-&-Wilkins-Anlage lassen sich über Metallwalzen regulieren, die Fahrmodi mittels eines Drehreglers, der als satt rastender Ring um den Startknopf liegt. Sitze? Zwei an der Zahl, anschmiegsam beledert, bequem, aber packend, ohne Firlefanz verstellbar und bei Bedarf so tief im Auto positionierbar, dass man zum Überblicken des Vorbaus den Hals recken muss.
Genauso imposant: Der Blick von gegenüber. Die Frontpartie sieht nun nicht mehr nach Abflussschacht, sondern unverwechselbar nach Aston Martin aus. Größere Scheinwerfer mit Matrix-LEDs und dazwischen ein weit aufgerissenes Kühlermaul in Duckface-Mimik, das nicht nur dem Frischluftbedarf des erstarkten Aggregats Rechnung trägt, sondern auf einen Schlag auch die Markenstilistik mit der Modellphilosophie synchronisiert: klassisch, aggressiv, unmissverständlich – ein thematischer Volltreffer! Denn eines soll weiterhin klar sein: Auch wenn der Angriff auf die großen Namen zuletzt an der Zielsetzung vorbeischoss, rückt der Vantage nicht von seinen Intentionen ab. Im Gegenteil: Man packt die Brechstange aus, will den Gap zu Elfer und Co. mit Mehrleistung schließen, auch wenn das für britische Verhältnisse ein recht amerikanischer Problemlösungsansatz ist.

Die Sitzposition ist ebenso tief wie hinterachsnah – vorbildlich.
Die genetischen Anlagen bleiben unabhängig davon ideal. Anders als bei den Kooperationspartnern in Affalterbach, wo der Haussportwagen inzwischen fast mehr mit der E-Klasse gemeinsam hat als mit seinem Vorgänger, bleibt der Aston ein reiner Sportwagen. Der V8 fläzt sich nicht auf, er duckt sich hinter die Vorderachse, der Achtstufenautomat flanscht transaxial gegenüber an, woraus neben einem direkteren Draht zwischen Hinterachse und Hosenboden auch Gewichtsvorteile resultieren. Nicht nur, dass der Aston 174 kg weniger um Ecken wuchtet als der GT von AMG, er verteilt die Pfunde auch besser zwischen den Achsen.
Massig Druck, kein Loch
Der Allradantrieb, der dem Mercedes seit dem Modellwechsel zuteilwird, wäre in Anbetracht des gehörigen Turbo-Punchs auch hier eine sinnvolle Ergänzung gewesen – dachten wir im Vorfeld. Im Alltag beweist der Aston jedoch das Gegenteil. Derb ist nämlich nicht nur der Schub, der sich wie ein Teppich aus infernalischen Eindrücken über das Drehzahlspektrum legt, sondern auch die Art, wie er sich entfaltet beziehungsweise in den Boden stanzt.

2,7 Sekunden knöpft der neue Vantage seinem Vorgänger auf dem GP-Kurs des Hockenheimrings ab. Mit einer Rundenzeit von 1.53,0 min weist er sogar den AMG GT 63 in die Schranken.
Trotz seiner Literleistung von 167 PS rock’n’rollt der Vantage los, ohne durchzuhängen. Schon klar, der hohe Ladedruck braucht ein paar Hundert Umdrehungen, um sich voll aufzuplustern, wächst aber ebenso homogen wie zügig. Dito erstaunlich: Motor und Hinterräder beißen synchron. Kein Hickhack zwischen Drehmoment und Elektronik, keine fiesen Sidesteps, sondern eine nahezu nahtlos einsetzende Schubgewalt, deren Endeffekte sich entsprechend klar in den Werten abzeichnen.
In 3,5 Sekunden röhrt der Vantage auf 100, der alte kam mit geringerer Leistung und wackligerer Traktion auf 3,9. Ja selbst der AMG GT, der dank 4Matic vom Start weg in die Vollen drehen kann, rettet nur drei Zehntel Vorsprung durch den Standardsprint. Danach wird er gnadenlos niedergemäht von der ultimativen Eskalationsstufe seines eigenen Motors, der hier obendrein auch noch besser klingt, bassiger, fülliger – eben nach V8.

Transaxle-Layout mit Frontmittelmotor und lieben Grüßen an AMG!
Das Beschleunigungserlebnis ist jedenfalls eines der besten, die es in dieser Hubraumklasse je gegeben hat. Schon dieses bronchiale Brummeln unter Teillast macht mehr Stimmung als manch Klassenkamerad voll ausgedreht. Ab 4.000 verwandelt sich der Brummbär in einen Drachen, speit feurigen Vortrieb, donnert, bolzt, donnerbolzt da hinten die Gänge rein, um erst im Bereich von 250 anzufangen, den Eindruck nachlassender Intensität zu erwecken.
Dauerbrenner
Ja, der heroische Schub lässt einen nicht los, ist allgegenwärtig, eine permanente Verlockung und auch auf der Landstraße fahrstilbildend. Das Schöne: Der Vantage wirkt echt, pocht und prickelt schon beim Cruisen, erwacht mit Gaseinsatz immer mehr zum Leben, macht Arbeit am Lenkrad und genau deshalb Laune, weil er sich nicht nur in einem computergestützten Kanal bewegt.

Schnellwahltasten für Klang-Intensität, ESP und Dämpfer. Hilfreich zum Warmwerden mit dem schmalen Limit: die aktive Traktionskontrolle.
Sicher, mit den vernetzten Reaktivdämpfern, einem neuen, penibel eingreifenden ESC-System sowie einer mehrstufigen Traktionskontrolle hat er sich Unterstützung im Umgang mit der vielen Kraft an Bord geholt. Dennoch bekommt man selbst in den züchtigeren Modi das selten gewordene Gefühl, etwas gemacht oder gar vollbracht zu haben.
Denn Feeling ist hier keine Einbahnstraße. Die Lenkung reagiert nicht nur akkurat und feinsinnig, sie hat auch keine Hemmungen, Fahrbahndetails unverblümt zurückzumelden. Mangels aktiver Stabis und Hinterachslenkung gibt es nichts, was in der Mensch-Maschine-Beziehung herumpfuschen könnte. Zudem hat das Fahrwerk die Eigenheit, sich nicht so recht zwischen Dynamik und Komfort entscheiden zu können. Mutmaßlich softe Federn sind mit recht straffen Dämpfern kombiniert, sodass die spürbar versteifte Karosse auf schlechten Strecken mächtig Action macht.
Am Limit ist das insofern hinderlich, als mit dem aktiven Hinterachsdifferenzial ein zusätzlicher Stellhebel in die Zusammenhänge grätscht. Die Sperr-Regelung ist brutal auf Traktion gepolt, hält das Heck länger auf Zug, als man glauben mag. An Punkt X reißt die Haftung dafür unvermittelt ab, der Aston beginnt zwischen Grip und Slide hin- und herzuzucken, wobei sich der Quertrieb an der schlaksigen Kinematik zu einer pumpenden Hinterachse aufschaukeln kann.
Kritik kassiert auch die Keramikbremse, die sich mit 13.200 Euro als größter Posten in eine an großen Posten nicht arme Aufpreisliste einträgt. Das Pedalgefühl der mächtigen Anlage ist zwar fest, präzise und verlässlich im Druckpunkt, wie sich das für einen Sportwagen gehört. Die Werte hingegen: So lala. 33,7 Meter von hundert auf null sind kein Ruhmesblatt und am Ende ein bisschen sinnbildlich. Eigentlich hat der Vantage die Anatomie und die Technik für das, was man ihm als Missionsziel auf den Weg gegeben hat. Was fehlt, ist die letzte Konsequenz, die das Ensemble auf Linie zurrt.
So ist die Performance-Ausbeute, die für einen "Predator" nun mal der Gradmesser ist, in Bezug auf den Vorgänger zwar relativ beeindruckend. In der Leistungsklasse aber ist sie, nun ja, nicht absolut überwältigend.
Aston Martin Vantage 4.0 V8 | |
Grundpreis | 198.000 € |
Außenmaße | 4495 x 1980 x 1275 mm |
Kofferraumvolumen | 346 l |
Hubraum / Motor | 3982 cm³ / 8-Zylinder |
Leistung | 489 kW / 665 PS bei 6000 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 325 km/h |
0-100 km/h | 3,5 s |
Testverbrauch | 11,4 l/100 km |